Versteckt


Kostüm: Marika Moritz
Model: Claire Weiss

Die Inka-Prinzessin in rot
Für eine befreundete Kostümdesign-Studentin habe ich ihre Semesterarbeit fotografiert. Inszenierte Bilder oder Mode sind sonst eher nichts für mich, aber es war eine gute Abwechslung und Herausforderung. Es war im August auch das einzige Shooting, da ich andersweitig in ein Projekt eingebunden war. Tatsächlich habe ich von diesem Sommer nicht viel mitbekommen. Ich bin weder verreist, noch habe ich die Sonne gesehen, da ich die letzten Wochen nur drinnen saß und über dem Rechner hing. Sobald das Projekt veröffentlicht ist, werde ich mehr dazu erzählen.

Die Geschichte hinter dem Kostüm, laut der Schneiderin, handelt von der Inka-Prinzessin Manouka. Sie ist nicht für harte Arbeit geboren, sondern lebt in einem goldenen Käfig. Das vermeintlich sperrige Kleid soll das zeigen: eingeschränkte, gesellschaftliche Freiheit durch geringe Bewegungsfreiheit.
Manouka wäre aber viel lieber eine Kriegerin und stiehlt sich daher heimlich aus dem Palast, um die tapferen Soldaten und Jäger zu beobachten.

Die Fotos sollten die Geschichte transportieren, und gleichzeitig das Kostüm in seiner Gesamtheit und in Details präsentieren, damit die formale Kriterien getroffen werden. Die Ästhetik der Serie war definiert von seiner Funktion.

Über die Gedanken hinter den 300 Stunden Arbeit, die im Kostüm stecken, lasse ich mal die Schneiderin Marika Moritz erzählen:

Das Kleid besteht aus dem Sonnenkranzhut, dem Kragen, einem Lendenschurz bis zum Boden und “Hips” mit Flechten am Saum.
Klare, glatte Formen mit organischen Oberflächen. Ich habe neben dem Baumwollstoff auch andere Materialien verwendet, wie Draht, lufttrocknende Modelliermasse, Pappmaché und Schläuche.

Das Kleid scheint auf den ersten Blick sperrig und geschlossen. Auf den zweiten erkennt man jedoch, dass der Rock luftiger ist, als er aussieht. Lappen und Hips sind nicht miteinander verbunden und erlauben Beinfreiheit. Die Schläuche in den Hips können sich zusammenziehen, wie eine Ziehharmonika, und erlauben Manouka eine bessere Bewegung. Im Kleid gibt es so die Verknüpfung: Prinzessin – Kriegerin.

Alle im Semester hatten den gleichen, roten Farbton, aus dem selben Stoff. Spaßeshalber habe ich den mit Photoshop mal rausgenommen.

Motive, Posen, Location und Hintergrund waren alle von der Schneiderin vorgegeben. Ich musste mich nur darum kümmern, aus den Wünschen gute Bilder zu bauen. Nach zwei Semestern bin ich da inzwischen entspannt. Es gibt einfach gewisse Regeln, die einen guten Bildaufbau definieren. Hält man sich daran, kann man nicht viel falsch machen. Nach dem ersten Jahr an der Uni geht das meiste schon instinktiv von der Hand. Durch die intensive Auseinandersetzung geht es direkt in Fleisch und Blut über.

Die Kunst ist dann, was man mit diesem Handwerk macht. Welche Bilder und Geschichten man erzählt. Wann, welche Technik, welche Ästhetik dazu dient, eine Geschichte besser oder anders zu erzählen.
Dafür sind dann die restlichen Semester.

Die Vorgaben fürs Kostüm waren echt eng. So sollte zum Beispiel unter dem Kleid ein Badeanzug sein. Warum auch nicht.

Durch die Nacht


Mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Bahn konnte ich das Thema “Nachtarbeit” für die Uni im Nachtzug von Hannover nach München (und zurück) fotografieren. Da ich dabei konstant übermüdet war und auch Zugbegleiter nicht zu den eloquentesten Rednern gehören (müssen sie ja auch nicht), ist das obige Video etwas kürzer als sonst.

Im Blog ist es derzeit so ruhig wie in einem Nachtzug. Allerdings verhält sich das antiproportional zu dem, was ich eigentlich zu tun habe. Ich arbeite momentan an Geschichten, die viel Zeit bis zur Fertigstellung brauchen, oder schreibe an Projekten, die erst im nächsten Jahr erscheinen.

Das zweite Semester ist nun vorbei, und die Gebühren für das dritte schon überwiesen. Ich hatte mir vor dem Umzug nach Hannover ein Jahr gegeben, nach dem ich entscheiden wollte, ob ich bleibe oder nicht. Nach zwei Semestern bin ich überzeugt zu bleiben. Allein das LUMIX Fotofestival vor knapp zwei Wochen, bei dem viele Fotografen ausstellten, die so alt wie ich sind oder sogar jünger waren, hat mir deutlich gezeigt, wie viel ich noch zu lernen habe.
Hier zu bleiben ist der beste Weg dort hinzukommen.

Halle 9 in vier Dimensionen

Das 1. Semester ist vorbei. Zeit für für einen Rückblick auf die Themen, die ich für die Uni produziert habe.Folge 7

Wie fotografiert man Zeit?

Man kann in einzelnem Bild die Bewegung einfangen. Je länger die Belichtung, desto länger die Bewegung im Bild. Auf dem Foto sieht man dann allerdings nur ihre Spuren, ihr Echo in der Fotografie wenn man so will.

Man kann aber auch Zeit fotografieren, indem man alle Elemente im Bild herunterbricht bis nur noch die Zeit übrig bleibt. Bei zwei Bildern, bei denen alles gleich ist, die Perspektive, der Bildwinkel, der Fokus und die Höhe – bei denen ist der Unterschied zwischen den Bildern dann die Dimension der Zeit.

Die Serie ‘Halle9′ entstand für den Kurs Bildsprache. Das übergeordnete Thema war’Architektur’, mit der konkreten Aufgabe die Architektur der Messe Hannover abzulichten, inkl. des ehemaligen Expo-Geländes. Ich hatte zunächst keine konkrete Idee, war aber interessiert das zu zeigen, was man von der Messe nicht sieht. Also Tunnel, Versorgungswege, unterirdische Gänge unterhalb des Geländes. Um Zugang zu den Tunneln zu bekommen musste ich mich durch das halbe Messebüro telefonieren, bis schließlich der Objektward einwilligte und mich rumführte. Er arbeitet seit über 20 Jahren für die Messe und war sichtlich froh jemanden mal en detail etwas über seine Arbeit und die Hallen zu erzählen.
Ich merkte allerdings schnell, dass die Tunnel niemals eine Serie tragen würden, da sie einfach visuell nicht ansprechend genug waren. Ein Nebensatz vom Objektward brachte mich dann aber auf die finale Idee. Wir standen in der weiten Leere der Halle 9 als er sagt: “….und am Wochenende ist hier eine Veranstaltung drinnen”.

Es brauchte schon einiges an Vorstellungskraft, um sich in der leeren Halle die zahlreichen Stände der Messe vorzustellen. Ich fand diesen Kontrast der Leere gegenüber der übervollen Messe recht spannend und wollte meine Serie darum bauen. Das Ergebnis ist ein Vorher/Nacher der Halle 9.

Ich hatte mir einen Plan der Messehalle geben lassen, an dem ich mich orientierte. Die Sichtachsen sollten den fertigen Gängen entsprechen. Stets die gleiche Höhe und stets die gleiche Brennweite. Die Schwierigkeit war allerdings nur, die selben Bilder 1:1 zu reproduzieren.

Nachdem ich einige Tage zuvor noch Bilder in der leeren Halle gesammelt hatte, kam nun der Tag der Veranstaltung. Ab 7 Uhr könnte ich fotografieren, ab 8 Uhr würde die Veranstaltung schon beginnen und ich müsste draussen sein.
Bevor ich allerdings fotografieren konnte, musste ich nochmal in die Uni, um mir die Fotos der leeren Halle auszudrucken um sie dann nachstellen zu können.

Die Nacht war also kurz. Um 4 Uhr früh stand ich auf, damit ich um 6 Uhr in der Uni sein konnte. Es war die kälteste Nacht des Winters, bis zu -20°C wurde gemessen. Mein Fahrrad sprang bei der Kälte nicht an, also musste ich es bis zur Uni schieben. Ich versuchte es noch an der Straßenbahnhaltestelle, doch als der Zug einfuhr bremste der Fahrer ab, sah mich beim Einfahren an und schüttelte den Kopf. Mit den Händen gestikulierte er nur die Regel, dass man in Hannover nur von 8 bis 15 Uhr Fahhräder mit in die Bahn nehmen durfte. Das es die kälteste Nacht des Jahres und der Zug um 5 Uhr früh nicht mal annährend halb voll war interessierte ihn dabei nicht. Also schob ich das Rad weiter durch die Kälte.

In der Uni waren um die Uhrzeit nur die Putzfrauen. Ich wärmte mich auf und druckte die Bilder aus. Ein angenehmer Zufall war es, dass die Halle 9 genau die Messehalle war, die der Uni am nähsten lag. Einfach über die Straße und schon war ich da. Nur hatte man anscheinend vergessen, dass ich komme.

Die Tür zum Messegelände war zu und mein Kontakt, den ich versuchte zu erreichen, anscheinend beim Frühstück. Ich klopfte ans Fenster doch unten hörte man mich nicht. Irgendwann rief mein Kontakt dann zurück. Er meinte, er kümmert sich drum, es könnte aber dauern. Bis dahin sollte ich warten. In der Kälte.

Als sich die Tür dann endlich öffnete waren meine Lippen blau und ohne Gefühl. Für Fotos war nun nicht mehr viel Zeit, aber zuvor brauchte ich erst was Warmes. Die Sicherheitsleute gaben mir ungern einen Kaffee aus, aber als sie meine Lippen sahen war ihnen klar, dass es nicht anders geht.

Etwas irritiert beobachtete mich die Security mit meiner Kamera. Da ich aber einen Plan in der Hand hatte und ständig mit ausgedruckten Fotos hantierte nahm man einfach an, ich wüsste schon was ich tue.

Zur Sicherheit hatte ich schon mehr Bilder gesammelt, als ich für die Serie brauchte. Denn einige Sichtachsen und Perspektiven waren nun zugestellt. Oder dort, wo ich in der leeren Halle auf einer freien Fläche stand, war nun ein großer Flachbildschirm im Weg.

Die Messe Hannover ist eine Enklave in Laatzen. Das Gelände selbst gehört zu Hannover, aber alles drum herum ist Laatzen. Vom Hauptbahnhof braucht es eine halbe Stunde mit dem Zug zur Expo-Plaza. Von mir in Laatzen-Grasdorf mit dem Fahrrad nur 15 Minuten.

Eine weitere leere Halle

Das Messegelände Hannover ist, laut Reiseführer, das größte Messegelände der Welt. Zwar wird seit der Expo die ganze Größe nicht mehr wirklich gebraucht, doch das Geschäft läuft. Die Cebit nächste Woche ist dabei die größte Veranstaltung.
Alles rund um das Gelände hat sich auf die Messe eingestellt. Einfamilienhäuser vermieten Zimmer für Besucher, die Bahn fährt nach Messe-Fahrplänen.

Die Weltausstellung zur Jahrtausendwende

In Berlin und in gesamt Ostdeutschland spricht man immer von vor oder nach der Wende, wenn von einem einschneidenden zeitlichen Ereignis die Rede ist. In Hannover höre ich oft eine ähnliche Formulierung: man spricht stets von vor oder nach der Expo. Die Weltausstellung, die vor 12 Jahren hier stattfand, ist noch präsent in den Köpfen.

Die Expo 2000 war und ist das größte was in Hannover im neuen Jahrtausend passiert ist. So schnell vergisst man das nicht.
Ich selbst war auf der Expo 2000 als Besucher. Mein Bruder hatte damals hier gearbeitet, was den Vorteil hatte, dass ich mir die langen Schlangen vor den Pavillons sparen konnte.

Heute studiere ich dort, wo mal die Expo war. Dazwischen liegen 11 Jahre, in denen ich nicht einmal an Hannover dachte. So kanns gehen.

An das Expo-Gelände hat nach der Expo auch kaum einer mehr gedacht. Mein Campus ist so gut wie tot, es gibt kaum Läden, Geschäfte oder überhaupt Passanten. Wer hierher kommt, will entweder zur Messe, zu einer der Schulen oder zu den wenigen Büros. Wenn Semesterferien sind und keine Messe stattfindet, sieht man keine einzige Seele auf dem Expo-Gelände. Und die ehemaligen Pavillons zerfallen.

Meine Uni, die FH Hannover, ist kein eigener Pavillon gewesen, sondern ein Global House. Mehr oder weniger ein Ort für Ideen, bei denen es nicht zu einem eigenen Pavillon gereicht hat und der Ort wo Verona Feldbusch, heute Pooth, zum ersten Mal das Wort ‘chillen’ in einem Werbespot der allgemeinen Bevölkerung bekannt gemacht hat.

Die Geschichte meiner Uni begann also mit Verona Feldbusch und Ideen, die niemals groß werden sollten…

Na dann, auf ins 2. Semester.