Halle 9 in vier Dimensionen

Das 1. Semester ist vorbei. Zeit für für einen Rückblick auf die Themen, die ich für die Uni produziert habe.Folge 7

Wie fotografiert man Zeit?

Man kann in einzelnem Bild die Bewegung einfangen. Je länger die Belichtung, desto länger die Bewegung im Bild. Auf dem Foto sieht man dann allerdings nur ihre Spuren, ihr Echo in der Fotografie wenn man so will.

Man kann aber auch Zeit fotografieren, indem man alle Elemente im Bild herunterbricht bis nur noch die Zeit übrig bleibt. Bei zwei Bildern, bei denen alles gleich ist, die Perspektive, der Bildwinkel, der Fokus und die Höhe – bei denen ist der Unterschied zwischen den Bildern dann die Dimension der Zeit.

Die Serie ‚Halle9′ entstand für den Kurs Bildsprache. Das übergeordnete Thema war’Architektur‘, mit der konkreten Aufgabe die Architektur der Messe Hannover abzulichten, inkl. des ehemaligen Expo-Geländes. Ich hatte zunächst keine konkrete Idee, war aber interessiert das zu zeigen, was man von der Messe nicht sieht. Also Tunnel, Versorgungswege, unterirdische Gänge unterhalb des Geländes. Um Zugang zu den Tunneln zu bekommen musste ich mich durch das halbe Messebüro telefonieren, bis schließlich der Objektward einwilligte und mich rumführte. Er arbeitet seit über 20 Jahren für die Messe und war sichtlich froh jemanden mal en detail etwas über seine Arbeit und die Hallen zu erzählen.
Ich merkte allerdings schnell, dass die Tunnel niemals eine Serie tragen würden, da sie einfach visuell nicht ansprechend genug waren. Ein Nebensatz vom Objektward brachte mich dann aber auf die finale Idee. Wir standen in der weiten Leere der Halle 9 als er sagt: „….und am Wochenende ist hier eine Veranstaltung drinnen“.

Es brauchte schon einiges an Vorstellungskraft, um sich in der leeren Halle die zahlreichen Stände der Messe vorzustellen. Ich fand diesen Kontrast der Leere gegenüber der übervollen Messe recht spannend und wollte meine Serie darum bauen. Das Ergebnis ist ein Vorher/Nacher der Halle 9.

Ich hatte mir einen Plan der Messehalle geben lassen, an dem ich mich orientierte. Die Sichtachsen sollten den fertigen Gängen entsprechen. Stets die gleiche Höhe und stets die gleiche Brennweite. Die Schwierigkeit war allerdings nur, die selben Bilder 1:1 zu reproduzieren.

Nachdem ich einige Tage zuvor noch Bilder in der leeren Halle gesammelt hatte, kam nun der Tag der Veranstaltung. Ab 7 Uhr könnte ich fotografieren, ab 8 Uhr würde die Veranstaltung schon beginnen und ich müsste draussen sein.
Bevor ich allerdings fotografieren konnte, musste ich nochmal in die Uni, um mir die Fotos der leeren Halle auszudrucken um sie dann nachstellen zu können.

Die Nacht war also kurz. Um 4 Uhr früh stand ich auf, damit ich um 6 Uhr in der Uni sein konnte. Es war die kälteste Nacht des Winters, bis zu -20°C wurde gemessen. Mein Fahrrad sprang bei der Kälte nicht an, also musste ich es bis zur Uni schieben. Ich versuchte es noch an der Straßenbahnhaltestelle, doch als der Zug einfuhr bremste der Fahrer ab, sah mich beim Einfahren an und schüttelte den Kopf. Mit den Händen gestikulierte er nur die Regel, dass man in Hannover nur von 8 bis 15 Uhr Fahhräder mit in die Bahn nehmen durfte. Das es die kälteste Nacht des Jahres und der Zug um 5 Uhr früh nicht mal annährend halb voll war interessierte ihn dabei nicht. Also schob ich das Rad weiter durch die Kälte.

In der Uni waren um die Uhrzeit nur die Putzfrauen. Ich wärmte mich auf und druckte die Bilder aus. Ein angenehmer Zufall war es, dass die Halle 9 genau die Messehalle war, die der Uni am nähsten lag. Einfach über die Straße und schon war ich da. Nur hatte man anscheinend vergessen, dass ich komme.

Die Tür zum Messegelände war zu und mein Kontakt, den ich versuchte zu erreichen, anscheinend beim Frühstück. Ich klopfte ans Fenster doch unten hörte man mich nicht. Irgendwann rief mein Kontakt dann zurück. Er meinte, er kümmert sich drum, es könnte aber dauern. Bis dahin sollte ich warten. In der Kälte.

Als sich die Tür dann endlich öffnete waren meine Lippen blau und ohne Gefühl. Für Fotos war nun nicht mehr viel Zeit, aber zuvor brauchte ich erst was Warmes. Die Sicherheitsleute gaben mir ungern einen Kaffee aus, aber als sie meine Lippen sahen war ihnen klar, dass es nicht anders geht.

Etwas irritiert beobachtete mich die Security mit meiner Kamera. Da ich aber einen Plan in der Hand hatte und ständig mit ausgedruckten Fotos hantierte nahm man einfach an, ich wüsste schon was ich tue.

Zur Sicherheit hatte ich schon mehr Bilder gesammelt, als ich für die Serie brauchte. Denn einige Sichtachsen und Perspektiven waren nun zugestellt. Oder dort, wo ich in der leeren Halle auf einer freien Fläche stand, war nun ein großer Flachbildschirm im Weg.

Die Messe Hannover ist eine Enklave in Laatzen. Das Gelände selbst gehört zu Hannover, aber alles drum herum ist Laatzen. Vom Hauptbahnhof braucht es eine halbe Stunde mit dem Zug zur Expo-Plaza. Von mir in Laatzen-Grasdorf mit dem Fahrrad nur 15 Minuten.

Eine weitere leere Halle

Das Messegelände Hannover ist, laut Reiseführer, das größte Messegelände der Welt. Zwar wird seit der Expo die ganze Größe nicht mehr wirklich gebraucht, doch das Geschäft läuft. Die Cebit nächste Woche ist dabei die größte Veranstaltung.
Alles rund um das Gelände hat sich auf die Messe eingestellt. Einfamilienhäuser vermieten Zimmer für Besucher, die Bahn fährt nach Messe-Fahrplänen.

Die Weltausstellung zur Jahrtausendwende

In Berlin und in gesamt Ostdeutschland spricht man immer von vor oder nach der Wende, wenn von einem einschneidenden zeitlichen Ereignis die Rede ist. In Hannover höre ich oft eine ähnliche Formulierung: man spricht stets von vor oder nach der Expo. Die Weltausstellung, die vor 12 Jahren hier stattfand, ist noch präsent in den Köpfen.

Die Expo 2000 war und ist das größte was in Hannover im neuen Jahrtausend passiert ist. So schnell vergisst man das nicht.
Ich selbst war auf der Expo 2000 als Besucher. Mein Bruder hatte damals hier gearbeitet, was den Vorteil hatte, dass ich mir die langen Schlangen vor den Pavillons sparen konnte.

Heute studiere ich dort, wo mal die Expo war. Dazwischen liegen 11 Jahre, in denen ich nicht einmal an Hannover dachte. So kanns gehen.

An das Expo-Gelände hat nach der Expo auch kaum einer mehr gedacht. Mein Campus ist so gut wie tot, es gibt kaum Läden, Geschäfte oder überhaupt Passanten. Wer hierher kommt, will entweder zur Messe, zu einer der Schulen oder zu den wenigen Büros. Wenn Semesterferien sind und keine Messe stattfindet, sieht man keine einzige Seele auf dem Expo-Gelände. Und die ehemaligen Pavillons zerfallen.

Meine Uni, die FH Hannover, ist kein eigener Pavillon gewesen, sondern ein Global House. Mehr oder weniger ein Ort für Ideen, bei denen es nicht zu einem eigenen Pavillon gereicht hat und der Ort wo Verona Feldbusch, heute Pooth, zum ersten Mal das Wort ‚chillen‘ in einem Werbespot der allgemeinen Bevölkerung bekannt gemacht hat.

Die Geschichte meiner Uni begann also mit Verona Feldbusch und Ideen, die niemals groß werden sollten…

Na dann, auf ins 2. Semester.

Tokyo Reflections

Heute ist ein Interview von mir online gegangen, das ich für das Tokyo Art Beat Magazin mit dem Architekten Christoph Vogel führte:

Tokyo Reflections ist eine geplante öffentliche Ausstellung in der Tokyo Station und dem Shinjuku Imperial Garden, mit spiegelnden Körper, die eine ausgestorbene Alienrasse darstellen.


© cheungvogl

Es ist etwas kompliziert, das in nur einem Satz zusamenzufassen, für Leute die mehr wissen wollen, ist schließlich auch das Interview da:

Interview im Tokyo Art Beat Magazine: -> Tokyo Reflections

Aber an dieser Stelle kann ich mal erzählen, wie es zu dem Interview kam:

Mit einer gewaltigen Prise Web 2.0 fand ich Tokyo Reflections zum ersten Mal. Auf Twitter folge ich vielen Stimmen aus Tokyo, einer von denen entdeckte eine Meldung im Blog von Jean Snow, der sich wiederum auf einen ausführlichen Beitrag im designboom Blog bezog, dem wahrscheinlich ein ebenso ausführlicher Beitrag auf archiCentral voranging.


© cheungvogl

Als Fan von Architektur, Kunst, Tokyo und abgefahrenen Sachen, fand ich das natürlich sehr geil, und wollte mehr wissen. Ich wandte mich ans metropolis magazine, die allerdings auch nicht mehr wussten, als da stand, und erst etwas bringen wollten, wenn es stattfindet.
‚Wann‘ das ganze stattfindet, stand in keinem der Blogs. Also fragte ich meinen Kontakt, den ich zu Offiziellen der Stadt Tokyo habe, ob die genaueres wissen. Die guckten dann auf die Homepage vom Architektenbüro (die selbst in Hong Kong sitzen) und stellten fest, dass einer der beiden leitenden Architekten Deutscher ist. Man schlug mir vor, doch einfach mal selbst nachzufragen. Ich ging also direkt zur Quelle.


© cheungvogl

Der Kontakt wurde recht schnell recht freundschaftlich (und der Architekt wurde schnell Fan von meinem Blog 😉 ). Ich hatte bei dem Tokyo Art Beat Magazine vorher schon angefragt, ob sie was über das Projekt wussten, oder schonmal was drüber gebracht haben. Sie wussten nix, waren aber umso interessierter daran. Da das Ganze aber auf englisch sein musste, musste ich all meine Fragen die ich auf Deutsch schon beantwortet bekommen hatte, noch einmal auf englisch stellen.


© Tomo Yun/cheungvogl

Leider gibt es noch kein konretes Datum, wann wir Aliens neben Salarymen sehen werden. Aber wenn in einem Land auf dieser Erde, jemals Aliens neben Anzugträgern auf einem Bahnsteig stehen, dann definitiv in Japan.

Interview im Tokyo Art Beat Magazine: -> Tokyo Reflections

Die Untergrund-Zitadelle von Tokyo

Nördlich von Tokyo in Saitama verläuft das Tokyo „G-Cans“ Projekt: eine Reihe von riesigen Untergrund-Gewölben, die im Falle einer Überflutung der lokalen Flüsse, das Wasser aufnehmen und in ihren gigantischen Hallen stauen sollen.

Ich hatte vor einer Weile mal „Tokyo“ und „blog“ gegoogelt, um mich über die Stadt ein wenig zu informieren. Ich kam da unter anderem auf den sehr lesenswerten BLDGBLOG (Building-Blog), der sich mit fantastischer und innovativer Architektur auseinandersetzt. Ein Artikel aus dem Jahre 2005 beschreibt nun die „Pillars of Tokyo“, mit Fotos, die mich neugierig machten:


Quelle: BLDGBLOG / G-Cans Project

In den Kommentaren unter dem Artikel munkelt man schon:

Anonymous David Knight said…

I think these are fakes.

Ich wollte mehr wissen, und fragte bei der Redaktion nach, für die ich hier arbeite. Die wussten auch nicht wirklich weiter, wollten mich aber auf dem Laufenden halten, wenn etwas dazu reinkommen sollte. Beruhigt wand ich mich anderen Dingen zu.

Ich hab hier eine Japanerin als Sprachpartner, ich bring ihr Deutsch bei, und sie mir Japanisch. Sie ist Architektin von Beruf und dementsprechend an solchen Gebäude interessiert. Zufällig hatte sie nun vom Tag der offenen (Keller)Tür von diesem Gewölbe gehört, und sie lud mich ein mitzukommen.

Ich überlegte nicht lange.

In einem wirklich heftigen Regen machten wir uns auf nach Saitama.

Saitama liegt ungefähr eine Zugstunde von Tokyo entfernt, auch wenn es immer noch zum Gebiet „Greater Tokyo“ gezählt wird. Viele Pendler wohnen dort, weshalb die deutsche Wikipedia Saitama putzigerweise als „eine große Schlafstadt für die Metropole“ bezeichnet.

An diesem Tag gab es auch einen kostenlosen Shuttle-Bus, direkt zum Gewölbe. Der Andrang war dementsprechend groß.

Die Wartezeiten waren allerdings überraschen kurz. Es passten halt wirklich genug Leute auf einmal hinein. Nebenan war eine Karaoke-Bar, deren Tür offenstand. Eine Japanerin, die hörbare Probleme hatte den Ton zu halten, sorgte für die musikalische Untermalung.

Das Gebäude oben sieht ziemlich unscheinbar aus, interessanter wird es, wenn man die 100 Stufen in einem kahlen Beton-Gang hinuntergeht:

Direkt links davon begann schon das Gewölbe:


(größere Ansicht)

Der eingangs erwähnte Regen drang auch in die Tiefen vor und machte aus dem staubigen Boden einen einzigen großen Spiegel.

Über 60m tief in der Erde und über 25m hoch spannt sich die Decke über steinerne Riesensäulen.

Alle hatten ihre Kameras dabei, um auch nur einen pixeligen Bruchteil dieses gigantischen Apparats in ihrem kleinen Display mit nach Hause zu nehmen.

Nun ist das hier Japan, und so ganz ohne eine kleine Prise WTF?! geht es selbst hier unten nicht.
So gab es eine kleine Musik-Kombo, die Weihnachtslieder(!) spielte:


(coole Akustik im übrigen)

Und es lagen auch ein paar Manga-Zeichnungen rum, die mit kleinen Ninjas(!) die Geschichte von dem Gebäude erzählten.

Ohne die Architektin als meine Begleitung (auf dem Foto oben in der Mitte) wär ich allerdings recht aufgeschmissen gewesen, denn es gab absolut gar keine englischen Hinweise oder Übersetzungen. Ich hätte auch nicht gewusst, dass es eine kostenlose Shuttle-Bus Verbindung gibt. Also nochmal vielen Dank an dieser Stelle!

Ich musste, während ich da unten war, oft an den Klassiker „Metropolis“ von Fritz Lang denken (grundsätzlich seitdem ich in Tokyo bin fühle ich mich oft an die dort dargestellte Gigantomanie und durchstrukturierte Gesellschaft erinnert….). Wenn man die Fotos schwarz-weiß macht, fällt es noch eher auf, finde ich.

Eine(!) Frau hatte es sich nun zur Aufgabe gemacht, das ganze Wasser zu verteilen und den Boden zu säubern. Sie sauste nun mit ihrem Besen hin und her:

Mit purer Begeisterung:

Wie ein Mensch allein das Ganze Ding säubern will ist mir schleierhaft, wir sind doch so klein verglichen mit diesen riesigen Beton-Säulen.

Die Architektin wollte am liebsten ewig dort bleiben. Doch irgendwann war die Speicherkarte voll und die Motive varrierten nicht sonderlich. Wir gingen also wieder die 100 Stufen hoch.
Draußen hatte der Regen inzwischen aufgehört und es fand ein Matsuri statt. Die Veranstalter müssen wohl geglaubt haben, dass ein riesiges Gebäude alleine nicht genügend Unterhaltungspotential hat, und deswegen haben sie ein paar Tänzer angeheuert und Fressbuden aufgestellt. Und ähm… in die Jahre gekommene Maids:

Die Kiddies fandens toll.

Und ich ebenso. Endlich wieder Yakisoba!

-> Wikipedia-Eintrag zum Projekt

-> Offizielle Seite (englisch)
(Wer vorbeischauen will, muss sich vorher anmelden)