Rasch Aua


Ich bin müde und alles tut weh. Ich bin in Japan gelandet.

Eigentlich wollte ich ja schon im August hier sein. Die Uni in Hiroshima verzögerte aber die Sache mit dem Visum, sodass ich dann doch länger in Berlin bleiben musste. Kurzfristig kamen dann noch zwei Jobs rein und es sah so aus, als käme ich gar nicht mehr weg.
Letzte Woche Dienstag kam dann das Dokument fürs Visum. Endlich. Ich bin dann sofort zur Japanischen Botschaft, Studentenvisum beantragen. „Alles klar, kommen Sie dann einfach Montag vorbei“ hieß es. Etwas entrüstet machte ich der netten Dame am Schalter klar, dass ich nun schon seit Monaten warte. Aber das brauchte ich ihr eigentlich nicht zu erklären. Sie wusste es bereits. In den Wochen zuvor war ich bereits zwei mal in der Botschaft und versuchte eine Möglichkeit zu finden, irgendwie anders an mein Visum zu kommen. Einen Flug hatte ich in der ganzen Zeit zuvor noch nicht gebucht. Wer weiss denn, wann es nun wirklich losgehen würde.
Die Dame verstand also und meinte „Okay, kommen Sie morgen um Punkt 16 Uhr vorbei. Zu 99% hab ich dann ihr Visum!“. Geht doch. Man muss nur quengeln.

Am nächsten Tag, pünktlich um 15.52 Uhr betrat ich die Botschaft. Eine andere Dame war nun am Schalter. Schon vom anderen Ende der Botschaft lächelte sie mich über den Raum hinweg an. „Herr Schumann! Ich hab ihr Visum“. Die gut aussehende Dame erkannte mich von meinem Passbild wieder. Das war allerdings alles andere als gut aussehend.
Sie überreichte mir die Dokumente und wünschte mir eine schöne Zeit. Ein Jahr Studentenvisum mit Arbeitsberechtigung in Japan. Schöne Zeit.

Noch in der Botschaft buchte ich mit dem Handy den Flug für den folgenden Tag. Ich hatte zwar noch nicht gepackt, wollte aber so schnell wie möglich nach Japan. Die Temperaturen waren in Berlin gerade unter 10°C gefallen. Zeit abzuhauen.

Je Profi, desto schwerer

In den Wochen zuvor bin ich durch Jobs und andere fällige Zahlungen zu Geld gekommen. Das meiste habe ich gleich in Ausrüstung investiert. Mikrofone, Objektive, Licht. Die 14 Kilo Technik musste ich nun in eine Tasche zwängen und nach Asien wuchten. Zusätzlich zu 13 Kilo an Klamotten, die für acht Monate reichen müssen. Ich hab mir zwar extra Taschen gekauft, die durch ein cleveres Leitsystem das Gewicht angenehm verteilen. Aber das Gewicht verschwindet ja nicht. So schmerzt statt nur dem Rücken, der die ganze Last trägt, alles – denn das Gewicht wird über den gesamten Körper verteilt.
Der Flieger ging wieder über Moskau mit Aeroflot. Nach wie vor die günstigste und schnellste Verbindung von Berlin. Deswegen nahm ich sie nun auch schon zum sechsten Mal.

Am Freitag landete ich in 28°C. Vom Flughafen Narita dann direkt mit dem Bus nach Yokohama, wo ich erst einmal bei einem Freund unterkommen konnte. Inzwischen wohne ich wieder in meiner alten WG in Nakano. Eine Woche Tokyo, dann geht es schon wieder weiter nach Hiroshima, bis März.

Ich bin dauermüde vom Jetlag. Mein Körper schmerzt, von den 27 Kilo, die ich mit mir rumtrage.
Aber tatsächlich: ich könnte nicht zufriedener sein.

Es ist das vierte Mal in Japan. Auch wenn ich natürlich beruflich sehr viel mit dem Land zu tun habe: mit jedem Flug reisen natürlich auch die Emotionen mit. Es ist, natürlich, eine zweite Heimat.
Denn wie definiert sich Heimat? Es ist der Ort, an dem man aufgewachsen ist. Japan, insbesondere Tokyo, ist der Ort, an dem ich gewachsen bin. Als junger Erwachsener und selbstverständlich auch als Fotograf und Journalist.

Reis und Reisen
Kontinente wechseln wird einfacher, je öfter man es macht. Auch wenn auch dieses Jahr wieder weniger Freunde in Japan noch auf mich warten.

Ich plane bis März/April nächsten Jahres zu bleiben, davon sechs Monate in Hiroshima – mit vielen Reisen durchs Land.
Zum ersten Mal bin ich in Japan und muss mir keine Sorgen um Geld machen. Ich habe die letzten Monate ganz gut verdient und erhalte ein Stipendium der Uni. Das entspannt. Und befreit. Ich kann Geschichten angehen, die ich mir vorher schlichtweg nicht leisten konnte. Ich kann mir auch mehr Zeit nehmen.

Etwas, was ich an meiner Zeit in Japan immer mochte, war der Wagemut, oder eine gewisse Naivität. Mir war stets egal, ob ich qualifiziert genug war, um eine Geschichte zu machen. Ich machte einfach, und wuchs daran. Oft fehlte mir das Geld, für Reisen oder eine Unterkunft. Aber immer fand ich etwas. Denn es musste einfach klappen.
Ich buchte den Flug für den folgenden Tag, ohne eine Unterkunft in Tokyo zu haben. Keine Stunde später hatte ich eine gefunden. Ich wollte anschließend unbedingt wieder in meiner alten WG wohnen. Am Samstag schrieb ich dem Vermieter, unwissend ob überhaupt ein Zimmer frei ist. Montag zog ich ein.

Mein Bruder sagte mir mal etwas über seine Arbeitsweise: Man muss das Glück provozieren. Auch wenn ich eine solide Recherche und Vorarbeit für sehr sinnvoll halte – es stimmt schon. Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, nichts verlieren kann – dann kann man nur gewinnen. Man muss es nur provozieren.


Japanreise 2012

Letztes Jahr hatte ich das etwas verloren. Beziehungsweise ich hatte es verlernt. Nach drei Semestern Uni war ich vorsichtiger geworden. Kursen über Steuern, Versicherungen, Rechnungen und anderen Kosten, die einen so befallen, je älter und geschäftiger man wird. Meine Ausrüstung wiegt nicht nur schwer auf der Schulter, sondern auch auf dem Konto. Der Fall auf die eigene Nase wird höher, je älter man ist. Naiv sein kostet. Fehler sind nicht so einfach auszugleichen, als noch mit Anfang 20.

Aber um ehrlich zu sein: Was solls.
Ich habe stets mehr gewonnen, als verloren. Ich leiste mir jetzt wieder etwas Naivität. Ich mach einfach. Die Konsequenzen warten in Deutschland. Ich bin jetzt erstmal ne Weile hier und mach einfach. Was mir Spaß macht.

Es wird das letzte Mal sein, dass ich eine längere Zeit in Japan verbringe. Also los.

Noch einmal mit Gefühl.

4 Gedanken zu „Rasch Aua“

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