Frischer Frühstücksfisch – Teil 2: Ich liebe den Geruch von Sushi am Morgen

In Tokyo gibt es den größten Fischmarkt der Welt: Tsukiji. Jeden Morgen um 5.30 Uhr findet dort eine Thunfischauktion statt, die jeder Reiseführer über Tokyo anpreist. Für einen Tokyoguide-Beitrag über Chiyoda durfte das also nicht fehlen. Hier nun der zweite Teil.

Die morgendliche Auktion im Tsukiji läuft so ab: Der frische Thunfisch liegt auf dem Boden, geordnet nach Herkunft und Gewicht, und kann vor der Auktion begutachtet werden. Eine gewisse Anzahl von Fischen wird dann zusammen versteigert. Dafür stellt sich dann ein bemützter Kerl auf einen Stuhl, ruft hysterisch und schnell, registriert Handzeichen und notiert sich den Gewinner.

Ein Fisch kann innerhalb von Sekunden verkauft werden, geboten wird mit Fingerzeichen. Das Ganze findet relativ unaufgeregt und sehr schnell statt.

Der Fisch bekommt dann nen Sticker drauf und wird beiseite gelegt.

Der Auktionator geht dann zur nächsten Gruppe von Fischen und Menschen, und das Spiel beginnt erneut. Sobald sich der Trubel in einer Ecke gelegt hat, wird der frischgewonne Fisch nochmal überprüft.

Und stolz berichtet, welchen Fang man gerade gemacht hat.

Wie kriegt man also nun den schweren, tiefgefrorenen Fischkörper wieder vom Boden und zum Markt? Dafür braucht es dann wieder die Haken.
Und die zwei Kerle.

Während alle anderen die Kameras ignorierten, genoss der Kerl rechts im Bild sichtlich die Aufmerksamkeit und posierte für die Kameras der Touristen.

Man kriegt die Fische nun auf die Karren, indem man beide Haken reinhaut, und mit einem Schwung seitlich auf den Karren hebt. Das alles mit einer gewissen Eleganz und Leichtigkeit, die bestimmt viel Muskelkraft erfordert.


„Wenn ich mal groß bin, will ich auch Tsukiji-Fisch-Schwinger werden“

Dann war die Besuchszeit vorbei und wir wurden aus der Halle vertrieben. Wir gaben noch unsere orangenen Westen ab und wurden in die Orientierungslosigkeit entlassen. Es gibt zwar Bereiche im Tsukiji-Markt, die für Touristen gesperrt sind, die größten Bereiche sind allerdings frei. Oder vielmehr: Die Leute sind viel zu sehr damit beschäftigt zu arbeiten, als Touristen ständig die Richtung zu zeigen.

Die Ein-Mann-Laster kreuzten durch die enge Gassen des Marktes, leise und ohne großes Aufsehen. Mehrere Male wurde ich fast angefahren und musste schnell wegspringen. Es juckt die auch nicht, dass ein Tourist umherläuft. Ich suchte immer nur eine kleine ruhige Ecke, aber die gab es nicht! Überall fand etwas statt, wurde gehandelt, geschnitten oder gekauft. Ich stellte mich kurz in einem Stand unter und hoffte, der beschäftigte Inhaber bemerkt mich nicht.

Das gab mal kurz einen Moment für Reflektion. Während die Fischauktion relativ unspektakulär war, da man nur rumsteht, gibt es für das Treiben auf dem Markt keine Beschreibung. Sowas hatte ich noch nicht erlebt. Wenn man auch immer vom hektischen Tokyo spricht, so folgen doch die überfüllten Straßen, Bahnhöfe und Züge noch einer gewissen Ordnung, die man als Teilnehmer schnell versteht. Das hier war eine ganz andere Welt mit anderen Regeln. Eine Welt, zu der ich nicht gehöre und das ständig merkte.

Es kam mir ein Gedicht von Erich Kaestner in den Sinn, über das hektische Berlin in den 20er Jahren:

Sie stehen verstört am Potsdamer Platz.
Und finden Berlin zu laut.
Die Nacht glüht auf in Kilowatts.
Ein Fräulein sagt heiser: „Komm mit, mein Schatz!“
Und zeigt entsetzlich viel Haut.

Sie wissen vor Staunen nicht aus und nicht ein.
Sie stehen und wundern sich bloß.
Die Bahnen rasseln. Die Autos schrein.
Sie möchten am liebsten zu Hause sein.
Und finden Berlin zu groß.

Es klingt, als ob die Großstadt stöhnt,
weil irgendwer sie schilt.
Die Häuser funkeln. Die U-Bahn dröhnt.
Sie sind alles so gar nicht gewöhnt.
Und finden Berlin zu wild.

Sie machen vor Angst die Beine krumm.
Sie machen alles verkehrt.
Sie lächeln bestürzt. Und sie warten dumm.
Und stehn auf dem Potsdamer Platz herum,
bis man sie überfährt.

Erich Kaestner, 1929, „Besuch vom Lande“

Das Gedicht musste ich damals im Deutschunterricht auswendig lernen, aber auch weil es mir gefiel, behielt ich es im Gedächtnis.
Wie der Besuch vom Lande fühlte ich mich auf dem Tsukiji-Markt. Und es gab ach so viel zu entdecken.


Nach dem Handeln werden die Behälter entsorgt, solche Massen, Tag für Tag


überdachtes Areal vor dem Markt

Ständig passierte etwas, dazu das Morgenlicht durch die Ritzen im Dach, das bunte Kunstlicht und der durch das geschmolzene Kühlungseis durchnässte Boden… Alles wunderbare Motive und Geschichten. Ich fotografierte wie im Rausch, bis…
Bis dann meine beiden Karten voll waren und weitere zur Reserve hatte ich Depp in der Nacht vergessen einzupacken. Es war noch nicht mal 7 Uhr und ich musste Tsukiji verlassen, mit vielen Fotos und noch mehr Eindrücken.

Jeder Tokyo-Besucher sollte wirklich den Tsukiji-Markt besuchen. Wenn auch die Auktion etwas langweilig sein kann, so ist doch der ganze Markt eine Welt für sich. Die Auktion gibts nur am frühen Morgen, der Markt ist allerdings 24h geöffnet, wobei natürlich am frühen Morgen der meiste Trubel stattfindet.

Ich hätte sehr gerne Tsukiji noch einmal besucht, in meiner restlichen Zeit in Tokyo. Doch es war leider nicht mehr drin. Er steht aber ganz oben auf meiner Liste für den nächsten Besuch.

Vor dem Heimweg wollte ich dann noch etwas Sushi zum Frühstück mitnehmen. Schließlich hat mir all der frische Fisch ordentlich Appetit gemacht. Doch erstaunlicherweise hatten alle Sushi-Restaurants im Umkreis, und davon gab es einige, noch nicht geöffnet.
In meiner Nachbarschaft in Nakano gab es ein gutes Sushi-Geschäft, das war dann erstmal das Ziel an diesem Morgen. Doch als ich ankam musste ich feststellen, dass die wegen Umbau gerade geschlossen waren. So gab es nur noch Sushi aus ner Plastik-Box im Konbini. Zwar nicht das beste Sushi auf der Welt, aber schmackhaft.

Mit Sushi im Bauch und glücklich über die Eindrücke und Fotos, ging ich dann ins Bett. Mein Zimmer hatte ja kein Fenster und somit niemals Tageslicht. Als ich an dem Tag dann um 9 Uhr morgens schlafen ging, war mir das mehr als Recht.

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