Schutzmann für die Natur

Das 1. Semester ist vorbei. Zeit für für einen Rückblick auf die Themen, die ich für die Uni produziert habe.Folge 6

Die letzte Reportage in diesem Semester hatte das Thema ‚Ehrenamt‘. Der NABU Laatzen, bei mir um die Ecke in Grasdorf, gab mir dafür die Möglichkeit, ihren ehrenamtlichen Fotografen zu begleiten. Peter Saemann ist 73, war vor der Pensionierung Polizist und er fotografiert seit über 30 Jahren die Natur rund um den Fluß Leine. Die Bilder, die er für Diavorträge und Ausstellungen zur Verfügung stellt, sind fast schon sein Lebenswerk, auch wenn die Fotografie nur sein Hobby ist. Aber dazu erzählt er eigentlich schon selbst genug.
Für die Uni brauchte ich nur die Fotos, die Audio-Slideshow mit Interview habe ich einfach nur so geschnitten, weil ich Lust drauf hatte.

Das Naturschutzgebiet im Video habe ich hier direkt vor der Tür. Zu dem Zeitpunkt, als die Fotos entstanden, hatte es zuvor tagelang geregnet. Viele der Wasserflächen sind daher überflutete Felder und Wiesen. Mittlerweile sind diese kleinen Seen zugefroren und dienen als Schlittschuhstrecke in Grasdorf – mit dem Vorteil, dass man nicht einbrechen kann, da knapp 7cm unter der Oberfläche schon der Boden beginnt.

Da ich noch bis in die Semesterferien mit der Serie zu tun hatte, fehlte mir hier natürlich der kritische Kommentar vom Professor. Ich konnte nur mit meinen Kommilitonen eine Auswahl der Bilder machen. Durch ihre Kommentare habe ich dann schnell gemerkt, dass ich mich wieder zu sehr auf die visuellen Reize verlassen habe.
Ich habe nur Bilder von drei verschiedenen Szenen und so wirkt die Serie etwas dünn. Zwischenbilder oder andere Momente gibt es kaum. Ich hätte mir wahrscheinlich wie zu Beginn des Semesters eine Motivliste schreiben sollen, mit allen wichtigen Bildern, die ich brauche, um die Geschichte zu erzählen. Doch nach einem Semester und insgesamt fünf Reportagen wird man eben leichtsinnig.

So ende ich das Semester mit der Erkenntnis, dass ich wohl noch viel zu lernen habe.

Ein Jahrhundert fürs Schreiben

Das 1. Semester ist vorbei. Zeit für für einen Rückblick auf die Themen, die ich für die Uni produziert habe.Folge 5

Elfriede Brüning ist mit 101 Jahren die älteste aktive Autorin Deutschlands. Wahrscheinlich sogar die Älteste der Welt. Ihr erster Roman erschien 1934, da war sie so alt wie ich jetzt. Sie ist nicht mehr so gut zu Fuß, aber noch rege im Geiste. Schon zu Zeiten der Nazis war sie Kommunistin und ist es bis heute geblieben. Seit einigen Jahren lebt sie in einer Neubausiedlung im Berliner Friedrichshain, unweit der Karl-Marx-Allee.

Eine passende Geschichte für das Thema ‚Alter‘, welches die Uni vorgegeben hatte.

Zunächst war es nicht einfach, zu dem Thema überhaupt eine Geschichte zu finden. Alter ist etwas, mit dem man sich in jungen Jahren nicht unbedingt auseinandersetzt. Es war auch das erste Mal, dass ich nicht die Deadline von zwei Wochen, die von der Uni für die Präsentation der Themen angesetzt wird, einhalten konnte.

Angefangen habe ich ganz methodisch: Ich stellte mir die Frage, was denn alles alt sein kann. Grob kam ich da auf drei Ideen: Personen, Dinge und Konzepte.
Eine Geschichte im Altenheim oder über die eigene Großmutter, wie sie andere Kommilitonen anfertigten, wollte ich nicht machen. ‚Alte Konzepte‘ wie Traditionen oder Geschichte sind meist zu abstrakt, als dass man sie grafisch darstellen konnte. Ich versteifte mich dann auf ‚Dinge‘ – entweder auf Wein oder Käse, der reifen kann, oder alte Burgen oder Schlösser. Es gibt zwar über 4.000 intakte Burgen und Schlösser in Deutschland, aber davon stehen wenig im Raum Hannover. Und aus einem toten Gebäude kann man nicht so ohne Weiteres eine lebendige Geschichte basteln.

Die alte Dame im Neubau
Mein Vater empfahl mir dann Elfriede Brüning. Er kannte sie persönlich und nahm mich bei einem Besuch mal mit.
Eine 101-jährige abzulichten ist aber nicht einfach. Was sie als Person spannend macht, ihr gelebtes Leben, ist passiert und für die Kamera nicht leicht zu reproduzieren. An Dingen, die in ihrer Wohnung lagen und ihre Vergangenheit zeigen, wollte ich mich nicht aufhalten. Ich wollte mit ihr als Person arbeiten. Doch eine alte Dame kann man nicht von Motiv zu Motiv hetzen.

Ich fragte vorher Kollegen und Dozenten, wie ich das Thema angehen sollte. Man warnte mich schon vor. Ich sollte nicht erwarten, viele Bilder zu finden. Absurd, dachte ich, die Dame ist über ein Jahrhundert alt, hat viel erlebt und sicher viel zu erzählen. Warum sollte ich das nicht in Bildern zeigen können?
Die Antwort fand ich dann beim Fotografieren. Es liegt an der Grenze des Mediums: Ich kann nur zeigen, was passiert. Wenn sich ihre Aktivitäten auf ihr Zuhause beschränken, weil sie nicht mehr fit genug ist, um vor die Tür zu gehen, beschränken sich die Bilder eben auch nur auf diesen Raum. Und tote Gegenstände bringen einem nicht die Person näher.


Die Werke von Elfriede Brüning, rechts die 101-jährige Hand, welche die Bücher schrieb

Eines Tages meldete sich jedoch mein Vater. Ich hätte Glück, sagt er, Frau Brüning will mit einer Freundin ins Konzert. Das erste Mal in Wochen, dass sie das Haus verließ. Und so sehr, wie es sie anstrengte, wahrscheinlich auch das letzte Mal für eine Weile.
Im Konzerthaus am Gendarmenmarkt sah sie sich das Weihnachtskonzert der Don Kosaken an. Nah an der Bühne, denn mit 101 hört man nicht mehr so gut.
Das erste Mal hatte sie den Kosaken-Chor 1945 nach Ende des Krieges auf den Treppenstufen eines zerstörten Konzerthauses in Berlin gehört. Wie oft sie den Chor seitdem gesehen hatte, wusste sie nicht mehr.

Kamera-Kosake
Der Ausflug war schwierig. Sie brauchte mich stets als Gehhilfe, und so hatte ich die alte Dame immer an der Hand und keinen Arm frei für die Kamera. Desweiteren drohte mir das Konzerthaus damit, mir pro angefangener Stunde, die ich dort fotografiert hätte, 150€ in Rechnung zu stellen.
Eine Freundin von Frau Brüning war im Konzert mit dabei. Sie stellte die alte Dame an der Kasse als Hundertjährige vor, doch Frau Brüning korrigierte sie schnell. „Sogar 101!“ sagte sie und lächelte dabei stolz. Sie erinnerte mich dabei an ein Kind, das betont schon 6 1/2 zu sein, damit es ja nicht jünger gemacht wird als es ist.
Ich gelangte trotz fehlender Eintrittskarte ins Konzerthaus, weil man wohl dachte, ich sei der betreuende Zivi oder der Enkel. Doch ehrlicherweise blieb ich beim Konzert draußen und konnte die Musik nur durch die Türen hören, die fast so alt waren wie Frau Brüning. Das gab mir auch die Gelegenheit, mich mit dem hübschen weiblichen Personal anzufreunden, die ganz gerührt waren davon, wie ich mich um die alte Dame kümmerte.

Bei der Besprechung der Bilder im Seminar war der Professor zunächst zurückhaltend. Er hatte einige Kleinigkeiten in den Fotos zu kritisieren und beschwerte sich darüber, dass ich ihr Alter oft als Entschuldigung vorschieben würde. Trotzdem meinte er, dass ich die wenigen Motive, die es gab, raffiniert fotografiert habe. Ein Bild, was ich ursprünglich aus der Serie rausgenommen hatte, packte er wieder rein und erklärte fünf Minuten lang den Kursteilnehmern, was das Foto gut macht. Ich hatte es danach immer noch nicht verstanden, aber das Bild mal drin gelassen. Er gab mir auch den Rat, die Serie weiter zu verfolgen. Das nächste Mal werde ich auch mein Aufnahmegerät mitnehmen.

Ich habe Frau Brüning an insgesamt zwei Tagen begleitet. Jedesmal war es auch sichtlich anstrengend für sie. Ich würde sie gern weiterhin begleiten und die Serie vielleicht noch ausbauen. Denn so oft hat man keine Hundertjährige vor der Linse.
Pardon, Hundertundeins.

„Man muss das Auto vor der Straße retten!“

Das 1. Semester ist vorbei. Zeit für für einen Rückblick auf die Themen, die ich für die Uni produziert habe.Folge 4

„Es gibt wohl keine deutsche Stadt, die so gut dokumentiert ist wie Hannover!“ Das sagte mal ein Kommilitone in die Runde und bezog sich dabei auf die Wiederholung der Themen, die wir fotografieren müssen. Seit zehn Jahren gibt es diesen Studiengang erst, und ob es tatsächlich seit zehn Jahren auch immer die selben Themen sind, das kann ich nicht sagen. Nur waren sie definitiv im Jahr zuvor die gleichen. Da wir nun auch ganze 50 Leute im Semester sind, wird die Liste der möglichen Geschichten noch dünner. Mehr als einmal kommt es vor, dass angefragte Stellen abwinken und meinen, es sei schon mal einer von uns da gewesen.

Natürlich schult das auch den Sinn für den Wettbewerb. Wie kann ich ein Thema neu erzählen? Welchen Ansatz gab es noch nicht? Schließlich können wir im Beruf nicht immer das selbe abliefern wie unsere Kollegen vorher.
Beim Thema Auto wurde es aber richtig dünn.
Jede zweite Geschichte war ein Autowerkstatt und selten gab es mal einen komplett neuen Ansatz. Nachdem ich lange kein Thema und viele Absagen bekommen hatte, erhielt ich noch in letzter Minute die Zusage von einem Oldtimer-Sammler – und selbst der hatte eine Werkstatt bei sich.

Nostalgie mit Rädern
Der rote Lack des Cadillac leuchtete dem grauen Himmel entgegen als der Wagen in ganzer Länge vor den Bahnof fuhr. Auf den weissen Ledersitzen saß sein Besitzer, der mich einlud einzusteigen. Frank Eule ist Mitte 50 und sammelt, restauriert und vermietet Oldtimer. Früher alte Wagen von Mercedes, heut vermehrt amerikanische Sportautos. In seinem Besitz befinden sich ein klassischer Benz aus den 40ern und das ehemalige Dienstfahrzeug vom Vorstand von Thyssen Krupp. Er sagt, man muss die Autos vor der Straße schützen, denn mit jedem weiteren gefahrenen Kilometer verliert ein Oldtimer an Wert. Die Zahl der fahrtüchtigen Oldtimer sinkt jedes Jahr und der Wert der intakten Karossen steigt. In Frank Eules Besitz befinden sich Wagen, von denen es auf Europas Straßen nur noch sehr wenige gibt. Ein Museum für Vierzylinder.

Sein Showroom ist eine wilde Ansammlung von Spielzeug, Nostalgie und Technik. Sicherlich mein visuellstes Thema bis dahin, ich konnte mit vielen Objekten arbeiten. Zum Vergleich: Bei ‚Musik‘ hatte ich nur die Sängerin. Da konnte ich nur mit ihr und den Hintergründen Bilder komponieren. Das Instrument einer Sängerin ist nun mal ihr Mund, da war es nicht leicht die Musik zu visualisieren. Und schonmal versucht, einen Menschen beim Singen zu fotografieren? Das sieht meistens eher nach einer Untersuchung beim Zahnarzt aus. Und jetzt den Mund bitte schön weit aufmachen.
Bei der Arbeit zum Thema Musik konzentrierte ich mich auf die wenigen Elemente, die zur Verfügung standen. Für ‚Auto‘ gab es hingegen eine große Auswahl von grafischen Objekten – und darauf habe ich mich zu sehr verlassen. Ich hatte zwar ein gutes Gefühl bei der Serie, doch vom Dozenten gabs dann auf den Deckel.

Kritik am Cadillac
Wie bereits erwähnt, der Ton vom Dozenten in Kurzzeitreportage ist derbe und direkt. Wenn man ein Thema verkackt hat, merkt man das recht schnell. Ich musste mir einiges anhören lassen, doch die Kritik stimmte absolut. Das ich zum Beispiel kein Bild von einem fahrenden Auto habe, drückt die Qualität der Serie enorm.

Das Spannendste an dem Dozenten ist seine Leidenschaft für die Fotografie. Selbst wenn an der Wand gurkige Bilder hängen, er kann sich noch in das Thema hineinsteigern und passioniert Hinweise und Tipps geben. Doch diese Passion schwingt in beide Richtungen – verärgert man ihn, kriegt man das deutlich zu spüren.
Ich persönlich habe kein Gefühl und Interesse für Autos. Weil ich das einmal zu oft signalisierte, durfte ich mir gleich einen Vortrag anhören lassen, an dessen Ende der Dozent meine Sexualität in Frage stellte.

Trotz aller Härte: manchmal merkt man ihm etwas fürsorgliches an. Er ist streng mit uns, weil er will, dass wir besser werden. Für unsere fachbezogenen Fragen hat er ein offenes Ohr und er verfolgt das Werken und Schaffen der Studenten auch über den reinen Uni-Alltag hinaus. Er hat den Studiengang gegründet und man merkt, dass er etwas vermitteln will – das Handwerk und den harten Ton der Branche.

Über die Kritik an der Serie zum Oldtimer-Sammler habe ich lange nachgedacht. Sie zu bekommen war auch erstmal nicht einfach und musste verdaut werden – gerade weil ich mir so vermeintlich sicher war. Doch schon für die nächste Serie gabs dann etwas Lob.

Grasdorfs Glockenspiel

Das 1. Semester ist vorbei. Zeit für für einen Rückblick auf die Themen, die ich für die Uni produziert habe.Folge 3

Die Entwicklung an meiner Uni würde ich in etwa so beschreiben:
Wir fingen alle als grobe Marmorblöcke an. An sich nett, doch irgendwie weiss man nicht wohin damit und es gibt keinen Unterschied zu all den anderen Marmorblöcken da draussen. An der Uni stellen wir uns nun vor unsere Dozenten und werden zurechtgemeisselt. Der Dozent für Kurzzeitreportage hat dabei den gröbsten Hammer und den heftigsten Schlag – was Kritik und Wortwahl angeht. Die Dozentin für Bildsprache hat hingegen einen feineren Meissel. Sie sorgt für den Feinschliff, mit sanfteren Tönen.
Beide Dozenten wollen, dass aus dem Marmorblock ein guter Fotograf entsteht.

Das erste Thema im Seminar Bildsprache lautete in diesem Semester: ‚Millieu-Studie‘. Der Begriff war bewusst so gewählt, dass er alles und auch nichts beschreibt. Welche Geschichte wir erzählen war uns überlassen.
Ich grübelte lange, was ich denn machen könnte. Ich war gerade erst umgezogen, ein Millieu hatte ich hier noch nicht. Aber vielleicht konnte ich so eines durch die Kamera suchen und entdecken? Da ich in Grasdorf wohne und eine mehrere hundert Jahre alte Kirche um die Ecke habe, entschied ich mich dazu den örtlichen Pfarrer zu begleiten – um so auch Grasdorf ein Stückchen kennen zu lernen.

Licht und Schatten

In der Bildserie wollte ich mit christlichen Symbolen und Thematiken spielen, während gleichzeitig die formalen & inhaltlichen Kriterien einer Reportage erfüllt werden. Sie sollte zeigen, was Leben und Arbeit eines Pfarrers beinhaltet. Die Serie ist bewusst in schwarz/weiss gehalten, um das ganze etwas klassischer oder ehrfuchtsvoller wirken zu lassen – und um das komische Gelbgrün der Kirchenwände nicht allzu dominieren zu lassen. Folgende Ideen wollte ich in den Bildern unterbringen:

– in einer Linie mit Luther (als evangelischer Pfarrer in dessen Nachfolge)
– Erleuchtung von oben
– Erhöhung vom Pfarrer als geistiges „Oberhaupt“ einer Gemeinde
– in Luthers Schatten
– Größe und Weite vom Glauben
– Ruhe und Vertrauen, Sicherheit
– Licht und Dunkel / Gut und Böse

Ich betone bewusst „gespielt“, denn ich habe diese Elemente nicht genutzt, um eine bestimmte Aussage oder Wertung zu treffen. Ich selbst bin nicht religiös. Mein Großvater war zwar Pfarrer, doch davon habe ich nur eine Abneigung gegenüber organisierter Religion durch meinen Vater geerbt.
Ich wollte für Bildsprache eben nicht nur formal inhaltlich agieren, sondern mit dem Medium arbeiten. Ich wollte mehr, als das reine Bild vermitteln. Die nächste Stufe wäre dann, das ganze bewusst einzusetzen um eine gezielte Aussage zu treffen.
Mit dem Medium, über das Medium.

Glockengeläut

Die Töne aus dem Video stammen auch aus der Kirche in Grasdorf, die Orgelklängen kommen vom Organisten, der gerade übte. Das hat er meines Erachtens auch sehr nötig, mehr als einmal griff er nach den falschen Tasten. Da ich selber fast zehn Jahre lang an einem Tasten-Instrument spielte, sind meine Ohren da etwas empfindlich.

Im Kirchturm von Grasdorf hängen vier Glocken, von denen aber nur eine die Uhrzeit ertönen lässt. Die anderen sind teilweise über hundert Jahre alt und ertönen nur zu Hochzeiten oder Taufen. Ganz oben im Glockenturm ist auch noch ein einhundert Jahre altes Miniatur-Uhrwerk, was man wohl damals dazu benutzte um die korrekte Zeit für die große Uhr einzustellen. Heute läutet ein Computer.