Das verlassene Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee


Mit der Japanerin, die mich jetzt in Berlin besucht hatte, habe ich an ihrem letzten Tag hier eine längere Radtour gemacht, ein Ziel war, unter anderen, die Ruine vom Säuglings- und Kinderkrankenhaus in Weißensee. Sie ist ja Architektin, daher war es für sie ebenso spannend wie für mich als Fotograf, zudem gehört zu einer Reise nach Berlin auch ein Blick in Berlins Ruinen, die genau so viel Geschichte erzählen, wie die komplett erhaltenen Gebäude.

Das Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee wurde am 08. Juli 1911 eingeweiht und war die erste und größte Einrichtung dieser Art in Preussen. Besondere Eigenschaft war ein eigener Kuhstall, um für die Kinder möglichst frische Milch zu produzieren. Es wurde über die Jahre immer wieder mit neuen Gebäuden erweitert, sodass sich verschiedene Architektur-Stile auf dem Gelände finden lassen. Der Komplex wurde am 1. Januar 1997 geschlossen und verfällt seitdem mehr und mehr. Ein paar russische Investoren haben das Gelände allerdings vor ein paar Jahren gekauft und wollten das ganze sanieren. An einigen Stellen sieht man im Gebäude auch die Bemühungen vergangener Tage, die dann allerdings mittendrin abgebrochen wurden.

Dieses Krankenhaus war die erste Ruine, durch die ich geklettert bin. Im Netz finden sich auch zahlreiche Fotos aus diesem Gebäude, weil der Eingang recht einfach ist und es keine Wachmänner gibt. Als Ruine für Einsteiger (Ha! Wortspiel) also sehr beliebt.

Ich war bisher ganze vier mal in dieser Ruine, das erste mal im Januar 2009, ein paar Tage nach Silvester. Und es war verdammt kalt.

Besuch Nummer Eins: Kalt und künstlich

In einem Internetnetzwerk fand sich eine Gruppe zusammen, die zu dieser Ruine gehen wollte. Darunter erfahrene Ruinenerfoscher, die das Gebäude schon kannten. Ich schloss mich ihnen an und entdeckte das Krankenhaus zum ersten Mal.

Als ich jetzt noch mal die Fotos aus der Zeit durchgegangen bin, konnte ich mir an den Kopf greifen. Kein Gefühl für Komposition und ständig dieser Zwang, alles in der Nachbearbeitung künstlich zu machen…
Der Gang durch die Ruine fiel mitten in meine HDR-Phase, in der ich über mehrere Monate fast ausschließlich HDR-Bilder produzierte. High Dynamic Range (HDR) Bilder setzen sich meist aus drei, möglich sind aber auch mehr und weniger, Bildern zusammen, und zeichnen sich durch einen hohen Dynamik-Umfang aus. Das heisst, mehr Details, Farben, Kontrast etc.. Es macht nur allerdings auch die Bilder sehr künstlich, sodass diese dann aussehen, wie aus einem Videospiel. Einen langen Zeitraum über fand ich die Technik sehr spannend, bis ich begriff, dass es eben nur eine Technik ist, und keinen Bildinhalt ersetzen kann. Dass heisst ein Bild wird nicht immer besser, wenn man ein HDR draus macht.
Heute setze ich diese Technik sehr sparsam ein. Sie ist durchaus nützlich, doch wenn man es übertreibt, wie so viele „Fotografen“ im Netz, wird es einfach nur noch unansehlich.

Ein paar Wochen vor diesem ersten Ausflug habe ich mir auch mein 50mm 2.0 Objektiv gekauft, das bis heute zu meinen besten und liebsten Objektiven gehört. Der Ausflug nach Weissensee stand also ganz im Zeichen davon, die Linse mal ordentlich auszuprobieren. Der Frost an den Fenstern war da ein willkommenes Motiv.

Die Kälte sah man auch an anderen Orten. Der Gang hier war zum Beispiel komplett gefroren.

Durch das an vielen Stellen undichte Dach schneite es auch ab und an.

Gesamt war es ein beeindruckender Ausflug, an dessen Ende ich jegliches Gefühl in meinen Füßen verloren hatte. Trotzdem wollte ich es nicht nur bei einem Besuch belassen, der ganze Komplex hat noch viel, viel mehr zu bieten. Es war mir allerdings alles etwas leblos und tot, beim nächsten Mal wollte ich es mit etwas Leben füllen. Ich packte mir also ein Model und ging zwei Wochen später noch mal hin.

Besuch Nummer Zwei: Die Schöne und die Ruine


optimistisches Grafiti mit Rechtschreibfehler, skeptischer Blick

Ich hab in meiner Redaktion rumgefragt und ein junges Mädel hatte sich gemeldet. Sie wurde sogar noch von ihrer Mutter zur Ruine gefahren, ungeachtet dass ein Einstieg nicht immer komplett sicher ist 😉

Es war ein angenehmes Shooting, trotz wiedermals klirrender Kälte, beschwerte sie sich null. Eher noch jammerte ich rum wegen der Kälte.
Ich wollte neben der Location und ihr auch noch etwas anderes ausprobieren, also brachte ich eine weisse Maske mit mir.

Ein hübsches Gesicht unter einer Maske zu verstecken ist zwar sinnfrei, aber ich muss auch zugeben, dass ich mich nicht sonderlich zum People-Fotografen eigne. Ich find die Orte und das ganze Geschehen drum herum meist interessanter, als nur ein hübsches Gesicht abzulichten.

Ich weiss auch selten, wie ich sie zu positionieren habe, wohin sie schauen soll, oder wie das Licht nun am vorteilhaftesten wirkt. Ich finde das alles irgendwie inhaltslos, ohne Aussage, eben nur ein hübsches Gesicht und nichts weiter.

Mit der Maske probierte ich dann noch einige Sachen aus.

Diese leere Maske, ohne Ausdruck und Emotion, funktioniert einerseits als Projektionsfläche der eigenen Gedanken, wirkt, vorallem in diesem Setting, aber auch irgendwie gruselig, geisterhaft. Mit der Maske habe ich in den nächsten Monaten dann noch ein paar andere Fotos gemacht, alles immer recht fasziniert und interessanter als nur ein hübsches Gesicht

Besuch Nummer Drei: Der bezahlte Auftrag

Für Besuch Nummer 3 muss ich etwas ausholen: Über das Internet hat mich jemand kontaktiert, der Fotos von sich haben wollte (und sogar dafür bezahlen!!). Allerdings war das kein simples in die Kamera grinsen, die Auftraggeberin wollte Fotos von ihrer Persönlichkeit haben, was ich als Aufgabe durchaus spannend fand. Sie schickte mir einen langen Text über sich, zu dem ich dann einige Bilder entworfen habe. Einige davon machte ich in eben dieser Ruine.

Sie ist für das Shooting-Wochenende extra nach Berlin gekommen – nur wegen mir, wie sie mir später mitteilte. Als junger Fotograf platzte ich natürlich vor stolz, zudem ich auch für die Arbeit bezahlt wurde. Doch dass der Auftrag so lange bis zur Fertigstellung brauchte (noch in Japan habe ich die letzten Bilder bearbeitet) tat mir dann sehr Leid. Zudem die Dame sehr, sehr freundlich und sympathisch war und nun selbst als Fotografin anfängt. Unter anderem unser Shooting hatte sie dazu inspiriert, auch wenn es natürlich jahrelang schon ihr Wunsch war.

Besuch Nummer Vier: Verfall in schwarz/weiss

Der letzte Besuch war nun, wie eingangs erwähnt, letzte Woche, und ich fotografierte nur analog. Der Verfall vom Gebäude, der Vandalismus und Diebstahl von Kabeln, Metall etc. aus den Wänden, war noch weiter fortgeschritten. Viel mehr möchte ich auch nicht zu den Bildern sagen, sie sollen für sich wirken.

Mit dem Film bin ich wirklich sehr zufrieden, die Kontraste, Schärfe und Lichtverwertung sind wirklich hervoragend.
Bei diesem letzten Besuch entdeckte ich auch etwas Neues auf dem Dachboden: Ein Samen muss es wohl durch ein Loch geweht haben und seine Wurzeln konnten sich im Schutt festhalten. Der gelegentliche Regen sorgt für den Rest – und so gibt es wieder Leben, in der toten Ruine.

20 Gedanken zu „Das verlassene Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee“

  1. Schöne Fotos! HDR kann schon geile Effekte haben, das macht das Bild aber nicht unbedingt besser, wenn das Motiv scheiße ist.Und zum letzten Bild: Irgendwann, früher oder später, nimmt sich die Natur wieder alles zurück.

  2. Das erste Maskenphoto (in dem die Augen nicht zu erkennen sind) ist stark, da es der Ausdrucklosigkeit noch etwas mehr Gewicht gibt. Das andere finde ich persönlich nicht so gelungen, da die Proportionen irgendwie komisch sind (Nasenlöcher…) und die Zähne irritieren.
    Hast du noch Kontakt zu besagter Gruppe bzw. zu den „erfahrenen Ruinenerforschern“? Es gibt in Berlin unzählige leerstehende, aber noch wirklich gut erhaltene Gebäude, allein sie zu finden ist das Problem…

  3. Danke für den schönen Beitrag hier. War am 5.3.2012 jetzt dort in der Ruine und war echt begeister, meine Kamera kannte kaum eine Pause…Weiter Trips dorthin sind geplant

    lg Anja

  4. Ganz ehrlich, ich wohne in Weissensee und mich fasziniert dieses Krankenhaus seit Jahren. Ich find es irgendwie gruselig und spannend zugleich. Über Google kam ich auf diese Seite. Ich bin beeindruckt, die Bilder sind klasse und deine Story dazu sagenhaft. Vielen Dank für die Freude die ich empfand beim lesen und Bilder schauen. Für die Zukunft wünsche ich Dir alles Gute.
    Normi

  5. deine bilder haben mir den anstoß für viele gute ideen gegeben. gefällt mir unglaublich gut und nachdem ich die bilder gesehen habe bin ich selber hingefahren … es ist ein unbeschreibliches gefühl in dieser ruine zu stehen aber du hast es geschafft die stimmung einzufangen … respektwenn du interesse hast kannst du auch mal reinschaun : http://evergreen-pictures.blogspot.de/

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