Grasdorfs Glockenspiel

Das 1. Semester ist vorbei. Zeit für für einen Rückblick auf die Themen, die ich für die Uni produziert habe.Folge 3

Die Entwicklung an meiner Uni würde ich in etwa so beschreiben:
Wir fingen alle als grobe Marmorblöcke an. An sich nett, doch irgendwie weiss man nicht wohin damit und es gibt keinen Unterschied zu all den anderen Marmorblöcken da draussen. An der Uni stellen wir uns nun vor unsere Dozenten und werden zurechtgemeisselt. Der Dozent für Kurzzeitreportage hat dabei den gröbsten Hammer und den heftigsten Schlag – was Kritik und Wortwahl angeht. Die Dozentin für Bildsprache hat hingegen einen feineren Meissel. Sie sorgt für den Feinschliff, mit sanfteren Tönen.
Beide Dozenten wollen, dass aus dem Marmorblock ein guter Fotograf entsteht.

Das erste Thema im Seminar Bildsprache lautete in diesem Semester: ‚Millieu-Studie‘. Der Begriff war bewusst so gewählt, dass er alles und auch nichts beschreibt. Welche Geschichte wir erzählen war uns überlassen.
Ich grübelte lange, was ich denn machen könnte. Ich war gerade erst umgezogen, ein Millieu hatte ich hier noch nicht. Aber vielleicht konnte ich so eines durch die Kamera suchen und entdecken? Da ich in Grasdorf wohne und eine mehrere hundert Jahre alte Kirche um die Ecke habe, entschied ich mich dazu den örtlichen Pfarrer zu begleiten – um so auch Grasdorf ein Stückchen kennen zu lernen.

Licht und Schatten

In der Bildserie wollte ich mit christlichen Symbolen und Thematiken spielen, während gleichzeitig die formalen & inhaltlichen Kriterien einer Reportage erfüllt werden. Sie sollte zeigen, was Leben und Arbeit eines Pfarrers beinhaltet. Die Serie ist bewusst in schwarz/weiss gehalten, um das ganze etwas klassischer oder ehrfuchtsvoller wirken zu lassen – und um das komische Gelbgrün der Kirchenwände nicht allzu dominieren zu lassen. Folgende Ideen wollte ich in den Bildern unterbringen:

– in einer Linie mit Luther (als evangelischer Pfarrer in dessen Nachfolge)
– Erleuchtung von oben
– Erhöhung vom Pfarrer als geistiges „Oberhaupt“ einer Gemeinde
– in Luthers Schatten
– Größe und Weite vom Glauben
– Ruhe und Vertrauen, Sicherheit
– Licht und Dunkel / Gut und Böse

Ich betone bewusst „gespielt“, denn ich habe diese Elemente nicht genutzt, um eine bestimmte Aussage oder Wertung zu treffen. Ich selbst bin nicht religiös. Mein Großvater war zwar Pfarrer, doch davon habe ich nur eine Abneigung gegenüber organisierter Religion durch meinen Vater geerbt.
Ich wollte für Bildsprache eben nicht nur formal inhaltlich agieren, sondern mit dem Medium arbeiten. Ich wollte mehr, als das reine Bild vermitteln. Die nächste Stufe wäre dann, das ganze bewusst einzusetzen um eine gezielte Aussage zu treffen.
Mit dem Medium, über das Medium.

Glockengeläut

Die Töne aus dem Video stammen auch aus der Kirche in Grasdorf, die Orgelklängen kommen vom Organisten, der gerade übte. Das hat er meines Erachtens auch sehr nötig, mehr als einmal griff er nach den falschen Tasten. Da ich selber fast zehn Jahre lang an einem Tasten-Instrument spielte, sind meine Ohren da etwas empfindlich.

Im Kirchturm von Grasdorf hängen vier Glocken, von denen aber nur eine die Uhrzeit ertönen lässt. Die anderen sind teilweise über hundert Jahre alt und ertönen nur zu Hochzeiten oder Taufen. Ganz oben im Glockenturm ist auch noch ein einhundert Jahre altes Miniatur-Uhrwerk, was man wohl damals dazu benutzte um die korrekte Zeit für die große Uhr einzustellen. Heute läutet ein Computer.

3 Gedanken zu „Grasdorfs Glockenspiel“

  1. Sauber kombiniert, Herr Kollege.
    Zitat: „Da ich in Grasdorf wohne und eine mehrere hundert Jahre alte Kirche um die Ecke habe, entschied ich mich dazu den örtlichen Pfarrer zu begleiten – um so auch Grasdorf ein Stückchen kennen zu lernen.“

    Und: „die Orgelklängen kommen vom Organisten, der gerade übte. Das hat er meines Erachtens auch sehr nötig, mehr als einmal griff er nach den falschen Tasten. Da ich selber fast zehn Jahre lang an einem Tasten-Instrument spielte, sind meine Ohren da etwas empfindlich.“

    So macht sich gleich mal beliebt im Dorf 😉

    1. mei, und ich denk noch „oh, ein langer Kommentar von David, mal gucken was er zu sagen hat“
      …und dabei sind 3/4 des Kommentars nur Zitate aus dem Artikel drüber 😉

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