Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 3: Winterwunderland

Nach zwei Tagen im Zug nun aufgewacht in Hakodate – und immernoch weit entfernt von Sapporo. Werd ich da jemals ankommen? Die Strecke führte diesmal quer durch Hokkaido, durch Wälder und an der Küste vorbei. Überall lag frischer, weisser, tiefer Schnee, eine Winterwelt die ich so zuvor noch nie gesehen hatte.

In der Nacht zuvor war ich mit dem koreanischen Fotografen in Hakodate, dem südlichsten Zipfel von Hokkaido, gestrandet. Ich hatte eigentlich keine Lust mehr aufs Weiterfahren, doch Umkehren war auch schwer möglich. Es half also nur die Flucht nach vorn und die erste Dusche seit Tokyo.

Im Preis inbegriffen war auch ein Frühstück, es wurde sowohl westlich als auch japanisch angeboten. Wobei ich kalte Yakisoba zum Frühstück dann doch etwas merkwürdig fand.
Ein Blick umher auf die anderen Tische ließ nur japanische Herren mittleren Alters erkennen, die schon beim Frühstück im Anzug am Tisch saßen und ihren Salarymen-Alltag garnicht verstecken wollten. Danach noch hoch ins Hotelzimmer, Zeuch holen und die frische Sonne über der Stadt ansehen.

Vielleicht sollte der Abschnitt der Strecke doch nicht so schlecht werden…

Hakodate sah an dem Tag auch weniger unsympathisch aus, als noch in der vergangenen Nacht.

Im Hotelzimmer stand übrigens die neueste japanische Server-Technologie:

Der Kasten dahinten ist der Bahnhof, der Weg nach Sapporo. In voller Montur machten wir uns dann auf den Weg.

Letzten Monat hatte ich übrigens eine email vom koreanischen Fotografen bekommen, mit einigen Bildern von der Reise. Er schoss zurück:


(C) Martin Lee

Im Bahnhof dann die erste negative Nachricht des Tages: Obwohl wir extra früh dort waren, würde der erste Local Train erst gegen 11 Uhr abfahren. Vorher fährt nur ein Express-Zug (für den wir hätten extra zahlen müssen), allerdings auch nicht bis nach Sapporo sondern nur die halbe Strecke. Bei der Wahl zischen Wartezeit und extra Kosten entschied ich mich, sehr frustriert, für die Wartezeit.

Zu dem Zeitpunkt hätte ich auch keine Probleme gehabt alleine weiterzufahren, da der koreanische Fotografen mir zunehmend auf den Sack ging. Die Wartezeit verbrachte ich dann alleine und machte ein paar Bilder von der Stadt, die in der letzten Nacht wieder frisch mit Schnee berieselt wurde.


Mamacharis im Schnee

Auch wenn eine meine Mitbewohnerinnen aus Hakodate kommt, und beteuert wie schön das doch ist, so hatte ich doch eher den Eindruck, dass das eher eine Durchgangsstadt ist, wo man Halt macht, bevor man weiter durch Hokkaido fährt.

Unser Hotel ist unten rechts im Bild, Smile Hotel. Dort bin ich dann auch wieder zurück, weil die Internet hatten und ich ja noch meinem Kontakt in Sapporo Bescheid sagen wollte, dass ich heute hoffentlich ankomme. Das einzige Internet-Cafe im Ort hatte noch nicht auf, also musste ich zum Hotel zurück, wo 10min Internet 100yen kosten. Mittendrin wars auch schneller vorbei als mir lieb war, da ich aus Versehen eine koreanische 100yen münze eingesteckt hatte, die ich letzte Nacht vom Fotografen geschenkt bekommen hatte.

Ich konnte dabei auch gleich auf Facebook posten wie sehr ich doch genervt war von den langsamen Zügen. Nach zwei Tagen Dauer-Bummelzug auch kein Wunder.

Durch den Schnee gestapft…

…an einer der wenigen Sehenswürdigkeiten von Hakodate vorbei…

…zurück zum Bahnhof um endlich weiter zu kommen.

Stillstehen kostete auf dieser Reise nur Geld.
Wer sich sonst über das touristische Potenzial von Hakodate informieren möchte, sollte mal ein Blick auf die sehr ausführliche Wikitravel-Seite zu Hakodate werfen…

Als Kommentar zum letzten Reiseeintrag kam „Das klingt ja wirklich so, als ob es echt langweilig war“. Ich hatte denselben Eindruck nachdem ich meinen Beitrag gelesen hatte. Doch, nunja, im Zug sitzen ist nunmal nicht so aufregend, das spannendste sind noch die Bücher die man liest und der Blick aus dem Fenster. Von daher geb ich euch diesmal lieber den Blick aus dem Fenster:

Aus mir unerklärlichen Gründen stoppten wir hier, die 6 Fahrgäste in den zwei Waggons des Zuges schien das allerdings nicht viel zu jucken. Ich konnte so auch ein paar Bilder ohne Bewegungsunschärfe machen.

Das Klima und die Fauna von Hokkaido erinnert mehr an Nord-Europa, mit seinen Tannenwäldern. Es fing dann auch gleich wieder zu schneien an.

Sichtlich unrasiert, aber mit Schal, den ich mir am Tag zuvor in Aomori für unschlagbare 100yen gekauft habe.

Nach den Wäldern kam die Küste.

Und ein erneuter Stopp für eine Stunde in Mori.

Der Hunger machte sich bemerkbar also suchten wir was Essbares. Meine Nerven waren sichtlich angespannt, also versuchte ich etwas Abstand zum Fotografen zu gewinnen. Im Zug klappte das ganz gut, mit FLAVA auf den Ohren. Wir kamen dann an einem fahrenden Händler vorbei, der diese gefüllten Fisch-Teig-Taschen anbot, dessen mir Name mir entfallen ist. Die sind auf jeden Fall stets mit Anko, Bohnenpaste, gefüllt, die ich nicht so lecker finde. Als mich der Fotograf fragte, ob ich was möchte, winkte ich ab. Was ihn aber nicht davon abhielt mir trotzdem eine zu besorgen die ich dann aus Höflichkeit noch runterwürgte.

Wir gingen dann noch in einen Supermarkt wo insbesondere ich Gaijin in voller Reisemontur alle Blicke auf mich zog – und damit übertreibe ich nicht. Kassierer/innen und Kunden drehten sich reihenweise nach mir um, einige ältere Damen machten auch ganz große Augen als würden sie einen Geist sehen.

Wir versorgten uns mit Bento und gingen zurück zum warmen Warteraum im Bahnhof. Ich brauch natürlich nicht zu erwähnen, dass Hokkaido im Dezember schweinekalt war.
Der Fotograf verabschiedete sich dann um ein paar Bilder vom Ort zu machen, was mir ganz recht war, da ich so endlich mal wieder alleine sein konnte.

In der Nähe vom Warteraum (wo neben mir nur noch zwei andere auf den einzigen Zug pro Stunde Richtung Norden warteten) gab es einen Kiosk, dessen Inhaberin sich auch für eine halbe Stunde verdrückte. Ich hätte ihren gesamten Laden ausräumen können, aber ich bin ja artig und hab für meine heisse Schokolade bezahlt.

Der Zug kam dann. Wobei das nicht ganz richtig ist: Wir kamen mit einem Zwei-Waggon Zug hier an. Der hintere wurde abgekoppelt und fuhr zurück, der vordere, einzelne Wagen fuhr weiter Richtung Norden (siehe Bild). Der Zugführer war auch ein lustiger Geselle. Er sah mich und fragt mich (frei übersetzte): „Na wohin solls denn gehen?“. „Sapporo!“, sagte ich. „Na dann hüpf mal rein, bei mir biste richtig“. In Tokyo sind die Zugführer weniger kommunikativ.

Die Bahnhofsleute beobachteten mich schon interessiert auf den Weg zu meinem Zug, ich winkte ihnen dann noch zum Abschied zu und machte ein Foto.

Und sie freuten sich.

Weiter gehts, an der Küste entlang.

Auf Google Earth kann man übrigens sehr schön diese Strecke, an der Küste entlang, sehen.

Erneuter Zwischenstopp in… Ich weiss es nicht mehr.

Die Sonne ging auch schon langsam unter.

Ich las im Bahnhof ein Buch, der Koreaner war unterwegs. Keine Einwände da. Versteht mich nicht falsch, er war ein interessanter und sympathischer Kerl, doch auch ständig mitteilungsbedürftig, und meine Signale, dass mir grad nicht nach Reden ist, hat er nicht verstanden.

Falls jemand mal wissen will, wie eine Konversation zwischen mir und dem Fotografen aussah:


Fotos (C) Martin Lee Animation, wenn jemand weiss, wie ich die hellen Flecken wegbekomme, sag Bescheid

Ich war zu dem Zeitpunkt übrigens echt gernervt.


(C) Martin Lee

Er hatte immer einen Plan dabei mit Zugverbindungen und Wartezeiten, der sehr praktisch war. Nungut, es gab zwar nur eine einzige Linie und Strecke auf der gesamten Distanz, trotzdem war es recht praktisch schon vorher zu wissen, wie langsam genau wir uns heute fortbewegen…

Irgendwann gings dann auch weiter.

Es wurde irgendwie immer trostloser, vorbei an einsamen Fischerdörfchen, verfallenen Häusern und menschenleeren Gegenden. Dazu war der Zug auch selten mit mehr Leuten gefüllt als uns zwei.

Mit der Sonne im Nacken gings weiter.

Immer mehr hatte ich den Eindruck ans Ende der Welt zu fahren. Doch zwei Stunden vor Sapporo wurde es auf einmal voller, die Dunkelheit draußen mit Kunstlicht erhellt und insgesamt wurde es lauter. Gerade wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Schulmädchen her. Nunja, eigentlich mehrere, bis der ganze Zug voll mit Geschnatter und vorallem Leben war.

Zwischendurch schlief ich auch mal ein und wurde vom Schaffner geweckt. Von da an war es nur noch ein Zug bis nach Sapporo. Und das ‚da‘ war Chitose, der Ort, wo ich eigentlich schon gestern sein wollte um im Gasthaus von dem Olympioniken zu übernachten. Ich habe einen gesamten Tag gebraucht um dorthin zu kommen, wo ich gestern abend schon sein wollte… Aber da ich jetzt so nah an Sapporo war wollte ich nicht nochmal anhalten.

Im letzten Zug begegnete uns noch ein älterer Japaner – ebenfalls Fotograf. Irgendwie ziehen sich Fotografen magisch an…. Er war ebenfalls mit dem Seishun-18-kippu unterwegs. Der Koreaner unterhielt sich mit ihm, da er wie gesagt immer recht mitteilungsbedürftig war. Das war mir Recht, da er dann weniger auf mich einredete. Allerdings verstand ich eindeutig mehr Japanisch von dem, was der japanische Fotograf sagte.
Als wir dann zusammen in Sapporo ankamen (endlich!) zeigte uns der Fotograf dann noch eine öffentliche Dusche in der Station, die er anscheinend auch öfter auf Reisen nutzt. Warum er uns die zeigte war mir nicht ganz klar, so wie ich ihn verstanden habe wollte er sich irgendwie bedanken, dass er uns kennenlernen durfte. Dazu gab er uns noch Getränkegutscheine einer Bar, die er mal fotografiert hatte.

Ich machte dann das erste Foto in Sapporo.

Wie man dem Foto vielleicht entnehmen kann, war ich einfach nur fertig. Ich war genervt von den Zügen, der langsamen Reise, dem ständigen Japanisch-Englisch-Koreanisch Gebrabbel und den Kosten die noch auf mich zukommen.
Dem Koreaner sagte ich Tschüss, mit dem Hinweis, bei bereits erwähnten Freund in Sapporo zu übernachten. Allerdings hatte dieser mich bis dahin noch nicht kontaktiert, sodass ich mich auf dem Weg ins nächste Manga Kissa machte.

Ich lief dann durch die Straßen von Sapporo und dachte: „Das isses nun? Drei Tage Fahrt dafür? Wie… unspektakulär….“. Doch in dem Moment wollte ich einfach nur die 20kg Reisegepäck von meinem Rücken nehmen und schlafen. Ich bekam eine 1-Quadratmeter Kabine.

Sie reichte mir absolut. Für nur 2000yen für 10 Stunden, inkl. Gratisgetränke. Und viel wichtiger: Sie bewegte sich nicht auf Schienen fort.

Aber ich war endlich in Sapporo! Doch die Reise war noch lange nicht zu ende…

Strecke diesmal: ca. 300km, 9 Stunden

Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai
Kapitel 7:Das Ende der Reise

Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW

Von Sendai Richtung Norden ging es weiter auf dem, gemessen an Stunden verbracht im Zug, längsten Abschnitt der Reise. Weiter durch die Tôhoku-Region wurde es immer kälter je mehr es nach Norden ging. Immer weniger Siedlungen kreuzten die Zugstrecke und so langsam wurde das grüne Land vom Schnee und Eis geschluckt.

Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
(FTW ist Internetslang für ‚For the Win‘ und bezeichnet etwas gutes, dass sich durchsetzt/beliebt macht. Mein Gefühl für lange Unterhosen zu der Zeit)

Da noch in Sendai bereits die Kälte in die Zimmer gekrochen kam, und ich an diesem Tag noch weiter nördlich fahren sollte, war es Zeit die langen Unterhosen anzuziehen, die ich mir eine Woche zuvor bei Uniqlo besorgt hatte – mit HeatTech!

Ich hatte sonst schon extrem an Winterklamotten gespart, bin ich doch in meinen normalen Jeans, Turnschuhen und dünner Herbst-Jacke in den eisigen Norden aufgebrochen. Doch lange Unterhosen mussten sein. Und ich war so dankbar, die noch eingepackt zu haben. Ich weiss nicht, wie es funktioniert, aber dieses HeatTech ist klasse.

Rückblickend habe ich auf diesen Abschnitt der Strecke, der insgesamt 13 Stunden dauerte (davon 10 im Zug, restliche Zeit war Warten auf den Zug), erstaunlich wenig Bilder gemacht. Doch was gab es schon zu sehen. Weites Land, leere Züge und ab und an ein Berg.
In Sendai nahm ich zwar nicht den ersten Zug, doch den zweiten der fuhr. Von hier an orientierte ich mich nicht mehr an dem Zug-Plan, den mir die Touri-Tante in Tokyo ausgedruckt hatte, sondern an der Tôhoku-Karte im Lonely Planet. So hangelte ich mich von Stadt zu Stadt, mit Zug-Linien statt Lianen. Das war allerdings ein Fehler, wie ich später feststellen musste.

Ich hatte vorher einem älteren japanischen Pärchen aus Chiba (die Freunde von einem Freund, von einem Kollegen meines Vaters waren und insgesamt 20 Jahre in Deutschland lebten und hier als mein „Notfall-Kontakt“ fungieren sollten), gesagt, dass ich nach Hokkaido fahre und ob sie nicht vielleicht den einen oder anderen Tipp für mich haben.
Der Sohn des Pärchens hat sein halbes Leben lang in Hokkaido gearbeitet und kannte dort Hintz und Kuntz. Er telefonierte für mich etwas umher um eine Übernachtung für mich zu organisieren. So um Morioka rum erreichte er mich dann und bat mich einen bestimmten Typen in Chitose anzurufen, er hätte wohl eine Unterkunft für mich.

Der Typ war früher mal Eisschnelläufer für Japan und hat an zwei Olympiaden teilgenommen (und wohl auch mal Gold gewonnen). Nun hat er ein Gasthaus, ca. 2 Stunden vor Sapporo. Mein Ziel für den Tag war klar: Chitose auf Hokkaido.

Doch vorher hatte ich ein Problem.
Nochmal zu Erinnerung: Mit meinem Ticket kann ich nur die Local-Trains nutzen, kein Shinkansen oder andere Nicht-JR Linien. Ich war nun in Morioka und von dort fuhren keine Local-Trains mehr weiter. Nunja, sie fuhren schon, doch nicht von JR sondern einer privaten Linie. Der nächste Ort, wo wieder Local-Trains fuhren, war Hachinohe, an der Nordküste von Honshu, 112 Kilometer von Morioka entfernt.

Ich hatte nun die Wahl zwischen Shinkansen und einer privaten Local-Linie, beide so um die 3000yen. Ich nahm den Shinkansen.

Ich hatte ja im letzten Teil erwähnt, dass auf dem weiten Land nur dieser eine Zug entlangfährt. Streckenweise gab es aber auch betongraue Shinkansen Trassen, die man auf der Local-Linie immer bedrohlich im Nacken hatte.
Die Fahrt mit dem Shinkansen hatte den Vorteil, dass ich in kurzer Zeit viel Strecke machen konnte. Auch wenn ich an allem nur vorbei gerast bin, ohne wirklich was zu sehen.

Die Landschafte hatte jetzt langsam weisse Flecken bekommen und je nördlicher es wurde, desto weisser wurde es auch. Der Shinkansen fuhr auf der Gebirgstrecke durch viele Tunnel. Als wir einen passierten waren wir plötzlich im Schneegestöber. Völlig überraschend – als hätte jemand einen Schalter umgelegt, war der Winter da.

Auf der Reise durch die Tôhoku-Region und das weisse, weite Land hörte ich bestimmte Musik ganz gerne, die zu dieser einsamen Ruhe und melancholischen Weite ganz gut passten. Würde man einen Film auf dieser Strecke drehen, die Lieder würden einen prima Soundtrack ergeben.

Zum einen Hiromi Uehara mit ‚Time flies‘:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=zQobNiC3V2E&hl=de_DE&fs=1&]

Und meine neue Lieblingsband FLAVA mit ウラハラ („urahara“):

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=XKIfjLG1mY8&hl=de_DE&fs=1&]

(ab 0:40)

Ich hatte Sayuri von FLAVA dann an Silvester erzählt, dass ich ihre Musik auf dieser Reise gehört habe, was sie sehr begeistert hat.

Leider löst sich FLAVA nun auf, nach 7 Jahren Bandgeschichte, bzw. die Band besteht ja eigentlich nur noch aus Sayuri. Sie selbst möchte allerdings weiter Musik machen und freut sich auf einen Neustart. Am 17. April ist ihr Abschiedskonzert, ich werd auf jeden Fall dabei sein.

In Hachinohe ging es dann wieder in die Local-Trains, an der Küste entlang nach Aomori, der letzten großen Stadt vor Hokkaido. Im Lonelyplanet stand etwas von gratis Internet, in einem bestimmten Gebäude, im 5. Stock. Das erschien mir zwar sehr vage, doch er hatte absolut recht. Der Lonely Planet ist einfach nur echt zu empfehlen.
Das war das erste Internet in zwei Tage, was ich nutzte um kurz eine Nachricht zu versenden:

northern honshu is so white right now… cant believe this winter wonder land, i ve never seen anything comparable in germany. but its fucking cold… almost in sapporo now, quick stop in aomori

Ich hatte tatsächlich so etwas zuvor noch nicht gesehen. Eingeschneite, weisse Wälder,

Züge die den Schnee hinter sich aufwirbeln,

eben ein weisses Winterwunderland, wie es Berlin niemals sein konnte. Auch wenn zu dem Zeitpunkt einer der härtesten Winter in Berlin begann, mit einer Schneedecke die 6 Wochen lang blieb.

Ich lud mein Handy-Guthaben auf und rief den Olympioniken mit Gasthaus an. Er fragte mich, was ich bei meiner Ankunft essen möchte und alles war gut. Nur noch eine Linie und ich bin in Hokkaido.

Doch bis der Zug fuhr, sollte noch eine Weile vergehen. Ich lief also auf dem eingeschneiten Bahnhof umher und machte ein paar Bilder.

Mir fiel dabei ein anderer Fotograf auf, der exakt dasselbe machte. Im warmen Wartehaus unterhielten wir uns dann kurz. Es stellte sich heraus, dass er Fotograf aus Südkorea ist, der von Fukuoka bis nach Sapporo nur mit dem Seishun-18-kippu und Local-Trains fahren wollte – und wieder zurück!

Wenn sich Fotografen so mitten in der Pampa treffen kommen sie natürlich ins Gespräch, zumal wir ja auch dasselbe Ziel und Reiseweg hatten. Gemeinsam bestiegen wir dann den Zug nach Hokkaido. Dieser war zwar nicht JR und nicht Local, aber es gab eine Ausname für Seishun-18-kippu Leute.
Draußen war es stockfinster und man konnte nicht erkennen was nun der Unterwasser-Tunnel zwischen Honshu und Hokkaido war, und was einfach nur draußen.

Der Zug hielt an und der Fotograf aus Korea meinte, das wir nun auf Hokkaido waren. Uns empfing auch gleich ein Schneegestöber.


Der koreanische Fotograf

Ich war überrascht.
Das war es nun? Hokkaido? Bislang 15 Stunden im Zug für das? Vielleicht erwartete ich zu viel, eine komplett andere Welt oder was auch immer. Aber es sah aus und war kalt wie Nord-Honshu. Dafür nun die ganze Reise?

Allerdings war ich auch noch nicht am Ziel. Ein Zug muss noch, um in die nächstgrößere Stadt zu kommen.

So erreichten wir gegen 20 Uhr Hakodate. Ich wollte natürlich sofort weiter nach Chitose, zum Olympioniken – doch es fuhr kein Zug mehr. Es fuhr ernsthaft kein Zug mehr an dem Tag!

Da war ich nun, gestrandet in Hakodate.
Der Lonely Planet empfohl zwar ein paar Hostels, doch die sind manchmal zickig wenn man nach 17 Uhr eincheckt. Ich wollte vorher anrufen, doch da mein und das Japanisch vom koreanischen Fotografen zu schlecht waren, bat ich einen Bahnfutzi für mich anzurufen. Er meinte, das ist nicht sein Job und er hatte auch sooooooooo dermaßen keine Lust drauf mir zu helfen, doch die japanische Höflichkeit zwang ihn dazu. Und wie erwartet nahm das Hostel heute keine Leute mehr auf.

Wir fragten dann etwas rum und gerieten an zwei Chinesen mit guten Englisch-Kenntnissen, die uns das Hotel gegenüber vom Bahnhof empfahlen. Zusammen mit dem Fotografen teilte ich mir dann ein Hotelzimmer, was die Preise drückte.

Wir redeten dann noch etwas über Kameras und Fotografie (was Fotografen eben machen, ne?), doch die Kommunikation war anstrengend. Sein Englisch war nicht das Beste und er war der festen Überzeugung, dass ich fließend Japanisch kann. So glich er also die englischen Worte, die er nicht konnte, mit Japanisch aus, was einfach nur anstrengend zu dechiffrieren ist.

Der Blick aus dem Hotelfenster war auch nicht gerade angenehm.

Ich fühlte mich ganz weit von dem entfernt, wo ich eigentlich sein sollte. Ein Anruf bei dem Typen in Chitose brachte nicht viel, da es von dort bis nach Hakodate ca. 6 Stunden mit dem Auto sind – und 6 Stunden zurück.

Ganz ehrlich, zu diesem Zeitpunkt hatte ich absolut keine Lust mehr auf Reisen. Es kostete immer mehr und mehr, als ich eigentlich geplant hatte. Und schlimmer noch: Das Seishun-18-kippu geht 5 Tage. Da ich nach 2 Tagen nicht in Sapporo angekommen bin, brauche ich insgesamt 3 Tage dorthin. Was bedeutet, dass ich mit dem Ticket nicht mehr zurück nach Tokyo komme, da nur noch 2 Tage übrig waren. Es würden noch mehr Kosten auf mich zukommen – und ich war noch nichtmal am Ende meiner Reise.

Frustriert schlief ich ein.

Der nächste Morgen brachte nochmal Neuschnee.

Nach der ersten warmen Dusche in drei Tagen ging es zum oppulenten Frühstück. Ich hatte jetzt einen Reisegefährten gewonnen, doch bis Sapporo sollte es noch etwas dauern…


Gesamte Strecke: Sendai – Hakodate, ca. 500km

Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai