Durch Wolken wandern – Teil 2

Die Fortsetzung von Teil 1: Es ging nun vom Gipfel an den Berg hinunter. Oben war ich bereits am Ende meiner Kräfte, unten war ich dann endgültig dahin. Es war Winter, es war kalt, die toten Bäume um uns herum waren in einen gespenstischen Nebel getaucht. Es fühlte sich an, wie ein Friedhof auf 1000m Höhe. Passend – an dem Tag starb mein Körper Schritt für Schritt.

Wir verließen den Gipfel des Berg Ooyama und machten uns auf den Weg ins Tal, auf der Rückseite des Berges. Von nun an konnte es ja nur bergab gehen, also quasi ohne Anstrengung einfach nur einen Schritt vor den anderen setzen. Nunja…

Wir genossen erstmal die Aussicht vom Gipfel, dafür war eine kleiner Rastplatz auch da.

Die Qualität der Wege variierte. Einige waren lose Trampelpfade auf nackter Erde, einige waren befestigt und beschildert.

Mein Japanisch ist nicht so gut, aber es heisst bestimmt: „Wer bis hier her gestiegen ist, ist selbst schuld und muss alleine runter.“

Allerdings frage ich mich tatsächlich, wie der kleine Laden auf dem Gipfel seine Versorgung sichert. Autos fahren da nicht hoch, Packesel sah ich keine. Wird wohl ständig einer vollbepackt die 1000m hochkraxeln müssen…

Immer durch die nebligen Pfade…

wirklich unheimlich…

Verlaufen konnte man sich nicht wirklich, es gab nur einen Pfad, und der führte bergab. Auch wenn ich stets immer hintendran war, so fand ich immer zur Gruppe zurück. Auch wenn meine Rufe von den toten Ästen und vom Nebel geschluckt wurden, und micht mit dem leisen Echo alleine ließ.

Die einzige Person, die auch nur annährend so gut vorankam, war die Japanerin, die jedoch erst kürzlich wegen ihrem Knie beim Doktor war, und eigentlich garnicht wandern durfte. Was sagt das über mich Großstädter vom flachen Berlin aus, der von einer Japanerin mit kaputten Knie überholt wird…?

Zu meiner Verteidigung, ich war auch eher mit Fotografieren als Wandern beschäftigt, die ganze tote Umgebung faszinierte mich einfach.

Es dauerte mal wieder etwas, bis ich zur Gruppe gestoßen war. Diese stand nun aber an einem Punkt, unter den Wolken, wo man tatsächlich die Aussicht genießen konnte.

Irgendjemand hatte da oben allerdings seine Schaufel vergessen.

Es ging noch eine halbe Stunde weiter und dann standen wir auf einmal auf einem schmalen Pfad, links und rechts ging es steil runter, und es gab einen weiten, baumfreien Blick auf die Landschaft.

Dieser Ort, dieser Moment war irgendwie besonders, sodass fast nur geschwiegen wurde. Gegen die Berge konnte man eh nicht anreden.

Die Sicht wurde besser, und es ging weiter bergab.

Irgendjemand hat auch sein Auto dort oben vergessen. Passiert ja häufiger, dass man in 700m Höhe parkt und dann vergisst wo genau die Karre steht. Jedenfalls hat die Zeit den Wagen ordentlich zerlegt.

Auch die Strommasten zeugten davon, dass wir nicht die ersten hier oben waren.

Zwischendurch ließ sich schon ein Blick auf das Tal und die Stadt erhaschen.

Doch sie war noch weit weg, und die Sonne senkte sich langsam…

Doch weiter gehts…

Und dann war da auf einmal…

Ein Fahrrad. Auf 600m Höhe.

Wie zur Hölle kommt es dahin? ist einer damit hochgefahren? Hat es einer hochgetragen? Ist es aus nem Flugzeug gefallen? Wir machten jedenfalls kurz im Wald, neben dem Fahrrad, Rast. Ungefähr um diesen Zeitpunkt verlor ich die Kontrolle über meine Beine. Die Muskeln wollten nicht mehr reagieren, ich konnte sie nicht starr halten oder entspannen, wie ich das wollte, was dazu führte, dass ich mehrmals beinahe den Berg hinab stürzte, oder auf dem Hintern landete. Selbst ein kräftiger Ast, der mir als Wanderstock diente, konnte meine Beine nicht mehr heilen. Wir mussten immer öfter Rast machen, und die Gruppe auf mich warten.

Ich stolperte dann meinen Weg hinunter, bis wir Wasserrauschen hörten.

Wir waren dann schon fast auf ebener Erde. Noch ein paar Kilometer über flaches Land, absolut finstere Straßen und Waldwege, durch einen unbeleuchteten Tunnel, und als wir dort rauskamen, sahen wir die Stadt schon hinten aufblitzen.

Es war inzwischen schon Nacht, doch 8 Stunden Wanderung waren vorbei. Wir nahmen den Bus und dann den Zug nach Tokyo. Ich konnte keine Treppen mehr laufen. Ernsthaft, es ging nicht, ich konnte meinen Beinen nicht mehr das Signal zum „steigen“ geben. Irgendwie schafften wir es dann in ein Onsen und das warme Wasser belebte meinen Körper.

Danach hatte ich noch eine Woche lang Muskelkater. Und wer mir jetzt sagt „Pfh… Weichei“, dem sag ich: Ja, ihr habt recht. Aber wieviele Weicheier machen tatsächlich aus freien Stücken solch eine Tortur mit, mit nichts anderem dabei als einem Schirm, einer Kamera und einer Banane?

Nicht viele – denn das ist nicht sonderlich clever.

Durch Wolken wandern – Teil 1

Eine Wanderung auf den Berg Ooyama im Westen Tokyo’s Ende November – wunderbare Laubfärbung, hochgelegene Schreine und Wolken auf dem Wanderweg. Es war mit das körperlich anstrengendste was ich bisher in Japan machte und ich hatte zwischenzeitlich Zweifel, ob ich jemals wieder runterkomme. Es war kalt, nass und hoch. Hier nun der erste Teil, vom Fuße bis zum Gipfel:

Es fing alles ganz unschuldig an. Die deutsche Community in Tokyo lud zur Wanderung ein:

Liebe Stammtisch-Freunde,

das Herbstlaub leuchtet in den schönsten Farben und wir bieten Euch die folgende Wanderung am nächsten Sonntag an:

★★ Sonntag, 22. November – Tageswanderung zum Ooyama (südwestlich von Tokio) mit anschliessendem Onsen-Besuch (optional)

Wir fahren in Shinjuku um 9:00 Uhr los (genauer Treffpunkt wird nach Anmeldung mitgeteilt), 1 Stunde bis Isehara und dann noch ca. 30 min per Bus. Die Wanderung wird etwa 5 Stunden dauern und bis auf 1252m führen (ca. 1000 m), nach Abstieg gehts dann ins Onsen für alle die möchten.

Bis bald!

Mir war ein bisschen nach Natur und ich konnte etwas Bewegung vertragen. Also sagte ich zu.
Es kam dann noch ne Mail hinterher:

Der Wetterbericht sagt für Sonntag 20%-40% Regenwahrscheinlichkeit voraus. Jeder nimmt auf eigene Verantwortung teil. Denkt an Regenausrüstung.

Regenausrüstung? Nun, ich hab nen Schirm…

Dann eine Mail, zwei Tage vorher:

Der Wetterbericht sagt 40%-60% Regenwahrscheinlichkeit voraus.

Na das konnte ja heiter bis wolkig werden.

Ich lag auch an dem Morgen, an dem es losgehen sollte, wach, und überlegte. Die Nacht zuvor war mit knapp 2 Stunden recht kurz und ich recht müde. Die Aussicht auf ein bisschen Natur und Grün, und eine Flucht aus dem grauen Tokyo, gab dann letzendlich den Ausschlag zum Aufstehen und Aufbruch.

Was ich einpackte? Nun, nen Schirm, ein Handtuch, meine Kamera und eine Banane. Ansonsten zog ich das an, was ich sonst auch anziehe: Turnschuhe, Jeans, nen Pulli und ne Jacke.
Meine Bergsteigerkollegen waren allerdings Profis, die mit spezieller Kleidung, Wanderstöcken und Survival-Utensilien den Zug zum Berg bestiegen. Meine Vorbereitung wurde, nun ja, in Zweifel gezogen.

Zusammen waren wir zu fünft, vier Deutsche und eine Japanerin. Alle waren bereits Berg-erfahren. Ich betone an dieser Stelle noch einmal, dass ich aus Berlin stamme. Berlin ist flach, die höchste Erhebung ist mit 114,7m der Teufelsberg. Da hat mans nicht weit bis zum Gipfel.

Die Laubfärbung ist in Japan ein großes Happening, vergleichbar mit den Kirschblüten. So waren an diesem Tag auch viele unterwegs, den Berg hinauf. Vorallem ältere Japaner sind begeisterte Bergsteiger. Mich, junger Europäer der bei jedem Schritt keuchte, fanden sie dabei sehr amüsant. Ständige Zu-Rufe wie „Halte durch!“ oder „Sei vorsichtig“ begleiteten mich auf dem Weg den Gipfel hoch.

Am Anfang vom Berg war es noch recht voll und es gab sogar einige Behausungen.

Die Laubfärbung konnte man schon erkennen.

Ich lief immer hintenher. Zum Einen weil ich einfach langsam war, zum Anderen weil ich zum Fotografieren ständig anhielt. Mein Schirm störte mich dabei, weswegen ich ihn meiner Wanderkollegin hinten an den Rucksack hing.

Sie bemerkte es erst eine Stunde und 300 Höhenmeter später 😉

Vorbei an Natur und Beton-in-Natur…

…und verschiedenen kleinen Schreinen, gelangten wir zu einem etwas größeren Tempel, unter einem feuerroten Dach von Blättern.

Einfach Wahnsinn.

Natürlich beliebtes Foto-Motiv

Auch um allen daheim zu zeigen, wo man war

Am Tempel und seinem kleinen Teich vorbei…

Immer weiter, immer höher.

Nach einer Weile gelangten wir dann zu einem weiteren Tempel, mit imposanten Treppen.


Rechts, mein Schirm

Und oben gab es Suppe!

Wir genossen die warme Mahlzeit in der kalten Höhenluft. Solange man sich bewegt, ist man warm und schwitzt. Doch sobald man auch nur kurz innehält kriecht die Kälte durch die hohe Luftfeuchtigkeit in die Kleidung und Knochen.

Doch Suppe (für nur 100yen!) mit so einer Aussicht ist schon fabelhaft.

Der Blick geht über Kanagawa, der dunkle Punkt oben rechts ist die Insel Enoshima.

Geil fand ich auch den Opa, der in Jogginghose und dicker Tasche alleine den Berg hochkam, als ob er grad im Conbini einkaufen wollte.

Höher, immer höher…

Ein kurzer Blick zurück.

Der Erdboden schien sich immer weiter zu entfernen.

Die Wege wurden schlechter und unwirklicher.

Es waren auch immer weniger Leute unterwegs. Was allerdings gleich blieb war, dass ich der letzte war.


In der Mitte steht einer meiner Mitstreiter, triumphierend und mir weit voran.

Dann erreichten wir die Wolken, die unheimlich über die toten Äste und Bäume schwebten und unsere Kleider in hrer kalten Feuchtigkeit tränkten.

Und irgendwann, war es nicht mehr weit bis zum Gipfel, auch wenn wir jenseits von 10m absolut nichts mehr sehen konnten.

Das letzte Torii vor dem Gipfel, von da waren es nur noch 10min.

Und dann erreichten wir den Gipfel. Mein Gefühl zu der Zeit beschreibt ein Foto ganz gut.

Ich war absolut im Arsch.

Es hatte knapp 4-5 Stunden gedauert diese 1200m zu erklimmen. Oben sahen wir nichts. Alles war in einen grauen, kalten Schleier gehüllt. Auf dem Gipfel gab es zwar keinen Getränkeautomaten, aber ein kleines Café. Ich wollte aber nicht verweilen, ich wollte einfach nur noch runter. Doch dieselbe Strecke die wir kamen, mussten wir wieder bergab, allerdings auf der anderen Seite des Berges. Daran führt kein Weg vorbei und ich musste da jetzt durch.

Vielleicht fehlen einige Bilder in der Reihe hier, aber meine Kamera machte entlang des Weges heftige Spirenzchen, vlt wegen der Kälte, Feuchtigkeit und schlechten Lichtverhältnissen. Manchmal war ich auch einfach nur zu kaputt, um die Kamera rauszukramen.

Mit einem Blick auf den Weg hinunter…

…, der noch weniger einladend war, als der Weg hinauf, schließe ich diesen ersten Teil. Auch wenns die Spannung zerstört, so sei gesagt: Ich bin am Ende unten angekommen. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg….

-> Link zu Teil 2

Insel Abenteuer!: Oshima

Aus einer Lust und Laune heraus machte ich mich auf zu den Inseln südlich von Tokyo und entdeckte Abenteuer und ein anderes Japan – und war von der Gastfreundschaft der Bewohner einfach nur begeistert.

Alles was ich dabei hatte, Regenschirm, Schlafsack und graues Wetter.

Es ist schon etwas länger her, aus den ersten zwei Wochen nachdem ich hier gelandet bin. Ich wohnte damals noch in Nishi-Kawaguchi, in dem billigsten Hostel in Tokyo. Als ich danach dann Japanern von Nishi Kawaguchi erzählte machte die dann meist „Oh…..“ und erzählten mir, dass die Ecke wohl eines der Yakuza Hauptquartiere in Tokyo ist und stadtbekannt für Prostitution. Im Time Magazin gibt es auch einen interessanten Artikel über Nishi-Kawaguchi mit dem wunderschönen Titel „Japan’s Terror Threat„. Ich hab da auch ein paar, nunja, unangenehme Sachen gesehen und erlebt. Das Hostel war auch mehr ein Rattenloch, für die erste Zeit aber okay.

Ich hatte in diesem heissen Sommer Lust zu Baden und fragte einen dort wohnenden Österreicher, wo es denn in Tokyo Strände gibt. Er meinte, da müsste ich schon auf ne Insel fahren. Ich fand den Gedanken cool und machte mich schlau:

Südlich von Tokyo gibt es eine Inselkette, Izu-Shoto genannt. Das sind allesamt vulkanische Inseln, die mehrere hundert Kilometer von Tokyo entfernt liegen, aber trotzdem noch zur Stadt Tokyo und dessen Verwaltungsgebiet gehören. Auch dort fand ich dann im August, lauter Wimpel und Fähnchen mit der Aufschrift „Tokyo Olympia 2016“, auch wenn Olympia natürlich niemals zu den Inseln kommen wird.

inseln
Quelle: wikipedia/Izu-Shoto

Gesamt leben ca. 25.000 Menschen auf allen Inseln, wobei die erste Insel der Gruppe gleichzeitig auch die größte ist und die meisten Bewohner hat: Oshima


(Oshima von der Izu Hanto aus)

Ich wusste nicht wirklich wie ich auf die Insel kommen sollte, und machte mich über Wiki-Travel schlau, fragte meinen zukünftigen Mitbewohner ob er mir die Seite des Fährbetreibers übersetzen kann und machte mich dann auf zu einem Kapsel-Hotel in Asakusa, in dem ich die Nacht vor dem Trip verbringen wollte. Zuvor bin ich aus dem Hostel ausgezogen und wollte eigentlich am Abend auf die Insel. Abends fuhr jedoch keine Fähre mehr, sodass ich kurzzeitig in einem Kapsel-Hotel unterkommen musste.

Kapsel-Hotels sind für 1-2 Nächte eigentlich ganz in Ordnung, man hat nen Fernseher in der Kapsel und nen Vorhang. Allerdings schlafen auch so 20-30 andere Personen zusammen in einem Kapsel-gefüllten Raum, wenn da einer schnarcht haste Pech gehabt. Ich hatte aber Glück und das einzige störende, war ich selbst, als ich meine Kamera aufgeladen habe und somit zwei Finnen beim Kartenspielen störte.

Im Asakusa Tourist Information Center, wo ich eigentlich nur nach der Adresse von meinem Hostel fragen wollte, suchte man mir nach einem kleinen Dialog auch noch die Abfahrtzeiten für die Fähre am nächsten Morgen raus:

„….and this your hotel here.“
„thank you!“
„By the way, where are you from?“
„Germany“
„ooohhh… germany…. I have been there… Guten Tag!“
„Guten Tag :-)“
„Can I help you with anything else…?“
„Ah yes… I want to go to the Islands south of Tokyo tomorrow, but I don’t know how. Can you help me?“
„Klar!“

Er telefonierte etwas rum, schlug einen dicken Wälzer mit den Fahrtzeiten der Fähre raus und suchte für den nächsten morgen die beste Verkehrsbindung raus.

Nach Oshima kommt man am Besten per Boot, einer Fähre die „Jet Foil“ heisst. Die fährt vom Takeshiba Terminal aus, wo man auch die Tickets kaufen kann, mehr dazu hier.

Ich wollte die erste Fähre am nächsten Tag nehmen, und die ging 7.29 Uhr. Das weiss ich noch so genau, weil ich an dem Tag so oft auf die Uhr schaute und es am Ende sehr knapp wurde.

Gegen 5 Uhr wachte ich auf und verließ die Kapsel. Das Einzige was ich bei mir hatte war ein Schlafsack (weil ich eigentlich draußen übernachten wollte), einen Regenschirm und eine Umhängetasche mit Handtuch, Kamera, und Pulli. Das wars. Sonst nur ein kurzes Hemd, kurze Hose und Turnschuhe.

Ich kam 7.23 Uhr Takeshiba Terminal an, konnte dann der Dame hinterm Thresen irgendwie klar machen, dass ich erst nach Oshima möchte, dort einen Tag bleibe, dann nach Niijima und einen Tag später wieder nach Tokyo. Der ganze Trip war mit knapp 19.000yen nicht billig, aber es lohnte sich.

Um 7.26 Uhr war ich mit als letzter in der Fähre und es ging los.

In den zwei Stunden Fahrtzeit über den Pazifik hatte ich das erste Mal Zeit zum Durchatmen, zuvor bin ich eigentlich nur gerannt um die Fähre zu erwischen. Ich musste laut lachen, weil ich das alles so absurd fand.
Ich wollte auf eine Insel, hatte vor einem Tag noch keine Ahnung wie, und nun sitz ich in nem Boot mitten im Pazifik vor der Küste Tokyos. Ich bin hier, weil ich hier sein wollte. Ich bin auch nach Japan, weil ich in Japan sein wollte. Und alles funktionierte. Ich fühlte mich frei. Frei von allen Hindernissen, die mir so oft eingeredet wurden. Wie oft hörte ich im Leben „Das geht nicht.“ „Das kannst du nicht“ und nun bin ich in Japan, arbeite als Fotograf, und sitze in einem Boot zu einer Insel.

Viele Tokyoter kennen Oshima und die Inseln, waren aber noch nie dort. Auch viele Oshima-Bewohner waren noch nie in Tokyo, obwohl es so nah ist. Doch viele in Tokyo wissen, dass es da sehr schön ist.

Bei meiner Ankunft auf der Insel die 100km von Tokyo weg ist, fühlte ich mich noch nicht so weit von Tokyo weg. Alles war grau in grau, nur dass das Tokyoter Beton durch graue Wolken ersetzt wurden ist.

Trotzdem war die Insel imposant.

Und lächelte mich an:

Ich suchte zuerst das Tourist Information Center auf, was günstigerweise direkt am Hafen war. Englisch sprach da keiner, aber sie hatten englische Karten. Ich konnte sogar rauskriegen, wo man hier Fahrräder mieten kann. Man gab mir eine Nummer und ich rief an. Es folgte eine Situation die ich gerne als Beispiel nehme, wenn es um die Situation von Ausländern in Japan geht, und wie Japaner manchmal reagieren:

Das ganze Gespräch fand auf japanisch statt und ich war dementsprechend limitiert. Es ging zuerst darum, wieviele Räder ich gern hätte, wie lange und welche Farbe. Alles war okay bis ich merkte, dass ich mit meinem Japanisch nicht mehr weiterkomme. Ich fragte sie, ob sie jemanden haben, der englisch kann. Sie meinte „warten Sie kurz“, trat aus der Leitung und ich wartete. Es meldete sich dann eine Männerstimme, die zu mir meinte „We have no bikes. Thank you“ und legte auf.

Das ganze Gespräch vorher ging nur darüber, welche und wieviel Räder ich gern hätte, und als wir auf englisch umstellten, sind ihnen die Räder ausgegangen.

Also nahm ich den Bus in die nächstgrößere Stadt, Motomachi. Ich bewundere heute noch den Busfahrer, der steile Zickzack-Kurven, den Berg hoch, mit Bravour meisterte. An diesem Morgen war der Bus nicht voll, er konnte mir also helfen.

In Motomachi stieg ich dann, im immer noch heftigen Regen, aus und zog mir erstmal nen Pulli über. Motomachi ist höher gelegen als der Hafen und bot einen Blick über die Insel. Das war nun Oshima. Grau, kalt und es gab keine Fahrräder.

Ich bin dann zum Town Office, auch um nochmal Touristen Informationen zu bekommen. Ich hatte zwar genug, aber ich wollt mich noch mal gern mit jemanden in einem warmen, trockenen Umfeld unterhalten. Und vielleicht finde ich auch jemanden, der englisch kann. Mit Schlafsack, Regenschirm und kurzer Hose ging ich also ins Rathaus.

Der Mann an der Rezeption sah mich, guckte etwas überfordert und griff dann zum Hörer als ich auf ihn zukam. Ich fragte ihn, ob er englisch kann. Er schaute beschämt zum Boden und meinte, ich sollte kurz hier warten.

Es kam dann eine Person auf mich zu und begrüßte mich mit „Hello“ und Handschlag. Das war Reiko.
Reiko arbeitet im Tourismusbüro und war die Einzige dort (und wahrscheinlich die Einzige auf der Insel), die fließend Englisch konnte. Sie war, als sie 16 war, ein Jahr lang in den USA und, abgesehen von 1-2 Trips nach Tokyo, hat sie Oshima kaum verlassen. Dementsprechend neugierig war sie an einem Ausländer wie mir, der aus so einem weit entfernten Land wie Deutschland kam. Ich war auch sehr glücklich endlich mal mit jemanden kommunizieren zu können.

Sie brachte mich dann auch ins Touri-Büro wo sie mich mit Infomaterial überhäufte. Es kamen auch gleich zwei weitere Mitarbeiter, die mir dann sofort alles erzählten, was es hier so tolles gibt. Da es unter der Woche (Mittwoch) und Mistwetter war, war ich wohl der einzige Tourist an diesem Tag. Aus purer Freude darüber, schenkte man mir ein kleines Figürchen, das auch heute noch an meinem Handy hängt:


Traditionskleidung auf Oshima

Reiko fragte mich dann auch, ob ich schon nen Platz zum Übernachten hatte. Da ich einfach so auf die Insel gefahren bin, komplett ohne irgendeinen Plan, hatte ich das natürlich nicht. Also wollte sie was für mich organisieren.

Wir gingen noch zu einem weiteren Touri-Center, das mehr über Hotels Bescheid wusste. Erst stand ein Ryokan im Raum, für 5000yen die Nacht. Ich machte große, schockierte Augen und fragte ob es nicht billiger geht. Reiko entdeckte dann ein Surfer-Hostel für 1.500yen die Nacht. Gebongt!

Am Telefon mit dem Besitzer stockte sie kurz und fragte, ob ich japanisch kann. Ein bisschen, sagte ich, und das musste reichen.
Der Besitzer würde dann zur Busstation kommen und mich abholen. Reiko brachte mich dann zum Bus in Motomachi, wartete bis der Bus kam, sagte dem Fahrer wo er mich rauslassen muss und verabschiedete sich von mir. Ich sollte sie aber noch einmal wiedersehen.

An der Busstation wartete dann ein etwas breiter, bärtiger jedoch seelig lächelnder Kerl, Marke Okinawa-Surfer. Die Fahrt zum Hostel war recht schweigsam, ich versuchte zu konversieren aber es klappte nicht ganz 😉

Das Hostel selbst war ein altes traditionelles japanisches Haus, mitten im Wald. Echt paradiesisch. Mithilfe eines Computers konnten wir uns dann etwas verständigen. Ich war der einzige Gast in dem großen Haus. Ganz allein in diesem alten japanischen Holzhaus. Das gab Anlass zur Meditation:

Ich fragte dann, ob er auch Fahrräder vermietet. Klar, 500 yen für den gesamten Tag. Ich verlangte nach einem Mamachari, er lächelte nur und meinte: „Du bist ein Kerl, du kriegst ein Rad für Männer!“. Das ist ein gutes Argument, dacht ich mir, und nahm das Mountainbike das er mir zur Verfügung stellte.
Da es immernoch in Strömen regnete, gab er mir ohne(!) Aufpreis komplette Regenkleidung dazu. Ich ließ mein Zeug im Hostel und schwingte mich aufs Mountainbike. Ich wollte in die nächste Stadt und was zu Essen kaufen, schließlich hatte ich noch nichts gefrühstückt an dem Tag.

Es war ein wunderbares Gefühl endlich wieder Fahrrad zu fahren, das erste Mal in Japan. Ich liebe Fahrrad fahren. Die ersten 20 Minuten merkte ich auch den Regen nicht. Danach wurde es lästig.

Um unter der Kluft nicht allzu schwitzen, machte ich die Jacke auf. Was ich nicht bedachte waren zwei Sachen:

1. Der Regen hatte den erdigen Boden aufgeweicht
2. Mein Rad hatte keine Schutzbleche

Der ganze Dreck wurde nun also, vorne wie hinten, von den Reifen direkt in mein Gesicht und auf mein Hemd katapultiert.

Ich fuhr nun eine Stunde durch den Regen umher, bis mir auffiel, das ich nicht wusste wohin. Ich hatte mich komplett verfahren, hatte keine Karte oder Handy bei, oder auch nur eine Ahnung wo ich war. Ich wusste ja nicht mal den Namen vom Hostel, da Reiko das für mich organisierte. Ich dachte, gut, du findest den Weg bestimmt wieder zurück, aber nein! Alles sah gleich aus: südpazifischer Dschungel mit ein paar Häusern und kleinen Straßen mittendrin.

Ich war erschöpft und machte kurz Rast in einer Garage, mitten in der Pampa. Es hatte ein Dach und das genügte. Ich überdachte meine Optionen.

Aufeinmal kam ein großes rotes Auto und wollte in die Garage rein. Die zwei Fahrer schauten mich skeptisch und interessiert an, bis ich dann den Mut fasste sie mal anzusprechen und meine Situation zu erklären. Mit Händen und Füßen konnte ich irgendwie klar machen, dass ich mich verlaufen habe. Sie zückten erstmal das Telefon und riefen im Town Office an.
Ich kramte in meiner Hosentasche und fand die meishi von Reiko, auf der auch ihre Nummer stand. Die beiden Herren riefen sie dann und reichten sie mir. Reiko wollte mich dann abholen kommen, was mir zwar etwas peinlich war, aber sie bestand darauf. Solange ich auf dort sie wartete, warteten die beiden Herren mit mir. Einer gab mir sogar sein Wasser weil ich so erschöpft aussah.

Ich versuchte ein bisschen mit ihnen zu reden. Beide kamen aus Oshima und waren selten von der Insel weg. Auf Oshima gibt es auch einen Vulkan, den man besichtigen kann (nur nicht bei dem Wetter). Der Vulkan ist das letzte Mal in den 80ern ausgebrochen, und einer der Beiden erzählte mir dann, wie er das erlebt hat. War sehr interessant. Ich machte auch ein Foto von meinen beiden Rettern:

Reiko brauchte sehr lange um mich zu finden. Verständlich, ist ja auch alles verwirrend dort. Einer der beiden Männer schnappte sich dann ein anderes Auto um der Reiko entgegenzufahren. Er fuhr also der hinterher, die umher fuhr, um mich zu finden. In Deutschland unvorstellbar, die würden nur über die Benzinpreise maulen.

Irgendwann fand sie dann her und wollte mich (dreckig) und mein Fahrrad (noch dreckiger) in ihr Auto laden. Ich hatte ein schlechtes Gewissen alles dreckig zu machen, doch sie Bestand darauf.
Im Auto erzählte sie mir dann, was im Town Office los war, nachdem ich weg war. Alle waren neugierig und fragten, wo ich denn herkomme, was ich hier mache und so weiter. Als dann der Anruf einging, dass ich mich verlaufen habe, haben sich alle Sorgen gemacht. Voll nett 🙂

Als Reiko mich dann zurück fuhr, bot sie mir an, mich doch am nächsten Morgen abzuholen, um sicherzustellen dass ich die Fähre nicht verpasse. Scheinbar hatte sie nicht viel vertrauen in meinen Orientierungssinn 😉
Da ich immer noch Hunger hatte, wollte ich sie fragen, ob sie mich kurz noch in die nächste Stadt fahren kann. Sie meinte, sie könnte mich nach Feierabend abholen, und ob das okay für mich sei. Definitiv war das okay, denn so konnte ich noch duschen und die dreckigen Klamotten ablegen.

Nachdem ich zurück im Hostel dann duschte, kamen noch zwei weitere Gäste. Es waren zwei Finnen, die das Hostel nur fanden, weil sie irgendwie einen Japaner auf der Straße fanden, der das organisieren konnte. Diese Freundlichkeit ist unglaublich.
ich fragte die Finnen, ob sie aus Tokyo kommen, ja sagten sie. Ich fragte wo sie die letzte Nacht verbrachten, sie meinten in einem Kapselhotel in Asakusa. „Ich auch“, sagte ich, „in welchem Stock?“ Im vierten, im selben Stock wo ich auch war. Die Beiden waren exakt dieselben zwei Leute die ich in der Nacht zuvor beim Kartenspielen störte. Und nun hier, 100km südlich von Tokyo in einem schwer zu findenen Hostel tauchen sie auf. Absurd. Wir mussten lange darüber lachen 🙂

Reiko kam dann nach Feierabend und brachte mich, und die Finnen die ich einlud mitzukommen, in den nächsten Supermarkt. Entlang des Weges grüßte Reiko viele vorbeifahrenden Autos. Auf Oshima kennt halt jeder jeden. Im Supermarkt musste sie auch viele Fragen zu den Gaijins beantworten, die sie da mitgebracht hat.

Wir verabschiedeten uns von Reiko, am nächsten Morgen würde sie mich zur Fähre bringen.
Die Finnen spielten wiedermal Karten und ich surfte im Netz. Wir unterhielten uns über Japan, Finnland und Deutschland, während das Hostel in Dunkelheit fiel und die Zikaden draußen leise verstummten.


Kein Roboter, nur Waschmaschine + Trockner

Am nächsten Morgen brachte mich Reiko dann zum Hafen und lud mich ein, das nächstemal in Oshima doch in ihrem Haus zu übernachten. Das werde ich auch tun, und viele Bilder aus Deutschland und Europa mitbringen.


Reiko


Mein Frühstück

Wir quatschten eine Weile. Etwas zu lang, denn als ich merkte dass meine Fähre schon abfuhr, war es zu spät. Wir sind noch wild winkend hinterher gerannt. Die Fähre sah uns, und drehte extra für mich um und fuhr zurück zum Hafen. Ich entschuldigte mich fünfmal bei den Hafenarbeitern, setzte mich in die Fähre und machte mich auf den Weg Richtung Niijima, die nächste Station und zwei Inseln weiter.

In Oshima fand ich das, was ich an Japan bis zu dem Zeitpunkt vermisste und in Tokyo nicht fand. Diese ehrliche Neugier, Freundlichkeit und Gastfreundschaft – und auch Abenteuer. In Tokyo war alles organisiert. Bei den Inseln hab ich mich einfach nur ins Boot gesetzt und bin rüber. Ich habe viel mehr erlebt, als jemals wenn ich nur dem Reiseführer gefolgt wäre. Ich möchte unbedingt nochmal nach Oshima, es ist sehr empfehlenswert. Ich konnte zwar nicht viele Fotos machen, aber viele Eindrücke gewinnen.

Teil 2: Insel-Abenteuer!: Niijima
Artikel (von mir) über alle Inseln der Izu-Shoto: auf yes!Tokyo

Die kreative Künstlerseele von Tokyo

Ich war auf der Design-Festa Tokyo 2009: dem größten internationalen Kunst Event in ganz Asien. Tausende von kleinen, freien Künstler stellten ihre Werke aus und verkauften sie. Es herschte eine kreative Atmosphäre die ich zum ersten Mal in Tokyo spürte und die ich so nur aus Berlin kannte.

(Der Typ hatte eine interessante Präsenz, ging betont cool und posierte ganz von alleine. Ich machte ne Menge Bilder bis er es bemerkte 😉 )

Ich komme aus Berlin, welches international für Künstler immer beliebter wird. Und gerade weil in Berlin so viele Künstler leben, herscht dort eine sehr kreative Atmosphäre. Kunst und Kunstprojekte anzuschieben ist in Berlin sehr, sehr viel einfacher als in Tokyo. Ich selbst würde mich auch als Künstler bezeichnen wollen, und als jemanden der junge Kunst mit diversen Projekten unterstützt – auch weil es in Berlin einfach möglich ist, schon als 17/18 jähriger solche Projekte zu starten. In Berlin fragt keiner, wo du studiert hast, wie viel Erfahrung du hast oder was deine Eltern machen. Solange du eine coole, kreative Idee hast, und damit andere begeistern kannst, reicht das um Unterstützer zu gewinnen.
(Beim Geld sieht das allerdings anders aus, da Berlin chronisch pleite ist. Aber so ist in Berlin viel Kunst gratis)

Das hatte mir in Tokyo bisher immer gefehlt, diese Freiheit kreativ sein zu können. Vorallem junge Künstler suchte ich sehr lange. Ich war wirklich sehr, sehr glücklich, sie auf dieser Design Festa zu finden, und wieder in dieser kreativen Atmosphäre zu leben.

Die Design Festa kann man sich wie als real gewordene DeviantArt Website vorstellen (oder eine andere beliebige Website wo angehende Künstler ihre Werke zeigen). Nur dass die Design Festa nicht nur auf zweidimensionale Kunst beschränkt ist, sondern auch Maskenbildner, Schmuck, Mode, Puppen o.ä. zulässt. Und vorallem: Der Künstler versteckt sich nicht hinter einem anonymen Nicknamen wie milchkuh73 im Netz, sondern er steht direkt vor dir, neben seiner Kunst. Du kannst mit ihm reden, dich austauschen und ihn direkt unterstützen indem du seine Werke kaufst. Ich find es wunderbar, wie in einer Konsum-orientierten Gesellschaft wie Japan, Kunst und Kommerz Hand in Hand gehen, ohne dabei die Kunst abzuwerten. In Deutschland ist das ja immer ein bisschen schwierig mit Kunst Geld zu machen bzw. die Werte richtig einzuschätzen.

Die Design Festa findet zweimal jährlich in der Tokyo Big Sight statt. Künstler können Stände mieten, ihre Sachen ausstellen und verkaufen. Tokyo Big Sight ist ein großes Messegelände auf Odaiba, der künstlichen Insel vor der Bucht von Tokyo.
Die Big Sight ist bekannt für große Manga Conventions, wo unveröffentlichte Manga Zeichner ihre eigenen Werke verkaufen, die sie selbst gedruckt haben.

Ich hatte Tokyo Big Sight das erste Mal in einem Manga gesehen und hielte es für ein sehr ungewöhnliches Gebäude, das sich der Mangazeichner nur ausgedacht haben musste:

Umso überraschter war ich, als ich dann tatsächlich vor diesem riesigen Raumschiff stand:

Drinnen in der Tokyo Big Sight standen dann alle Zeichen auf Kunst. Begrüßt wurde man von einem bunten Tor:

Drinnen war die zentrale Halle, in der sich einige exklusive Künstler eingemietet hatten und in der Mitte fand Musik statt, vor einem großen, sitzenden Publikum.

Die Musik war ähm sehr japanisch. Das heisst, es gab sowohl generierte Pop Musik, vorgetragen von hübschen Mädchen (die beim Publikum gut ankam),

dann gab es traditionelle japanische Elemente, gemischt mit dem Stil einer amerikanischen Big Band, die ich kurz beim Proben erwischt habe:


(man beachte den Spalt durch den ich die Kamera hielt und heimlich fotografierte 😉 Ich wollt einfach wissen woher die Musik kam)

und dann gab es einen ähm Mittelalter-Auftritt, wo Japaner sich in europäischen Ritterrüstungen bewegten:

Das ist als wenn Deutsche einen auf Ninja oder Samurai machen…

Rund um die zentrale Halle waren die Messe-Hallen, wo jeder Künstler mit einem eigenen Stand vertreten war. Ein wirkliches Konzept gab es da nicht, alles war wild durch- und nebeneinander.

Und auch Musik gab es hier, abseits der Haupthalle. Wundersamerweise nirgendwo störend.
Es gab die Kostüm-und-Kinder-Musik:

Es gab Tricky, der seinen eigenen Fanclub mit dabei hatte…

…und nun ja, ein besonders warmer Exot war.

Tricky
(Quelle: flickr/designfesta)

Tricky’s Musik war nicht so dolle, aber er hat sich eine besondere Choreografie einfallen lassen, den sein vorher instruierter Fanclub fleißig mittanzte. Das Publikum drum herum stieg mit ein, und machte seinen Tanz mit. Sein Fanclub stand sogar noch um ihn herum, als um 19 Uhr das Licht ausgemacht wurde, und alle gingen. Tricky ist schon ein cleverer Entertainer. Wer mehr von ihm will, er hat genug CD’s auf Lager:

Tricky CD
(Quelle: flickr/designfesta)

Und weit entfernt von Tricky (vom Talent und Lage), versteckt in einer Ecke, stand meine neue Lieblingsband!

Das hier ist Flava, eine junge Jazz-Kombo, die hier Lieder aus ihrem neuen und ersten (Mini) Album vorgetragen hat. Ich hab natürlich gleich ihre CD gekauft und zuhause rauf und runter gehört. Live sind sie allerdings noch viel besser als auf CD, ich werd mir demnächst mal ein Konzert von ihnen anhören.
Hier mal eine Hörprobe aus einem Konzert in Shibuya, Tonqualität ist so la la.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=7ROeLImufkk&hl=ja&fs=1&]

Flava’s hübsche und noch viel mehr talentierte Sängerin ist 26 und arbeitet als Office-Lady in einem IT-Unternehmen. Das mag man sich so gar nicht vorstellen können, wenn man sie live gehört hat.

Flava
(Quelle: flava.hiho.jp)

Wie schon erwähnt, gibt es neben der Musik noch so ziemlich jeden anderen Bereich der Kunst, von daher will ich jetzt einfach ein paar Buden und Impressionen vorstellen:


(sie war ca. 5-6 Jahre alt, man kann nie früh genug mit der Kunst anfangen =) )

Sie hatte eine wunderbare Gesangsstimme, wenngleich sie auch etwas schüchtern war und leise sang. Wer mehr von ihr sehen möchte, und mir fällt da jemand ein, der das bestimmt möchte, der kann in ihren Youtube-Channel schauen.


Eine T-Shirt Vending Machine


Eine vor Ort angefertigte Zeichnung, man achte auf die vielen Details, in groß sieht man es besser.


???


Mister T beschützt Schokolade


OKTOPUS-MANN GEGEN KUGEL-MANN!!


…sich von der leeren Leinwand inspirieren lassen…


Wenn man diesem Blog glauben mag, ist Live Painting ganz groß angesagt. Viele Künstler bemalten ihre Buden auch. Eine Kunst, die nur die zwei Tage der Design Festa dauern soll. Es macht einen nachdenklich, aber wenn man bedenkt, wieviele tausend Leute von eben diesen Bildern Fotos machen, und sie für die Ewigkeit erhalten oder Freunden zeigen, so ist der Kunst doch Genüge getan.


fließender Verkehr, rein und raus.


Und den Info-Stand immer im Blick.


Ein Samurai wacht über alle Buden….


… und bedroht Fotografen, wenn sie ihm zu nahe kommen 😉


Ein Skelett macht für 500yen eine Manga-Zeichnung von dir. Schnäppchen!


Tatoos konnte man sich auch machen lassen.


Für alle, die Schwierigkeiten haben, Kanji zu lernen, präsentiere ich die Kanji-Symmetrie. Einfach die Kanji umdrehen, und schon habt ihr das englische Wort, wie „look“:


Ich weiß ja, das große Brillen momentan sehr angesagt sind, aber der Fotograf hier hat den Vogel abgeschossen.


Wie so oft, direkt und eng beieinander. Hier zwei Bands die gleichzeitig um die Wette spielten, ohne dabei wirklich Lärm zu produzieren. Links hinten ist Extasy Box, die Flöten und Synthesizer-Kombo.


Es gab auch einen Bondage Stand, bei dem keine Fotos erlaubt waren. Das heisst, ich hab kein Foto von jungen Japanerinnen, die sich spaßeshalber von einer Lack-und-Leder Dame in Seile einwickeln lassen. Doch Madame habe ich erwischt, man beachte ihre Werkzeuge and ihrem Gürtel….

Auf der Design Festa liefen so viele verrückte Leute und Kostüme rum, es gab wirklich wunderbare Motive. Zum Beipsiel der Herz-Mann, der über und über mit Herzen voll war und die Liebe verbreiten sollte – dabei doch eher stets ein frustriertes Gesicht hatte.
Oder die puren Maids, die mit grimmiger Miene ihre Zigarette rauchten. Oder viele, viele verrückte Buden, wo der Künstler im Kostüm davor saß. Doch die habe ich alle nicht abgelichtet. Fotografieren war zwar sehr oft erlaubt und erwünscht, doch wie schon mal in einem Beitrag erwähnt, ist das mein Beruf, den ich auch nicht immer 24/7 ausüben möchte.

Wenn mich jemand nach meiner Art der Fotografie fragt, sage ich manchmal: „Aus Fleisch, Wurst machen“. Bleiben wir mal bei der Metapher:
Ich war auf der Design Festa nicht beruflich, sondern um mir viele neue und fremde Sachen anzuschauen. Das ist wie als ob ein Metzger in den Zoo geht. Wenn der nen Elefanten sieht, denkt der auch „aha, Lende, Steak, alles klar“. Wenn ich auf der Design Festa bin, seh ich auch lauter Motive, Geschichten, Momente. Aber irgendwie hat mir die Lust gefehlt, jedem Motiv hinter her zu springen, ständig die Objektive zu wechseln und abzudrücken. Sonst bin ich ja bei solchen Veranstaltungen auch offiziell als Fotograf für die Presse o.ä., doch diesmal wars ganz privat.
Ein wenig hab ich genau das bereut, nicht ständig mit dem Auge im Sucher zu sein, weil es wirklich viele tolle Sachen zu Sehen gab. Doch ich wollt auch einfach nur mal genießen. Andere kreative Sachen sehen, ohne selbst kreativ sein zu müssen.

Es gab auch viele Fotografen auf der Design Festa, ihre Bilder allerdings oftmals ohne besondere Qualität. Doch sie freuen sich, wenn man ihre Bilder anschaut und mit ihnen spricht. Ein Fotograf hatte die halbe Welt bereist, und war ganz entzückt mal ein paar Ausländer an seinem Stand zu haben. Mir musste er dann natürlich auch die Bilder aus Deutschland zeigen 😉

Es geht bei der Design Festa nicht ums verkaufen. Es geht eher darum, gesehen zu werden. Die vielen kleinen Aussteller freuen sich riesig, wenn man sich ein paar Minuten Zeit nimmt, ihre Kunst anzuschauen. Ihre Kunst, in der sie ihre Gedanken und Gefühle verarbeiten haben, mit der sie etwas mitteilen möchten. Mit meinem bisschen Japanisch konnte ich noch sagen, dass mir ihre Sachen gefallen, und darüber waren sie jedesmal zutiefst dankbar.

Es sind tausend Aussteller, oft direkt nebeneinander. Trotzdem ist es weniger ein heftiger Konkurrenzkampf. Viel mehr sind sie Teil der großen kreativen Seele von Tokyo.
Ich würde sowas gerne in Berlin machen, genug Kleinkünstler gibt es ja. Ich frage mich allerdings, ob man nicht die japanische Höflichkeit braucht, damit das alles auf so engen Raum nicht in Gewalt ausartet…

Die junge Kunst in Tokyo hat eine ganz andere Qualität. Ich vermute das liegt daran, dass japanische Künstler erst ab einem gewissen Level genug Selbstvertrauen und Glaube in die eigenen Werke aufgebaut haben, um sich öffentlich präsentieren zu wollen. So erklärt sich auch, warum eine wunderbar talentierte Band wie Flava, die es seit 6 Jahren gibt, erst in diesem Jahr ihr erstes Album rausbrachte.
Wenn ich da an Deutschland denke, fallen mir 21-jährige Fotografen ein, die meinen ohne Ausbildung oder Erfahrung in Tokyo als Fotograf arbeiten zu können. Oder 21-jährige Rapper, die kurz nach dem Abi ihr erstes Album auf den Markt werfen (ich kenn ihn gut seit er 6 ist, ich darf das so sagen 😉 ).

Aber das wiederum find ich an jungen deutschen Künstlern, insbesondere in Berlin, so inspirierend. Sie treten frech auf die Bühne und sagen „Welt, hier bin ich, und ich bin bunt!“.
Zu einem der letzten Projekte, die ich in Deutschland machte, dem Bildband zur jungen deutschen Fotografie, würde ich gerne eine Ausstellung in Tokyo machen. Im selben Zusammenhang würd ich gern ein ähnliches Projekt mit jungen japanischen Fotografen machen, und beide Sachen dann in Deutschland ausstellen und vergleichen.

Pünktlich um 19 Uhr wurden die Lichter in den Hallen ausgemacht, und das große Raumschiff spuckte seine temporäre Besatzung aus:

Draußen im Regen und der Dunkelheit sah es sogar noch bedrohlicher aus:

Ich wollt noch zeigen, was ich denn alles gekauft habe, aber das dann in nem zweiten Post, da der hier schon so lang ist. Aber es war ein großartiger und inspirierender Tag – für Alle. Und ich hab in Tokyo endlich das gefunden, was ich hier so lange suchte. Und das machte mich, zum ersten Mal seitdem ich hier bin, so richtig, richtig glücklich 🙂