Kunst, Kommerz und kleine Mädchen

Was ich mir bei der letzten Design Festa gegönnt habe.

(C) John Hathway

Da hier im Haus irgendwie auch ein Scanner aufgetaucht ist, sind die Werke diesmal alle eingescannt, statt abfotografiert wie im letzten Jahr, was eine enorme Qualitätssteigerung bedeutet. Je nach Möglichkeit versuche ich auch auf die Website des Künstlers zu verlinken.


(C) monchihoshi

Dieser sanfte Strich und das traditionelle Format hat mir sehr gefallen. Sie hatte auch große Poster, doch die lagen etwas außerhalb meines Budgets…

->wunderschön gestaltet Website der Künstlerin


(C) Nakai tomoyasu

Er hier hatte eine ganze Wand mit einem pseudo-europäischen Fantasy Stadt-Panorama gemalt, insgesamt 1,5m hoch und 6m breit. Das Bild hier oben ist nur ein colorierter Ausschnitt. Pro Ausschnitt brauchte er ungefähr einen Monat.

->Website des Künstlers mit der unmöglichen Adresse http://adam69eve1224.run.buttobi.net/


(C) Lee hwa

Postkarte einer koreanischen Künstlerin. Koreaner gab es dieses Jahr viele auf der Festa, ist halt eben international. Dicke Amis gabs auch, aber die hatten wenig Erfolg.

->Website der Künstlerin (koreanisch)


(C) Toshiharu Shirakaba

Er hatte einige großformatige Bilder, die große Szenen erzählten. Teilweise drifteten einige schon in den Kitsch ab, aber die Trennung zwischen Kunst und Kitsch ist da bei vielen Werken auf der Design Festa schwer auszumachen…

->Website des Künstlers


(C) ShortCake On the Strawberry

Das hier wurde von der Manga-Zeichnerin gemacht, die auch für Sayuri von Flava die Zeichnungen macht. Sie hatte einen eigenen Stand mit lauter kleinen Karten von Menschen aus Adachi. Adachi ist ein Viertel im Norden von Tokyo, aus dem Sayuri stammt und in der sie manchmal singt. Wie genau das alles zusammenhängt versteh ich zwar noch nicht, doch von diversen jungen Künstlern aus Adachi gibt es eben diese Karten.

Ich kannte ja nur Sayuri, also wollte ich ihre Karte. Welches Motiv man allerdings bekommt, ist Zufall, da man einfach in ne Kiste greifen muss. Ein andere Fan von Sayuri zeigte mir kurz zuvor stolz seine Sammlung an Karten, er hatte oft in die Kiste gegriffen um eben genau die eine Karte zu erwischen.
Ich griff nun rein und bekam den Teddy. Der war zwar absolut selten und rar, doch er war nicht was ich wollte. Ich griff also nochmal rein und bekam…. Die selbe Karte. Das waren vielleicht die einzigen beiden Teddies in der Grabbelkiste und ich erwischte beide.

Die Manga Zeichnerin sah meine Frustration ein und gab mir eine andere Karte zum Tausch.


(C) ShortCake On the Strawberry

Die Spezialkarte, komplett mit kleinen Bilderrahmen.
Ich ging dann sofort zu dem anderen Fan mit den vielen Karten und zeigte ihm meine Erungenschaft 😉

Auf der Rückseite fanden sich dann die Daten zur Person, welche Musik sie spielen und wie hoch ihr „Powerlevel“ ist…


(C) ShortCake On the Strawberry

Der Teddy ist übrigens ein Selbstportrait der Zeichnerin.

->Website zur Künstlerin

Kommen wir zu dem Highlight, dass auch den Blogeintrag eröffnete:


(C) John Hathway

Diese Werke haben mich echt beeindruckt. Der ganze Stand war voller großformatiger Drucke. Diese urbane, futuristische, völlig überladene und mit stürzenden Linien gefüllte Vision eines Tokyo, und mittendrin kleine Mädchen – das ist alles so japanisch, irgendwie.


(C) John Hathway

Für die großen Drucke fehlten mir das Geld, daher kaufte ich das Artbook, aus dem ich die Bilder hier gescannt hab. Dazu kam auch eine DVD und ein Manga.


(C) John Hathway

->Website des Künstlers

Ich find diese Dinger so genial, weil sie mit Mitteln der Popkultur und Manga-Ästhetik einen anderen, künstlerischen Blick auf das moderne Tokyo werfen. So sehe ich das Bild. Vielleicht verkläre ich auch nur die Popkultur zur Kunst und halte des Künstlers Vorliebe für kleine Mädchen (…) für einen cleveren Kommentar zur Überästhetisierung, -sexualisierung und den allgemeinen moe-Boom in Manga & Anime.

Doch, nunja, wie heisst es so schön: Kunst liegt nunmal im Auge des Betrachters.

Rockende Samurai und Robotmenschen – Design Festa vol. 31


Am vergangenen Wochenende war es wieder soweit: Die Design Festa lud junge, kreative Künstler in die Tokyo Big Sight ein. Genaueres zur Design Festa, was genau sie ist und warum ich sie so großartig finde, lässt sich im Artikel über die letzte Design Festa im Oktober 2009 hier lesen. Von daher beschränk ich mich hier mal auf dieses Jahr.

Seit der letzten Design Festa ist einiges passiert. Ich hab die Macher und den Chef kennengelernt, und auch die deutsche Künstlerin, die dort arbeitet. Sayuri und die Band FLAVA habe ich dort zum ersten Mal gehört und sie im vergangenen halben Jahr ab und an begleitet. Ich hab auch mehr und mehr junge Kunst abseits der Festa entdecken können, die ist in Tokyo zwar immer etwas versteckt, aber dann doch da.
Doch die Design Festa ist dann doch einmalig. Diese Atmosphäre, dieser direkte Kontakt zu den Künstlern und die Möglichkeiten ihre Werke direkt zu kaufen und sie somit zu unterstützten – dazu all die gute Laune und verrückte Künstler in bunten Kostümen.

Gehen wir mal auf einen kleinen Rundgang durch die Festa…

Ich hatte allerdings auch ein paar Termine an dem Tag, und Menschen, die ich treffen sollte. Von daher tauchte ich schon recht früh auf der Festa auf, auch wenn ich dann noch ewig auf eben diese Menschen warten musste. Umso mehr Zeit hatte ich, dem Musikprogramm im Zentrum zu lauschen. Es trat auf: Ein Samurai-Rocker

Der Sänger guckte immer grimmig hinter seinem Make-Up hervor, der Gitarrist gab sich auch Mühe, hinter der Sonnenbrille so böse wie möglich zu gucken.

Soweit ich das verstanden habe, haben die alte Rocknummern u.a. aus Anime gespielt. Komplett mit merkwürdiger Hand-Choreografie, die einige aus dem Publikum perfekt mitmachen konnten.

Es kam dann noch ein Cosplayer auf die Schaufläche, den ich schon durch die Festa hab marschieren sehen. Er gehörte zwar nicht zur Band, doch der Samurairocker sang grad das Intro zum Anime aus dem der Mecha stammt.

Der hier heisst Mazinga und stammt aus dem gleichnamigen Anime, der Anfang der 70er Jahre produziert wurde und einer der ersten Mecha-Anime war.


Quelle

Mit Japanern und Robotern ist das ja immer so ne Sache, von daher kannte ihn auch jeder im Publikum und alle riefen zum Song im Chor „Gassan, gassan!“ und hoben die Faust.

Popkultur im kollektiven Gedächtnis, und alle feuern den Robo an. Der Samurai Rocker indes präsentierte seine Mädels, die selbstgeschneiderte Klamotten vorführten.

Wie auf nem Catwalk liefen sie ständig auf und ab, und posierten für die Fotografen in den kämpferischsten Posen.

Der Samurai hatte sich inzwischen seine Daimyo Jacke übergezogen und holte sein Schwert raus. Er versuchte dann aufmerksamkeitswirksam einen Stuhl zu zerlegen.
Mazinga kam dann, nahm den Stuhl und stellte ihn wieder in die Reihe, schließlich ist er Beschützer von Recht und Ordnung. Daraufhin ging der Samurai dann auf den Mecha zu.

Hinterrücks zog er ihm das Schwert über den Kopf und zerlegte sein halbes Kostüm. Man konnte deutlich sehen, dass das so vorher nicht abgesprochen war und der Robo sich vor Überraschung auf den Boden lag und aufgab.
Der Samurai triumphierte, indem er sich halbnackt auszog und ins Mikro brüllte.

Das Publikum rief aber Mazinga’s Namen, er rappelte sich wieder auf, rückte sein Kostüm zurecht und gemeinsam begannen sie die letzten Takte.

Samurai gegen Roboter, während Mädels in Kostümen Schwerte präsentieren… Only in Japan…

Allerdings zeigt das auch ein gewisse Freiheit, sich einfach mal nem kindischen Spaß hinzugeben. Im Publikum saßen und jubelten Menschen von 12-70 Jahren, und alle konnten sich dafür begeistern. In Deutschland kann ich mir so eine kollektive Begeisterung für eine 40 Jahre alte Zeichentricksendung nicht vorstellen.

Apropos Begeisterung: Es gab ein Wiedersehen mit Sayuri.

Sie hatte mir zwei Tage vorher eine SMS geschickt, sie singt auf der Design Festa und würde sich freuen, wenn ich vorbei komme. Ich stutzte, hatte ich nicht gerade ihr letztes Konzert fotografiert? Der Blogeintrag dazu war gerade einmal ein paar Stunden alt, als ihre Nachricht kam.

Es stellte sich heraus, dass sie über die Golden Week Anfang Mai ein Spontan-Projekt angegangen ist, mit einem etwas älteren Gitarristen, und auch noch kurz vorher eine CD mit 5 Songs aufgenommen hat.
Ihr positiver Tatendrang erstaunt mich immer wieder.


links der Gitarrist


der bekannte Drummer

Ich kam zwar etwas zu spät, da sie mir die falsche Zeit sagte, und auf dem Weg dorthin konnte ich schon ihre Stimme durch die Halle hören.

Sie war wieder mit Freude bei der Sache und ließ sich von den vielen Passanten nicht irritieren.

Auf einmal kamen kostümierte Gestalten vorbei, wobei das dann allerdings normal ist auf der Design Festa.

Sayuri ließ sich nicht ablenken und die Gruppe wäre auch weiter gegangen, hätte der kleinste der Gruppe nicht spontan großen Gefallen an ihrer Musik gefunden.

Doch Sayuri ließ sich nicht beirren.

Nach dem Auftritt sprachen wir noch kurz, es blieb nicht wirklich viel Zeit. Ich wollte mir die tausenden Künstlern anschauen, meine Begleitung drängte ebenso und Sayuri rann zwischen ihren Fans hin und her und verteilte Autogramme.

Während beim Konzert noch alles prima auf englisch klappte, bestand sie nun darauf, nur noch Japanisch mit mir zu reden. Auch ihre Nachricht war teils englisch, teils in Kanji. Sie versucht damit zu erreichen, dass ich mein Japanisch verbessere. Was die Kommunikation allerdings nicht leichter macht 😉

Der nächste Auftritt war um 18 uhr, also kurz vor Schluss. Wir versprachen nochmal vorbeizukommen und stürzten uns ins Getümmel.

Ich hatte ihn gefragt, ob alles in Ordnung ist, so traurig wie er ausschaut. Er schüttelte den quadratischen Kopf. Was sei denn los, fragte ich, und er holte nur ein Pappschild raus.

Meine Begleitung übersetzte es mir: Bitte kauft etwas. Schöne Idee =) Und es klappte sogar.
Gegen Ende des Abends traf ich ihn dann nochmal, dann allerdings ohne Träne im Gesicht. Scheint wohl guten Umsatz gemacht zu haben 😉

Bei der Design Festa ist es so, dass man einen kleinen Bereich mietet. Die kleinste Einheit ist 60x90cm. Was man dann auf dem Bereich macht, und wie hoch man stapelt, dem sind keine Grenzen gesetzt. Besonders clevere Künstler haben so Figuren o.ä. in die Höhe gesetzt, die genau auf ihren Stand aufmerksam machen. Wie z.b. das Mädchen mit Rotz in der Nase am Stiel.

Livepainting war auch diesmal eine große Sache. Letztes Jahr waren wir ja am Samstag, also am 1. Tag, da, wo die Zeichnungen gerade im Anfangsstadium waren. Nun waren wir am 2. Tag da, und die meisten Zeichnungen schon komplett.

Manchmal auch mit Live-Musik.

Es gab auch Schauspiel-Vorführungen.

Die Truppe hier stellte Hayao Miyazaki’s großartigen Anime „Nausica of the Valley of the Wind“ dar, mit einem engagierten Erzähler zwischendrin.


Die Schlussszene, wo die Ohmu die verwundete Nausica hochheben

Hat bestimmt gegen diverse Copyright Regeln verstoßen, doch den Zuschauern wars egal. Mir ebenso, es hat mich sehr unterhalten, wie ein Anime mit Körpersprache erzählt wird.

Es gab einen Künstler, der hatte lauter kleine, detailverliebte Miniaturen geschaffen.

Ein ganz großes Highlight für mich war allerdings er hier:

Sein Kopf bzw. sein Gesicht war ein Bildschirm, der die Gesichtsausdrücke schnell und fließend ändern konnte, je nachdem was sein echtes Gesicht dahinter macht. Einfach nur faszinierend, dazu kam seine Stimme gefiltert, wie von einer Computerstimme gesprochen. Als ob man mit einem echten Roboter spricht.

Gegen Abend wurden die Stände langsam eingepackt und Künstler, die zwei Tage lang nur kreativ waren, schliefen teilweise in ihren Buden ein.


Er wachte kurz nach dem Foto wieder auf 😉

Erschöpft waren auch wir. Zu Sayuris Abendvorstellung ließen wir den Tag nochmal Revue passieren. Vorallem ich hatte wiedermal viel Geld für Kunst ausgegeben, auch wenn mir das alles noch nicht genug war. Ich wollte noch hier und da und dort Geld ausgeben. In der Retrospektive war ein wenig Zurückhaltung allerdings nicht verkehrt.
Was ich alles gekauft habe kommt dann evtl in einem zweiten Post.

Als die Band dann abräumte, malte eine befreundete Künstlerin noch eine Sayuri auf die leere Wand.

Ich bat sie daneben zu posieren.

Meine Begleitung drängte auf einen Heimweg. Eines wollte ich allerdings noch mitnehmen. Nachdem ich den ganzen Tag eher uninteressante Fotografen gesehen habe, wollte ich noch zum Stand von einem Mädel, die mich echt beeindruckt hat.


Quelle

Sie hatte sich auf Cosplay-Fotografie spezialisiert, hatte allerdings einen sehr interessanten Stil. Cosplay stammt aus der bunten Welt des Anime, die Fotos sind meistens auch quietschbunt. Sie hier hat allerdings die Sättigung stark runtergeschraubt, was dem ganzen eine interessante, realistische Note verpasst.

Ich hab versucht ihr meine Analyse und Lob auf Japanisch zu erklären, wand mich dann aber hilfesuchend auf Englisch an meine Begleitung. Auf einmal antwortet die Fotografin in fließenden Englisch und meint dazu, sie hätte ein Jahr in den USA verbracht. Das hätte sie ruhig mal früher sagen können…


Quelle

Sie ist nicht professionell, ich hab ihr aber stark dazu geraten. Der Ansatz und die Umsetzung sind großartig gelungen. Und es gibt weitaus schlechtere Fotografen, die Geld für ihre Bilder verlangen.

Ich verlange zwar, bekomm aber selten welches. Weiss grad nicht wo mich das dann einordnet…

-> Homepage der Fotografin:
hier

Dann gingen die Lichter in den drei großen Sälen aus und alle, die noch da waren, Künstler, Zuschauer, Genießer, alle applaudierten zum Abschluss. Und die Dankbarkeit von Hunderten für ein tolles Wochenende schallte durch die Hallen.

Raus aus der Big Sight begrüßte uns dann ein wunderschöner Sichelmond.

Ein passender Abschluss für einen wirkliche wunderbaren Tag. Auch wenn sich das hier vielleicht nicht so rauslesen lässt, und mein Deutsch heut irgendwie im Eimer ist, ich war doch wiedermal sehr begeistert und bedaure, dass es zur Zeit nicht absehbar ist, wann ich meine nächte Design Festa erleben werde.

Fritze hier und anderswo

Was für ein Wetter! Übers Wetter bloggen ist zwar genauso belanglos wie übers Wetter zu reden, doch es funktioniert immer gut als Small-Talk-Einstieg, so auch hier.Der Regen der letzten Woche hatte ja eher Hausarrest erteilt, ja es hat sogar geschneit! Meinen Orangenbaum musste ich vom Dach retten, der verträgt die Kälte nicht so sehr. Stellte ihn dann ins Warme wo meine Mitbewohner fasziniert das neue Leben begutachteten, dass ich ins Haus brachte. Ich hoffe er blüht noch solange ich in Tokyo bin… Seit zwei Tagen lacht auch wieder die Sonne. Das ist gut für meinen Orangenbaum und für Fotos, von daher war ich jetzt die Tage unterwegs. Unter anderem hier:

Um das zu Erklären muss ich weiter ausholen:
Für ein deutsches Manga-Magazin mache ich derzeit eine Art monatlichen Tokyo Guide. Ich stelle bestimmte Stadtteile in Text und Bild vor und gehe gegebenfalls auf Manga- und Jugendrelevante Themen ein. Das ist eigentlich ganz interessant, ich setz mich intensiv mit den Stadtteilen von Tokyo auseinander, und es kommen gute Bilder bei heraus, die ich auch andersweitig anbieten kann. Den Anfang machte Shinjuku.

Was ein Heimspiel war, da ich ja schon über ein halbes Jahr hier lebe.

Als nächstes war Harajuku dran. Überrascht vom regenfreien Nachmittag machte ich mich auf den Weg ein paar Sachen abzudecken. Alles konnte ich nicht mitnehmen, aber schonmal ein bisschen Vorarbeit leisten solange die Sonne scheint. Als erstes wollte ich zur Design Festa Gallery.

Über das Festival ‚Design Festa‘, dass zweimal im Jahr in Tokyo stattfindet und für junge Kreative eine Bühne bietet, hatte ich ja bereits schon sehr begeistert geblogt. Zusätzlich zum Festival gibt es eine Gallerie, die ganzjährig geöffnet ist, und deren bunte Fassade ganz laut „Kreativität!“ in den grauen Tokyoter Stadt-Dschungel schreit. Von vielen Guides zu Harajuku wird das Haus gern mal übersehen, doch mir war es wichtig, es reinzunehmen.

Ich geh also durchs Haus, schau mir begeister alles an, und es kommt ein Gaijin vorbei, der mich fragt, was ich hier mache. Ich bin Journalist, sage ich, und möchte etwas über die Design Festa Gallery schreiben. Er bekam ganz große Augen und brachte mich zum Chef. Der übliche Small Talk und meishi Austausch fand statt und dann wurde mir gesagt „ach übrigens, hier arbeitet auch jemand aus Deutschland“. Zwei Teutonen in der Fremde mussten natürlich einander vorgestellt werden, und die deutsche Dame die hier arbeitete war auch sichtlich erfreut, endlich mal wieder Deutsch sprechen zu können – noch dazu mit einem Kollegen. Sie war auch Fotografin und dazu auch durchaus erfolgreich, wie man ihrer Website entnehmen kann.

Das Gespräch lief gut, und das fand ich dem Moment auch interessanter, als durch den Rest von Harajuku zu schleichen. Zumal die Design Festa Gallery eine absolute Oase ist, und sich eher wie das kreative, bunte und grüne Berlin anfühlt, als das graue, teilweise uniforme Tokyo. Vorallem wenn man dann noch Deutsch spricht, ist es als ob man in einem Cafe in der Kastanienallee sitzt.

Der Ausländer von vorhin kam dann noch auf mich zu und meinte, er schreibt was über mich im Design Festa Blog. Ich erklärte also was ich hier mache und wer ich bin. Dann wollt er noch ein Foto, ungewöhnlich sollte es sein. Na dann… ich könnte ja aufs Dach klettern, sagte ich. Fand er super, ich dann beim Klettern allerdings nicht mehr so sehr.
Von unten fotografieren klappte zwar gegens Licht und Himmel nicht (…) daher kam er gleich mit aufs Dach.

Und ein Foto zusammen mit mir wollte er auch.

Und die beiden Quoten-Deutsche sollte auch zusammen auf ein Bild. Ich hatte die Idee, dass wir das Klettern inszenieren. Keine Sorge, sie war nicht wirklich so schwer wie es aussehen mag.

Das ganze im Blog von der Design Festa Gallery -> hier.

Als wir fertig waren, war die Sonne auch schon wieder weg. Aber sollte mir recht sein, war ein netter und bunter Nachmittag.

Weitere Nachrichten:

Meine Homepage www.fotografritz.de ist endlich fertig und online!! Vielen Dank und Hut ab für die Leistung von Emanuel Schwarz! Sehr hilfsbereit und kompetent.

-> Weblink: Mediendesign Schwarz

In den nächsten Tagen kommt auch eine englische und japanische Version dazu. Doch ich lade schonmal jetzt zum Anschauen ein ^^ Über Feedback freu ich mich.

Noch etwas mehr in eigener Sache:

Seitdem ich eine Kontaktadresse eingerichtet habe, bekomme ich ab und an ein paar Mails. Ich freue mich natürlich über jede und versuche auch jede zu beantworten (auch wenns manchmal etwas dauert). Selbst wenn es zum Beispiel Anfragen zu einer Ausbildung/Assistenz oder Praktikum bei mir sind, bei denen ich mich zwar sehr geehrt fühle, aber leider nicht helfen kann. Trotzdem beantworte ich jede Anfrage.
Wenn jetzt allerdings der Mail Provider von jemanden kategorisch Mails aus Japan abblockt (??), kann ich nicht viel machen….

Die kreative Künstlerseele von Tokyo

Ich war auf der Design-Festa Tokyo 2009: dem größten internationalen Kunst Event in ganz Asien. Tausende von kleinen, freien Künstler stellten ihre Werke aus und verkauften sie. Es herschte eine kreative Atmosphäre die ich zum ersten Mal in Tokyo spürte und die ich so nur aus Berlin kannte.

(Der Typ hatte eine interessante Präsenz, ging betont cool und posierte ganz von alleine. Ich machte ne Menge Bilder bis er es bemerkte 😉 )

Ich komme aus Berlin, welches international für Künstler immer beliebter wird. Und gerade weil in Berlin so viele Künstler leben, herscht dort eine sehr kreative Atmosphäre. Kunst und Kunstprojekte anzuschieben ist in Berlin sehr, sehr viel einfacher als in Tokyo. Ich selbst würde mich auch als Künstler bezeichnen wollen, und als jemanden der junge Kunst mit diversen Projekten unterstützt – auch weil es in Berlin einfach möglich ist, schon als 17/18 jähriger solche Projekte zu starten. In Berlin fragt keiner, wo du studiert hast, wie viel Erfahrung du hast oder was deine Eltern machen. Solange du eine coole, kreative Idee hast, und damit andere begeistern kannst, reicht das um Unterstützer zu gewinnen.
(Beim Geld sieht das allerdings anders aus, da Berlin chronisch pleite ist. Aber so ist in Berlin viel Kunst gratis)

Das hatte mir in Tokyo bisher immer gefehlt, diese Freiheit kreativ sein zu können. Vorallem junge Künstler suchte ich sehr lange. Ich war wirklich sehr, sehr glücklich, sie auf dieser Design Festa zu finden, und wieder in dieser kreativen Atmosphäre zu leben.

Die Design Festa kann man sich wie als real gewordene DeviantArt Website vorstellen (oder eine andere beliebige Website wo angehende Künstler ihre Werke zeigen). Nur dass die Design Festa nicht nur auf zweidimensionale Kunst beschränkt ist, sondern auch Maskenbildner, Schmuck, Mode, Puppen o.ä. zulässt. Und vorallem: Der Künstler versteckt sich nicht hinter einem anonymen Nicknamen wie milchkuh73 im Netz, sondern er steht direkt vor dir, neben seiner Kunst. Du kannst mit ihm reden, dich austauschen und ihn direkt unterstützen indem du seine Werke kaufst. Ich find es wunderbar, wie in einer Konsum-orientierten Gesellschaft wie Japan, Kunst und Kommerz Hand in Hand gehen, ohne dabei die Kunst abzuwerten. In Deutschland ist das ja immer ein bisschen schwierig mit Kunst Geld zu machen bzw. die Werte richtig einzuschätzen.

Die Design Festa findet zweimal jährlich in der Tokyo Big Sight statt. Künstler können Stände mieten, ihre Sachen ausstellen und verkaufen. Tokyo Big Sight ist ein großes Messegelände auf Odaiba, der künstlichen Insel vor der Bucht von Tokyo.
Die Big Sight ist bekannt für große Manga Conventions, wo unveröffentlichte Manga Zeichner ihre eigenen Werke verkaufen, die sie selbst gedruckt haben.

Ich hatte Tokyo Big Sight das erste Mal in einem Manga gesehen und hielte es für ein sehr ungewöhnliches Gebäude, das sich der Mangazeichner nur ausgedacht haben musste:

Umso überraschter war ich, als ich dann tatsächlich vor diesem riesigen Raumschiff stand:

Drinnen in der Tokyo Big Sight standen dann alle Zeichen auf Kunst. Begrüßt wurde man von einem bunten Tor:

Drinnen war die zentrale Halle, in der sich einige exklusive Künstler eingemietet hatten und in der Mitte fand Musik statt, vor einem großen, sitzenden Publikum.

Die Musik war ähm sehr japanisch. Das heisst, es gab sowohl generierte Pop Musik, vorgetragen von hübschen Mädchen (die beim Publikum gut ankam),

dann gab es traditionelle japanische Elemente, gemischt mit dem Stil einer amerikanischen Big Band, die ich kurz beim Proben erwischt habe:


(man beachte den Spalt durch den ich die Kamera hielt und heimlich fotografierte 😉 Ich wollt einfach wissen woher die Musik kam)

und dann gab es einen ähm Mittelalter-Auftritt, wo Japaner sich in europäischen Ritterrüstungen bewegten:

Das ist als wenn Deutsche einen auf Ninja oder Samurai machen…

Rund um die zentrale Halle waren die Messe-Hallen, wo jeder Künstler mit einem eigenen Stand vertreten war. Ein wirkliches Konzept gab es da nicht, alles war wild durch- und nebeneinander.

Und auch Musik gab es hier, abseits der Haupthalle. Wundersamerweise nirgendwo störend.
Es gab die Kostüm-und-Kinder-Musik:

Es gab Tricky, der seinen eigenen Fanclub mit dabei hatte…

…und nun ja, ein besonders warmer Exot war.

Tricky
(Quelle: flickr/designfesta)

Tricky’s Musik war nicht so dolle, aber er hat sich eine besondere Choreografie einfallen lassen, den sein vorher instruierter Fanclub fleißig mittanzte. Das Publikum drum herum stieg mit ein, und machte seinen Tanz mit. Sein Fanclub stand sogar noch um ihn herum, als um 19 Uhr das Licht ausgemacht wurde, und alle gingen. Tricky ist schon ein cleverer Entertainer. Wer mehr von ihm will, er hat genug CD’s auf Lager:

Tricky CD
(Quelle: flickr/designfesta)

Und weit entfernt von Tricky (vom Talent und Lage), versteckt in einer Ecke, stand meine neue Lieblingsband!

Das hier ist Flava, eine junge Jazz-Kombo, die hier Lieder aus ihrem neuen und ersten (Mini) Album vorgetragen hat. Ich hab natürlich gleich ihre CD gekauft und zuhause rauf und runter gehört. Live sind sie allerdings noch viel besser als auf CD, ich werd mir demnächst mal ein Konzert von ihnen anhören.
Hier mal eine Hörprobe aus einem Konzert in Shibuya, Tonqualität ist so la la.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=7ROeLImufkk&hl=ja&fs=1&]

Flava’s hübsche und noch viel mehr talentierte Sängerin ist 26 und arbeitet als Office-Lady in einem IT-Unternehmen. Das mag man sich so gar nicht vorstellen können, wenn man sie live gehört hat.

Flava
(Quelle: flava.hiho.jp)

Wie schon erwähnt, gibt es neben der Musik noch so ziemlich jeden anderen Bereich der Kunst, von daher will ich jetzt einfach ein paar Buden und Impressionen vorstellen:


(sie war ca. 5-6 Jahre alt, man kann nie früh genug mit der Kunst anfangen =) )

Sie hatte eine wunderbare Gesangsstimme, wenngleich sie auch etwas schüchtern war und leise sang. Wer mehr von ihr sehen möchte, und mir fällt da jemand ein, der das bestimmt möchte, der kann in ihren Youtube-Channel schauen.


Eine T-Shirt Vending Machine


Eine vor Ort angefertigte Zeichnung, man achte auf die vielen Details, in groß sieht man es besser.


???


Mister T beschützt Schokolade


OKTOPUS-MANN GEGEN KUGEL-MANN!!


…sich von der leeren Leinwand inspirieren lassen…


Wenn man diesem Blog glauben mag, ist Live Painting ganz groß angesagt. Viele Künstler bemalten ihre Buden auch. Eine Kunst, die nur die zwei Tage der Design Festa dauern soll. Es macht einen nachdenklich, aber wenn man bedenkt, wieviele tausend Leute von eben diesen Bildern Fotos machen, und sie für die Ewigkeit erhalten oder Freunden zeigen, so ist der Kunst doch Genüge getan.


fließender Verkehr, rein und raus.


Und den Info-Stand immer im Blick.


Ein Samurai wacht über alle Buden….


… und bedroht Fotografen, wenn sie ihm zu nahe kommen 😉


Ein Skelett macht für 500yen eine Manga-Zeichnung von dir. Schnäppchen!


Tatoos konnte man sich auch machen lassen.


Für alle, die Schwierigkeiten haben, Kanji zu lernen, präsentiere ich die Kanji-Symmetrie. Einfach die Kanji umdrehen, und schon habt ihr das englische Wort, wie „look“:


Ich weiß ja, das große Brillen momentan sehr angesagt sind, aber der Fotograf hier hat den Vogel abgeschossen.


Wie so oft, direkt und eng beieinander. Hier zwei Bands die gleichzeitig um die Wette spielten, ohne dabei wirklich Lärm zu produzieren. Links hinten ist Extasy Box, die Flöten und Synthesizer-Kombo.


Es gab auch einen Bondage Stand, bei dem keine Fotos erlaubt waren. Das heisst, ich hab kein Foto von jungen Japanerinnen, die sich spaßeshalber von einer Lack-und-Leder Dame in Seile einwickeln lassen. Doch Madame habe ich erwischt, man beachte ihre Werkzeuge and ihrem Gürtel….

Auf der Design Festa liefen so viele verrückte Leute und Kostüme rum, es gab wirklich wunderbare Motive. Zum Beipsiel der Herz-Mann, der über und über mit Herzen voll war und die Liebe verbreiten sollte – dabei doch eher stets ein frustriertes Gesicht hatte.
Oder die puren Maids, die mit grimmiger Miene ihre Zigarette rauchten. Oder viele, viele verrückte Buden, wo der Künstler im Kostüm davor saß. Doch die habe ich alle nicht abgelichtet. Fotografieren war zwar sehr oft erlaubt und erwünscht, doch wie schon mal in einem Beitrag erwähnt, ist das mein Beruf, den ich auch nicht immer 24/7 ausüben möchte.

Wenn mich jemand nach meiner Art der Fotografie fragt, sage ich manchmal: „Aus Fleisch, Wurst machen“. Bleiben wir mal bei der Metapher:
Ich war auf der Design Festa nicht beruflich, sondern um mir viele neue und fremde Sachen anzuschauen. Das ist wie als ob ein Metzger in den Zoo geht. Wenn der nen Elefanten sieht, denkt der auch „aha, Lende, Steak, alles klar“. Wenn ich auf der Design Festa bin, seh ich auch lauter Motive, Geschichten, Momente. Aber irgendwie hat mir die Lust gefehlt, jedem Motiv hinter her zu springen, ständig die Objektive zu wechseln und abzudrücken. Sonst bin ich ja bei solchen Veranstaltungen auch offiziell als Fotograf für die Presse o.ä., doch diesmal wars ganz privat.
Ein wenig hab ich genau das bereut, nicht ständig mit dem Auge im Sucher zu sein, weil es wirklich viele tolle Sachen zu Sehen gab. Doch ich wollt auch einfach nur mal genießen. Andere kreative Sachen sehen, ohne selbst kreativ sein zu müssen.

Es gab auch viele Fotografen auf der Design Festa, ihre Bilder allerdings oftmals ohne besondere Qualität. Doch sie freuen sich, wenn man ihre Bilder anschaut und mit ihnen spricht. Ein Fotograf hatte die halbe Welt bereist, und war ganz entzückt mal ein paar Ausländer an seinem Stand zu haben. Mir musste er dann natürlich auch die Bilder aus Deutschland zeigen 😉

Es geht bei der Design Festa nicht ums verkaufen. Es geht eher darum, gesehen zu werden. Die vielen kleinen Aussteller freuen sich riesig, wenn man sich ein paar Minuten Zeit nimmt, ihre Kunst anzuschauen. Ihre Kunst, in der sie ihre Gedanken und Gefühle verarbeiten haben, mit der sie etwas mitteilen möchten. Mit meinem bisschen Japanisch konnte ich noch sagen, dass mir ihre Sachen gefallen, und darüber waren sie jedesmal zutiefst dankbar.

Es sind tausend Aussteller, oft direkt nebeneinander. Trotzdem ist es weniger ein heftiger Konkurrenzkampf. Viel mehr sind sie Teil der großen kreativen Seele von Tokyo.
Ich würde sowas gerne in Berlin machen, genug Kleinkünstler gibt es ja. Ich frage mich allerdings, ob man nicht die japanische Höflichkeit braucht, damit das alles auf so engen Raum nicht in Gewalt ausartet…

Die junge Kunst in Tokyo hat eine ganz andere Qualität. Ich vermute das liegt daran, dass japanische Künstler erst ab einem gewissen Level genug Selbstvertrauen und Glaube in die eigenen Werke aufgebaut haben, um sich öffentlich präsentieren zu wollen. So erklärt sich auch, warum eine wunderbar talentierte Band wie Flava, die es seit 6 Jahren gibt, erst in diesem Jahr ihr erstes Album rausbrachte.
Wenn ich da an Deutschland denke, fallen mir 21-jährige Fotografen ein, die meinen ohne Ausbildung oder Erfahrung in Tokyo als Fotograf arbeiten zu können. Oder 21-jährige Rapper, die kurz nach dem Abi ihr erstes Album auf den Markt werfen (ich kenn ihn gut seit er 6 ist, ich darf das so sagen 😉 ).

Aber das wiederum find ich an jungen deutschen Künstlern, insbesondere in Berlin, so inspirierend. Sie treten frech auf die Bühne und sagen „Welt, hier bin ich, und ich bin bunt!“.
Zu einem der letzten Projekte, die ich in Deutschland machte, dem Bildband zur jungen deutschen Fotografie, würde ich gerne eine Ausstellung in Tokyo machen. Im selben Zusammenhang würd ich gern ein ähnliches Projekt mit jungen japanischen Fotografen machen, und beide Sachen dann in Deutschland ausstellen und vergleichen.

Pünktlich um 19 Uhr wurden die Lichter in den Hallen ausgemacht, und das große Raumschiff spuckte seine temporäre Besatzung aus:

Draußen im Regen und der Dunkelheit sah es sogar noch bedrohlicher aus:

Ich wollt noch zeigen, was ich denn alles gekauft habe, aber das dann in nem zweiten Post, da der hier schon so lang ist. Aber es war ein großartiger und inspirierender Tag – für Alle. Und ich hab in Tokyo endlich das gefunden, was ich hier so lange suchte. Und das machte mich, zum ersten Mal seitdem ich hier bin, so richtig, richtig glücklich 🙂