Kunst auf Knopfdruck

Oder: Warum es einfach ist, in der Yurikamome-Monorail in Tokyo coole Bilder zu machen.

Vor einigen Wochen gingen ein paar Bilder aus Tokyo durchs Internet. Diverse Kunst-, Design- und Urban/Architektur-Blogs verlinkten auf eine Sammlung von Fotos, gemacht in der Yurikamome-Line in Tokyo. Auch mir wurde der Link oft geschickt (“guck mal Fritz, Bilder aus Tokyo!”).

Die Fotografin AppuruPai versteht es hier mit ihrer Kamera mittels Langzeitbelichtung Licht und Bewegung so einzufangen, dass eine Symbiose zwischen Raum und Zeit entsteht. Die Bilder ihrer aktuellen Serie ‘High Speed Photos of Yurikamome Rail Transit’ ziehen den Betrachter in den Sog endloser Wurmlöcher Tokyos.

Quelle: ignant

Wurmlöcher? Symbiose zwischen Raum und Zeit? Sicherlich waren das nicht die Gedanken der Fotografin, die in ihrem flickr-Stream mehr Katzen- als Kunstfotos hat, als sie den Auslöser drückte. Sie wollte nur ein cooles Bild machen. Und gelungen sind sie ihr, zweifellos.

Wenn man einen gewissen Level in der Fotografie erreicht hat, kann man alles cool, schön oder interessant aussehen lassen. Es gibt Techniken und Wege das zu erreichen. Ich zumindest glaube fest daran und hoffe irgendwann auch mal selbst diese Fähigkeit zu haben.
Das führt nun allerdings auch zu einem Dilemma: wenn man die Fähigkeit hat, alles gut aussehen zu lassen, wann wendet man sie an? Oder viel mehr: warum sollte man von etwas bestimmten ein gutes Foto machen, wenn man es zu jeder Zeit von allem machen kann?

Oft ist die Antwort: weil jemand dafür bezahlt. Im Falle von Kunst ist es aber: weil man etwas bestimmtes ausdrücken möchte. Ich unterstelle jetzt mal der Fotografin, dass sie nicht an eine Symbiose von Raum und Zeit beim Auslösen dachte. Sie hat die Kamera auf Langzeitbelichtung gestellt, ans Fenster gehalten und den Knopf gedrückt. Dann noch fix durch Photoshop und fertig.

Es ist ein Trend, den ich seit langer Zeit in der Fotografie beobachte und der mich ebenso lange nervt: Bilder werden totgeredet und bis zum Äußersten interpretiert. Ein verwackeltes Bild wird zu “einem Symbol für unseren hektischen Alltag”, eine Geste einer Person zur Kritik an der Gesellschaft. Das alles ist (meistens) ausgemachter Blödsinn.

Wenn ich den Auslöser drücke, denke ich nur daran, ihn nicht zu verfehlen und nicht den Finger vor die Linse zu halten. Oft gehen zwar verschiedene Sachen in mir vor und es gibt gewisse Gefühle, die ich ausdrücken möchte, doch alles ist stets unkonkret und nicht ausformuliert. So geht es den meisten Fotografen. In dem Bruchteil einer Sekunde, in dem das Bild entsteht, wird nicht viel nachgedacht. Bei inszenierten Bildern, die so viel Zeit und Vorarbeit beanspruchen wie ein Gemälde, ist es etwas anders. Doch was dann am Ende in Fotos reininterpretiert wird, ist meistens ein ziemliches Geschwafel.

In einer BBC-Dokumentation sprechen Fotografen und Kunstkritiker sehr lang über das Pfützenfoto von Henri Cartier-Bresson, was es für die damalige Zeit bedeutet und was er damit ausdrücken wollte. In einer anderen Doku wird Bresson selbst zu dem Bild gefragt. Er meint nur, dass er nicht mal durch die Linse guckte, und nur auf gut Glück fotografierte. “Es ist immer Glück” sagt er.


Einfahrende Yurikamome-Monorail

Ich wollte selber mal ausprobieren, wie einfach es ist in der Yurikamome interessante Bilder zu machen, ohne komplexe Gedanken dahinter zu haben. Die Fotos sind auf zwei Fahrten beim Blick aus dem Fenster entstanden, weil ich eh in Odaiba zu tun hatte. Die Yurikamome macht es einem leicht, da sie führerlos ist und somit vorne wie hinten freie Sicht auf die Bahn bietet. Sie bewegt sich auch sehr gleichmäßig und wackelt nicht. Für eine Serie könnte man immer und her fahren, bis man das perfekte Bild gefunden hat. Aber, und da stellt sich wieder die Frage vom Anfang: was möchte man damit zeigen?

Berlinale Nachklapp, Teil 2

Bei den 61. internationalen Filmfestspielen in Berlin, der Berlinale, war ich im Programm “Close Up!” von C/O Berlin als einer von 18 Fotografen dabei. Während der Berlinale habe ich hier jeden Tag ein Foto und Notiz hochgeladen und eine Art Berlinale-Tagebuch geführt. Hier nun der Rest vom Fest.

30°C hat es heute in Berlin. Das bedeutet, dass seit der Berlinale nun schon zwei Jahreszeiten vergangen sind. Trotzdem: hier nun das, was von der Berlinale übrig blieb.

Übrigens ist der 2. Teil zum Nachklapp der Berlinale auch der 202. Beitrag im Blog. Den 200. hab ich verpennt. Wird langsam etwas voll hier, wa? Tüftel seit Monaten an nem ansprechenden Inhaltsverzeichnis um die ganze Artikel ordentlich zu verwalten, komme aber irgendwie nie zur Fertigstellung…

Tag 7

Tag 8



Der Herr vom japanischen Fernsehen, erkennbar am Salaryman-Cosplay.



Das Leben eines Pressefotografen – Kippe und Kamera.

Letzter Tag

Auch ihre Schuhe hatten anscheinend Gänsehaut.

So, aus, vorbei, genug Berlinale. Ab in die Sonne!

Berlinale 2011:

Berlinale bei nahe
Berlinale Nachklapp, Teil 1
Das drittälteste Kino von Berlin
Berlinale Nachklapp, Teil 2

Eine Mappe voller Geschichten

Aufgrund vielfacher Nachfrage, hier nun die Auswahl der Bilder für meine Bewerbungsmappe an der FH Hannover.
Ich habe mich an der FH Hannover für den Studiengang Fotojournalimus beworben, der einzige seiner Art in Deutschland und auf einem sehr anspruchsvollen Niveau. Dementsprechend präzise sind die Vorgaben für die Mappe:

Es sollen 3-6 Bilderserien eingereicht werden, mit jeweils 10-20 Bildern. Die Reihenfolge der Bilder ist dabei entscheidend, es soll nämlich ein gewisser narrativer Faden erkennbar sein.
Bei der ersten Mappenberatung in Hannover im letzten Dezember gabs derbe Kritik an meinen Bildern und deren Auswahl. Nachvollziehbar, bis dahin hatte ich noch nie eine Bilderserie geschossen, mit einem groben thematischen und erzählerischen Rahmen. Für die Mappe hatte ich mir nun also neue Themen gesucht, von denen ich dann am Ende nur zwei umsetzen konnte. Das Herz der Mappe, die Reihe, die am Besten funktioniert, in die ich am meisten Zeit und Gedanken steckte und auch in der Reihenfolge die erste, ist die Reportage zur Puppenklinik Renate Herrmann:


Mehr dazu im Blogeintrag: Die alte Dame und die Puppen

Seit 25 Jahren betreibt Renate Herrmann eine Puppenklinik in Berlin, die mittlerweile zu einem großen Archiv von Körperteilen aus Plastik geworden ist. Ihre Tochter hilft bei den Arbeiten an Puppen, Teddys und Figuren, von denen einige bis zu 80 Jahren alt sind und die Weltkriege überlebten – aber die Enkel von heute nicht.

Der Text zur Serie in der Mappe

Hab erst überlegt, ob ich einen Audiokommentar zur Slideshow mache, aber ich hatte ja im Blogeintrag schon alles dazu gesagt. Mit Kollege Martin, seineszeichens Student an der FH Hannover, habe ich mich lange und intensiv zur Bilderserie auseinandergesetzt. Er hat auch viel gute Tipps gegeben, von denen ich so viele wie möglich umgesetzt habe. Seine allerletzten Tipps zur Reihenfolge habe ich dann aber nach langen, langen Hin und Her doch nicht umgesetzt, aber so hatte ich auch ein besseres Gefühl mit der Mappe. Sorry Martin, du hast wahrscheinlich Recht gehabt, aber am Ende wars ne Gefühlssache 😉

Die erste Serie war ne Reportage, die zweite sollte ein Foto-Essay werden. Ein Foto-Essay ist ein grober thematischer Rahmen und für mich eine schöne Gelegenheit, nette Tokyo-Fotos ohne Zusammenhang zu benutzen.

Menschen in Tokyo:


Die Musik ist etwas zu schnell und fröhlich für die Bilder, fand den Song thematisch aber ganz passend.

Ich habe ein Jahr in Tokyo gelebt und als freier Fotograf & Journalist gearbeitet. Dieses Essay sammelt Impressionen von Menschen in Japans Metropole, so wie ich sie erlebt habe.

Der Text zur Serie in der Mappe

Die Idee war hier, mit einem Bild ohne Menschen beginnen und zu enden, und dazwischen möglichst viele Aspekte und Impressionen von Menschen in Tokyo unterzubringen. Es ergab dann am Ende eine schöne Reihenfolge, von ganz oben, durch die Häuser, nach unten (Ubahn), wieder den Aufstieg, etwas Tradition und eben die Nacht zum Schluss. So war zumindest die Idee.

Ich muss zugeben, an die genauen Reihenfolge kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich hatte die Abzüge bestellt, mir Laborhandschuhe aus Baumwolle angezogen und dann die Bilder hin und her geschoben, bis es irgendwie passte. Die Bilder ausdrucken und sie vor sich sehen hilft echt um eine Reihenfolge festzulegen. Danke nochmal an Martin für den Tipp.

Die letzte Reihe sollte dann wieder eine Reportage sein, die ich während der Berlinale geschossen hatte, mit dem Hinblick es eventuell in der Mappe zu verwenden. Während die anderen beiden Serien viel Analyse und Gespräche mit anderen im Vorfeld bekamen, war diese Serie bewusst komplett alleine von mir verantwortet – was auch erklärt, warum sie nicht ganz so gut funktioniert, wie die anderen und warum sie viel zu lang ist. Wobei ich da schlussendlich noch 1-3 Bilder rausgeschmissen hatte.

Berlinale für einen Tag:

Das 1911 gebaute Kino „Union“ in Friedrichshagen, einem kleinen Kiez am Rande von Berlin, wird für einen Tag zum Berlinale-Kino. Das große internationale Filmfestival der Hauptstadt zieht für nur einen Tag ins kleine Kiez-Kino.

Der Text zur Serie in der Mappe

Hierzu brauchts etwas mehr Hintergrundwissen: Die große Berlinale hat ein Programm, das sich “Berlinale goes Kiez” nennt. Dabei suchen sie sich jedes Jahr mehrere kleine Kiezkinos raus und die Berlinale kommt mit ihrem Programm für jeweils einen Tag vorbei. Ich hatte dabei das Kino Union begleitet.
Problem hierbei war, dass der rote Faden nicht so klar war. Ich hab versucht es chronologisch aufzuziehen, besser wäre es aber glaube gewesen, mir einen Protagonisten, wie z.b. den Filmvorführer oder den Chef vom Kino, zu suchen, und anhand von ihm den Tag zu erzählen.

Einem Rat von meinem Bruder folgend, schon noch etwas mehr für die Mappe auszugeben, habe ich dann am Ende über 100€ bezahlt, wovon die eigentlichen Bilder noch die geringsten Kosten waren. An dieser Stelle ein kleiner Vermerk zum Laden für Fotozubehör monochrom in Berlin Mitte: Exzellente Auswahl, beschissener Service. 40min im Laden stehen ohne das man auch nur mal kurz angesprochen wird (schließlich muss mit dem einzigen anderen Kunden noch lange über die Lebensgeschichte gesprochen werden), oder die Unfähigkeit sich Namen und Nummern korrekt zu notieren. Nächstes Mal bestell ich online…

Gesamt bin ich mit der Mappe zufrieden und habe ein gutes Gefühl. Sollte es nicht passen, dann passt es nicht, aber als Fotograf werd ich weiterhin arbeiten. Mit oder ohne Studium. Ich glaube, dass ich in Hannover zu einem besseren Fotograf werden kann, aber das wäre nur ein Weg von vielen.
Und ein besserer, als 5600€ Aufnahmegebühr und 500€ monatlich für eine zweifelhafte Ausbildung zu bezahlen….

UPDATE: Eben kam der Brief rein, die Mappe wurde angenommen und ich wurde zur Eintrittsprüfung geladen! Dazu soll ich Pinsel, n Tuschkasten, sechs Bleistifte und viel Papier mitbringen…