Kleine Notizen zum kleinen Japanfestival

Am Wochenende war das Japanfestival in Berlin. Ich war dabei.

(an dem Mangel an fotolastigen Beiträgen in letzter Zeit merkt ihr meine aktuelle Auftragslage…)

Am Wochenende war das Japanfestival in Berlin. Veranstalter ist der Japanshop Berlin, der das ganze so gut wie alleine alle 2 Jahre stemmt. Verglichen mit anderen Städten fehlt in Berlin erstaunlicherweise eine große Japan-Veranstaltung, obwohl hier diverse deutsch-japanische Vereine ihren Hauptsitz haben und Berlin und Tokyo ja bekanntlich Partnerstädte sind – zumindest alles auf dem Papier. Ich wollte ursprünglich hin, aber nicht den überteuerten Eintritt bezahlen. Ich bemühte mich zunächst um Pressekarten, kurzfristig gab es aber noch die Möglichkeit für mich auf dem Festival zu arbeiten, und zwar für die Stadt Tokyo. Als Assistent der Tourismusbehörde von Tokyo bzw. deren Vertreterin in Deutschland, saß ich am Stand von Tokyo und informierte über die Metropole und Reisemöglichkeiten.

Arbeit am Tokyo-Stand

Das war eigentlich ganz spannend, viele planten eine Reise noch in diesem Jahr und wollten sich informieren. Die Geschichten zu hören war recht interessant und erinnerte mich an mein Jahr in Tokyo. Da waren viele junge Leute dabei, die lange sparten für ein, zwei Wochen Tokyo nach der Schule. Oder die Mutter, die mit der japanbegeisterten Tochter reisen wollte. Oder die hübsche Blondine mit dem süßen Lächeln, mit der ich noch lange über ihre Japanreise sprach. Oder zum Schluss noch die 87 jährige Dame, die zwei Jahre zuvor erst in Tokyo war, dort jede Tour mitgemacht hat und restlos begeistert war.

Natürlich ziehen solche Japanveranstaltungen auch immer wieder Deppen an, doch es hielt sich zum Glück in Grenzen. Nervig waren die „Grabscher“, die den ganzen Tag durch die Messe gehen und nur versuchen den Gratis-Kram mitzunehmen, ohne mal überhaupt Augenkontakt herzustellen. Oder die elendigen Japanologen, die sich bei einem Japan-Festival als Experten fühlten und sich auch genau so benahmen, schlechtes Japanisch und unverhältnismäßig hübsche, asiatische Freundin inklusive. Einer meinte deswegen gleich meine Berufswahl kritisieren zu müssen. Kann ja nicht jeder brotloser Geisteswissenschaftler sein, wa? 😉

Trotzdem hatte es mir wirklich gefallen, auch wenn mir im schlecht belüfteten Raum regelmäßig schwindelig wurde.

Das Japan-Festival

Hätte ich Eintritt bezahlt, ich hätte es bereut. Natürlich war ich vorbelastet, lebte ich doch schließlich ein Jahr in Japan und war schon verhältnismäßig gesättigt an Japankram. Für viele andere war das natürlich eine Gelegenheit Japan mal ein Stückchen näher zu kommen, ohne teures Flugticket. Viele reisten dafür auch extra nach Berlin.

Der Zugang zu Japan, die dann bei vielen eine Faszination auslöst, ist wirklich unterschiedlich. Ob jetzt Kultur, Essen, Sport, Popkultur wie Musik, Manga oder Filme – jeder findet da individuell etwas. Und so wurde auch versucht jeden Aspekt irgendwie zu bedienen. Ich sage mal bewusst versucht, weil einiges in der Ausführung nicht funktionierte.

Nehmen wir mal Sport als Beispiel. Es gab einen großen Stand zu Ju-Jutsu, mit einem ziemlichen coolen Schwarzgurt als Meister. Doch das war es dann auch schon mit den japanischen Sportarten auf dem gesamten Festival. Sicherlich hatte der Veranstalter mehr geladen, doch wenn nur einer erscheint, trübt das doch irgendwie den Gesamteindruck.
An Manga und Anime gab es ein Überangebot, überall liefen Cosplayer herum. Auch wenn ich persönlich das jetzt nicht störend fand, so entstand doch ein gewisser einseitiger Eindruck, der vorallem ältere Besucher schon noch abschreckte.

Da ich die ganz Zeit am Stand war, konnte ich keine Fotos machen, aber der Blog Berlin Sidewalk hat eine exzellente Auswahl (auch wenns oft nur Details statt weiten Aufnahmen sind).

Gesamt war es ein Mix von Ständen, die nur informieren wollten, aber auch Ständen, die nur verkaufen wollten. Einige Berliner, so zumindest mein Eindruck, waren ganz verunsichert von dieser Aufteilung, war denn schließlich der Eintritt schon teuer genug und man hatte mehr Unterhaltung und Programm für das Geld erwartet.

Das Showprogramm habe ich zwar versäumt, da ich am Stand gearbeitet habe, aber mir wurde oft berichtet, dass es zahlreiche Verzögerungen und Verspätungen gab. Es gab Musik und Vorträge, aber an japanischen Filmen gab es kein Angebot.

Fazit

Gesamt hatte ich halt den Eindruck, dass vieles nicht zu Ende gedacht wurde. Es gab vielfältige Aspekte und gute Ideen, in der Ausführung haperte es allerdings etwas. Das Ganze als große Werbeveranstaltung für den Japanshop Berlin zu sehen ist vielleicht nicht ganz richtig, aber komplett verkehrt ist es bestimmt auch nicht.

Das ist Schade, blickt man auf die vielen offiziellen Verbindungen beider Länder, die speziell in Berlin existieren, könnte man etwas mehr erwarten.

Ich und die Vertreterin von Tokyo waren allerdings zufrieden. Oftmals gab es nicht nur Reiseberatung von uns, sondern auch Lebensberatung für eine Zukunft in Japan. Meine „Chefin“ sah das alles zum Glück nicht so eng, also konnte man ruhig mal über mehr als nur Tokyo plaudern.

…und dann war da noch:

Auf dem Weg zum Klo kam ich auf einmal an einer blonden Frau vorbei. Wir lächelten uns an, sagten aber nichts und ich überlegte, woher ich sie kannte. Umgeben von weissen Fliesen fiel es mir dann wieder ein: es war meine Kunstlehrerin in der 12. Klasse. Nachdem die Hände gewaschen waren, suchte ich sie und fand sie ausgerechnet am Tokyo-Stand. Wortlos ging ich an ihr vorbei und setzte mich lächelnd an den Stand. Sie guckte etwas überrascht und fragte natürlich was ich hier mache. Ich fasste mein Leben nach dem Abitur in wenigen Sätzen zusammen und sie meinte nur lächelnd, wie aufregend das doch alles ist.

Meine Beziehung mit ihr war, nun ja, angespannt. In der 12. Klasse im Kunst-Unterricht mit ihr hatte ich mich zum ersten Mal mit Fotografie auseinandergesetzt, bzw. das erste mal wieder seit der Grundschule. Diese erste Auseinandersetzung führte dann zum Hobby und schlussendlich zu meinem Beruf. Das daraus ein Hobby wurde hatte, daran hatte meine Kunstlehrerin aber wahrlich keinen Verdienst. Denn bei ihr stand ich in Fotografie regelmäßig auf einer 4.

Es gab dann mal einen schulfreien Tag, wo die Kunstkurse trotzdem zur Schule kommen sollten. Wir bekamen die Aufgabe „Berlin in 24 Stunden“ und sollte an diesem Tag rausgehen, uns ein Thema suchen und fotografieren. Ich fand das sehr spannend und entschied mich dafür Menschen in der gesamten Stadt zu portraitieren, bei dem, was sie zu bestimmten Uhrzeiten machen. So kam ich zu einem Punkerpärchen am Alex, über einen widerlichen FDP Politiker in einer Bar, bis zu zwei Anglern an der Spree im Regierungsviertel.

Eines dieser Fotos sollten wir auswählen und „erweitern“. Das heisst, die Essenz des Bildes treffen und ergänzen. Ich nahm die Angler und gab dem ganzen das Thema „Leben“. Das Foto mit den Anglern war zweigeteilt, links der Fluss und das Wasser, rechts die Angler auf ner Wiese.
Ich nahm nun also ein Stück Wiese, ausgeschnitten vom Gelände der Humboldt-Uni in Berlin. Es hielt mich zwar einer an, aber mit einer spontan improvisierten Lüge (es handle sich um ein Projekt für die Schülerzeitung um die Qualität von Berlins Böden zu testen), deren Glaubwürdigkeit mich selbst überraschte, konnte ich mit dem Stück Wiese einfach weggehen.

Für das Wasser nahm ich eine kleine Plastikwanne und drei lebende Fische. In die Mitte der Konstruktion kam dann das Foto, die Angelruten über die Grenzen des Fotos verlängert zu den Fischen.
Ich übergab die ganze Installation meiner Lehrerin, und nachdem sie die Fische gesehen hatte, nahm ich sie wieder mit in ein lebensfreundlicherers Aquarium. Der Rest, mit Wiese und allem, blieb dann vier Wochen zur Benotung bei ihr. Als es dann zurück kam, sah und roch man den Verfall der Wiese deutlich. Daneben hing ein Zettel mit meiner Note, die mehr als schlecht ausfiel. Etwas angepisst, aber auch mit dem Geruch in der Nase, entsorgte ich meine Konstruktion in dem Papierkorb neben der Lehrerin – während sie grad vor der Klasse unterrichtete. Sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber diese Aktion und gewisse Bloßstellung bedrückte sie noch längere Zeit.

Bei der nächsten großen Kunstarbeit bekam ich eine bessere Note und die Lehrerin fügte hinzu „Aber nicht wieder wegschmeissen, ja?“. Von Schülern, die nach mir bei ihr Unterricht hatten, hörte ich auch, dass sie nun regelmäßig Schüler darauf hinweist, ihre Werke doch nicht einfach so wegzuschmeissen. Kurz vorm Abitur sprachen wir auch noch mal drüber und sie erwähnte, wie unglücklich sie doch mit meiner Aktion war, die sie wohl als Statement an ihr und ihren Unterricht verstanden hatte. Tja, und ich war unglücklich mit ihren Noten.

Nun ja, wie gesagt, es war seitdem immer angespannt. Dass ich nun (manchmal) meinen Lebensunterhalt mit Fotografie verdiene, nahm sie wahrscheinlich nicht ganz ernst, da sie meinen Fotos nie wirklich viel Qualität beigemessen hatte. Sie verdrückte sich dann auch ganz schnell wieder vom Stand und ich merkte, sie wollte eigentlich gar nicht mit mir reden.
Tja, hab ich wohl als Schüler einen bleibenden Eindruck hinterlassen 😉