Am vergangenen Wochenende war es wieder soweit: Die Design Festa lud junge, kreative Künstler in die Tokyo Big Sight ein. Genaueres zur Design Festa, was genau sie ist und warum ich sie so großartig finde, lässt sich im Artikel über die letzte Design Festa im Oktober 2009 hier lesen. Von daher beschränk ich mich hier mal auf dieses Jahr.
Seit der letzten Design Festa ist einiges passiert. Ich hab die Macher und den Chef kennengelernt, und auch die deutsche Künstlerin, die dort arbeitet. Sayuri und die Band FLAVA habe ich dort zum ersten Mal gehört und sie im vergangenen halben Jahr ab und an begleitet. Ich hab auch mehr und mehr junge Kunst abseits der Festa entdecken können, die ist in Tokyo zwar immer etwas versteckt, aber dann doch da.
Doch die Design Festa ist dann doch einmalig. Diese Atmosphäre, dieser direkte Kontakt zu den Künstlern und die Möglichkeiten ihre Werke direkt zu kaufen und sie somit zu unterstützten – dazu all die gute Laune und verrückte Künstler in bunten Kostümen.
Gehen wir mal auf einen kleinen Rundgang durch die Festa…
Ich hatte allerdings auch ein paar Termine an dem Tag, und Menschen, die ich treffen sollte. Von daher tauchte ich schon recht früh auf der Festa auf, auch wenn ich dann noch ewig auf eben diese Menschen warten musste. Umso mehr Zeit hatte ich, dem Musikprogramm im Zentrum zu lauschen. Es trat auf: Ein Samurai-Rocker
Der Sänger guckte immer grimmig hinter seinem Make-Up hervor, der Gitarrist gab sich auch Mühe, hinter der Sonnenbrille so böse wie möglich zu gucken.
Soweit ich das verstanden habe, haben die alte Rocknummern u.a. aus Anime gespielt. Komplett mit merkwürdiger Hand-Choreografie, die einige aus dem Publikum perfekt mitmachen konnten.
Es kam dann noch ein Cosplayer auf die Schaufläche, den ich schon durch die Festa hab marschieren sehen. Er gehörte zwar nicht zur Band, doch der Samurairocker sang grad das Intro zum Anime aus dem der Mecha stammt.
Der hier heisst Mazinga und stammt aus dem gleichnamigen Anime, der Anfang der 70er Jahre produziert wurde und einer der ersten Mecha-Anime war.
Mit Japanern und Robotern ist das ja immer so ne Sache, von daher kannte ihn auch jeder im Publikum und alle riefen zum Song im Chor „Gassan, gassan!“ und hoben die Faust.
Popkultur im kollektiven Gedächtnis, und alle feuern den Robo an. Der Samurai Rocker indes präsentierte seine Mädels, die selbstgeschneiderte Klamotten vorführten.
Wie auf nem Catwalk liefen sie ständig auf und ab, und posierten für die Fotografen in den kämpferischsten Posen.
Der Samurai hatte sich inzwischen seine Daimyo Jacke übergezogen und holte sein Schwert raus. Er versuchte dann aufmerksamkeitswirksam einen Stuhl zu zerlegen.
Mazinga kam dann, nahm den Stuhl und stellte ihn wieder in die Reihe, schließlich ist er Beschützer von Recht und Ordnung. Daraufhin ging der Samurai dann auf den Mecha zu.
Hinterrücks zog er ihm das Schwert über den Kopf und zerlegte sein halbes Kostüm. Man konnte deutlich sehen, dass das so vorher nicht abgesprochen war und der Robo sich vor Überraschung auf den Boden lag und aufgab.
Der Samurai triumphierte, indem er sich halbnackt auszog und ins Mikro brüllte.
Das Publikum rief aber Mazinga’s Namen, er rappelte sich wieder auf, rückte sein Kostüm zurecht und gemeinsam begannen sie die letzten Takte.
Samurai gegen Roboter, während Mädels in Kostümen Schwerte präsentieren… Only in Japan…
Allerdings zeigt das auch ein gewisse Freiheit, sich einfach mal nem kindischen Spaß hinzugeben. Im Publikum saßen und jubelten Menschen von 12-70 Jahren, und alle konnten sich dafür begeistern. In Deutschland kann ich mir so eine kollektive Begeisterung für eine 40 Jahre alte Zeichentricksendung nicht vorstellen.
Apropos Begeisterung: Es gab ein Wiedersehen mit Sayuri.
Sie hatte mir zwei Tage vorher eine SMS geschickt, sie singt auf der Design Festa und würde sich freuen, wenn ich vorbei komme. Ich stutzte, hatte ich nicht gerade ihr letztes Konzert fotografiert? Der Blogeintrag dazu war gerade einmal ein paar Stunden alt, als ihre Nachricht kam.
Es stellte sich heraus, dass sie über die Golden Week Anfang Mai ein Spontan-Projekt angegangen ist, mit einem etwas älteren Gitarristen, und auch noch kurz vorher eine CD mit 5 Songs aufgenommen hat.
Ihr positiver Tatendrang erstaunt mich immer wieder.
Ich kam zwar etwas zu spät, da sie mir die falsche Zeit sagte, und auf dem Weg dorthin konnte ich schon ihre Stimme durch die Halle hören.
Sie war wieder mit Freude bei der Sache und ließ sich von den vielen Passanten nicht irritieren.
Auf einmal kamen kostümierte Gestalten vorbei, wobei das dann allerdings normal ist auf der Design Festa.
Sayuri ließ sich nicht ablenken und die Gruppe wäre auch weiter gegangen, hätte der kleinste der Gruppe nicht spontan großen Gefallen an ihrer Musik gefunden.
Doch Sayuri ließ sich nicht beirren.
Nach dem Auftritt sprachen wir noch kurz, es blieb nicht wirklich viel Zeit. Ich wollte mir die tausenden Künstlern anschauen, meine Begleitung drängte ebenso und Sayuri rann zwischen ihren Fans hin und her und verteilte Autogramme.
Während beim Konzert noch alles prima auf englisch klappte, bestand sie nun darauf, nur noch Japanisch mit mir zu reden. Auch ihre Nachricht war teils englisch, teils in Kanji. Sie versucht damit zu erreichen, dass ich mein Japanisch verbessere. Was die Kommunikation allerdings nicht leichter macht 😉
Der nächste Auftritt war um 18 uhr, also kurz vor Schluss. Wir versprachen nochmal vorbeizukommen und stürzten uns ins Getümmel.
Ich hatte ihn gefragt, ob alles in Ordnung ist, so traurig wie er ausschaut. Er schüttelte den quadratischen Kopf. Was sei denn los, fragte ich, und er holte nur ein Pappschild raus.
Meine Begleitung übersetzte es mir: Bitte kauft etwas. Schöne Idee =) Und es klappte sogar.
Gegen Ende des Abends traf ich ihn dann nochmal, dann allerdings ohne Träne im Gesicht. Scheint wohl guten Umsatz gemacht zu haben 😉
Bei der Design Festa ist es so, dass man einen kleinen Bereich mietet. Die kleinste Einheit ist 60x90cm. Was man dann auf dem Bereich macht, und wie hoch man stapelt, dem sind keine Grenzen gesetzt. Besonders clevere Künstler haben so Figuren o.ä. in die Höhe gesetzt, die genau auf ihren Stand aufmerksam machen. Wie z.b. das Mädchen mit Rotz in der Nase am Stiel.
Livepainting war auch diesmal eine große Sache. Letztes Jahr waren wir ja am Samstag, also am 1. Tag, da, wo die Zeichnungen gerade im Anfangsstadium waren. Nun waren wir am 2. Tag da, und die meisten Zeichnungen schon komplett.
Manchmal auch mit Live-Musik.
Es gab auch Schauspiel-Vorführungen.
Die Truppe hier stellte Hayao Miyazaki’s großartigen Anime „Nausica of the Valley of the Wind“ dar, mit einem engagierten Erzähler zwischendrin.
Die Schlussszene, wo die Ohmu die verwundete Nausica hochheben
Hat bestimmt gegen diverse Copyright Regeln verstoßen, doch den Zuschauern wars egal. Mir ebenso, es hat mich sehr unterhalten, wie ein Anime mit Körpersprache erzählt wird.
Es gab einen Künstler, der hatte lauter kleine, detailverliebte Miniaturen geschaffen.
Ein ganz großes Highlight für mich war allerdings er hier:
Sein Kopf bzw. sein Gesicht war ein Bildschirm, der die Gesichtsausdrücke schnell und fließend ändern konnte, je nachdem was sein echtes Gesicht dahinter macht. Einfach nur faszinierend, dazu kam seine Stimme gefiltert, wie von einer Computerstimme gesprochen. Als ob man mit einem echten Roboter spricht.
Gegen Abend wurden die Stände langsam eingepackt und Künstler, die zwei Tage lang nur kreativ waren, schliefen teilweise in ihren Buden ein.
Er wachte kurz nach dem Foto wieder auf 😉
Erschöpft waren auch wir. Zu Sayuris Abendvorstellung ließen wir den Tag nochmal Revue passieren. Vorallem ich hatte wiedermal viel Geld für Kunst ausgegeben, auch wenn mir das alles noch nicht genug war. Ich wollte noch hier und da und dort Geld ausgeben. In der Retrospektive war ein wenig Zurückhaltung allerdings nicht verkehrt.
Was ich alles gekauft habe kommt dann evtl in einem zweiten Post.
Als die Band dann abräumte, malte eine befreundete Künstlerin noch eine Sayuri auf die leere Wand.
Ich bat sie daneben zu posieren.
Meine Begleitung drängte auf einen Heimweg. Eines wollte ich allerdings noch mitnehmen. Nachdem ich den ganzen Tag eher uninteressante Fotografen gesehen habe, wollte ich noch zum Stand von einem Mädel, die mich echt beeindruckt hat.
Sie hatte sich auf Cosplay-Fotografie spezialisiert, hatte allerdings einen sehr interessanten Stil. Cosplay stammt aus der bunten Welt des Anime, die Fotos sind meistens auch quietschbunt. Sie hier hat allerdings die Sättigung stark runtergeschraubt, was dem ganzen eine interessante, realistische Note verpasst.
Ich hab versucht ihr meine Analyse und Lob auf Japanisch zu erklären, wand mich dann aber hilfesuchend auf Englisch an meine Begleitung. Auf einmal antwortet die Fotografin in fließenden Englisch und meint dazu, sie hätte ein Jahr in den USA verbracht. Das hätte sie ruhig mal früher sagen können…
Sie ist nicht professionell, ich hab ihr aber stark dazu geraten. Der Ansatz und die Umsetzung sind großartig gelungen. Und es gibt weitaus schlechtere Fotografen, die Geld für ihre Bilder verlangen.
Ich verlange zwar, bekomm aber selten welches. Weiss grad nicht wo mich das dann einordnet…
-> Homepage der Fotografin: hier
Dann gingen die Lichter in den drei großen Sälen aus und alle, die noch da waren, Künstler, Zuschauer, Genießer, alle applaudierten zum Abschluss. Und die Dankbarkeit von Hunderten für ein tolles Wochenende schallte durch die Hallen.
Raus aus der Big Sight begrüßte uns dann ein wunderschöner Sichelmond.
Ein passender Abschluss für einen wirkliche wunderbaren Tag. Auch wenn sich das hier vielleicht nicht so rauslesen lässt, und mein Deutsch heut irgendwie im Eimer ist, ich war doch wiedermal sehr begeistert und bedaure, dass es zur Zeit nicht absehbar ist, wann ich meine nächte Design Festa erleben werde.