knackig

Wieder mal Vergangenes, diesmal vom 3. August 2009:
Setzen wir uns mal kurz hin und deuten in Ruhe das Bild:

Ein Mädchen, nur gekleidet mit Kohlblättern verlangt mehr Vegetarier.
Was will sie uns damit sagen? Möchten sie, dass wir ihr die Kleider vom Leib fressen? Findet sie Schnitzel als Büstenhalter unbequem? Will sie einen neuen Modetrend unter den japanischen Mächen auslösen?

Weder noch, es war eine Demonstration von peta in Shibuya Crossing, einer der größten Straßenkreuzung der Welt, die von bis zu 20.000 Menschen auf einmal passiert wird.

Das Metropolis Magazine (die Zeitung für die ich hier in Tokyo als Fotograf arbeite) hatte im Vorfeld von dieser Demo gehört, und mich hingeschickt. Ich musste nicht lange suchen, ich fand schnell eine Gruppe von Journalisten, die schon gierig auf die drei Mädchen warteten, die pünktlich um 12 Uhr Shibuya Crossing entlang liefen.

Die ganz links ist übrigens der Vorstand von peta von Südostasien, allerdings mit Sitz in Malaysia. In Japan ist peta so gut wie garnicht präsent, was sie auch mit dieser Demo ändern wollten.

Als sie Shibuya Crossing überquerten blieben sie einfach nur stehen, grinsten in die Kamera und stellten sich den Fragen der Journalisten. Ab und an riefen sie auch „Be vegetarian“, mit einer Stimme, wie sie Prostituierte haben, wenn sie freundlich fragen, ob man mal „Zeit für sie hat“… Aber diese Assoziationen mag auch nur aufgrund der knappen Kleidung kommen.

Die Reaktionen auf diese Demonstration knackigen Salats war geteilt. Die Journalisten stürzten sich drauf, und wagten sich für den investigativen Journalismus ganz nah dran:

Die Japaner reagierten mit Begeisterung, zückten Handys und Kameras (vorallem ältere Geschäftsmänner) und knipsten.

Ein paar anderen war das Ganze dann doch etwas zu freizügig:

Ein paar Tage später fand ich dann das Video zur „Demo“ auf youtube, in dem auch ich auftauche. Man achte im Laufe des Videos auf den Kerl mit Bart und schwarz-weissen Hemd, der zum ersten Mal bei 0:17 ins Bild läuft.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=UqyixlBWzvo&hl=de&fs=1&]

Das Ganze war im Übrigen nicht vorher angemeldet, und sie guckten sich auch ständig nervös um. Doch die nächste Demo, so sagte man mir, wird dann angemeldet sein. Dann werden es 300 Mädchen, gekleidet in Kohl sein. Ich geh schonmal ernten…

Ihr Outfit hat so um die 10$ gekostet, ein geringer Preis um wirklich richtig „grün“ zu sein. Angst, dass sie in der Bahn von müden und hungrigen Salarymen (japanischer Geschäftsmann, die sehen alle gleich aus, dunkle Hose, weisses Hemd, Aktentasche) im Zug für das Abendessen gehalten werden, haben sie nicht. Viel mehr, dass sie damit in Shibuya, dem Trend und Fashionzentrum Tokyo’s, eine neuen Modetrend unter den Shibuya-Girls auslösen.

Und das ist durchaus wahrscheinlich hier in Japan…

Und wisst ihr was, seitdem bin ich auch ein großer Fan von Salat geworden.

professionell pleite


Im Zuge der Aufarbeitung vergangener Erlebnisse, hier nun etwas vom 20. August:

Tokyo ist teuer.
So teuer, dass ich nach fast zwei Monaten schon pleite bin, und dringend einen Job brauche. Ich scherze nicht, ich hab nur noch für diese Woche Geld für Essen. Danach wirds kritisch.

Einen Job in Tokyo finden ist nicht leicht. Auch wenn sich die Regierung die größte Mühe gibt, jedem Arbeit zu geben, der danach schreit. So werden zum Beispiel 5 Leute gebraucht, um Leute anzuhalten, wenn ein Auto aus einer Ausfahrt, über den Gehweg, auf die Straße fahren möchte. Danach folgt das „Danke sehr. Bitte gehen sie hier lang“, oft auch im Canon von allen 5 Leuten zusammen.
Mein Mitbewohner, der schon seit 5 Jahren hier lebt, hatte mir es mal erklärt: Es gibt hier keinen Mental-Healthcare-Plan, d.h. für Leute die nicht ganz richtig im Kopf sind, oder aufgrund vom gehobenen Alter schon ein paar Murmeln abhanden gekommen sind, werden eben in solche „dummen“ Jobs gesteckt. Auch für Arbeitslose werden diese Tätigkeiten regelrecht „geschaffen“. Trotzdem erfüllen die dann, wie jeder andere Japaner, ihren Job pflichtbewusst, weil sie somit ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft sind.

Von daher geb ich mir Mühe diese Jobs zu respektieren. Was dann auch dazu führt, dass ich eben dort lang gehe, wo mich der Herr in Uniform bittet hinzugehen. Auch wenn das garnicht der Weg ist, wohin ich will. Man ist halt höflich hier.

Wie dem auch sei, Arbeit finden ist nicht leicht. Gibt zwei Sachen die mir da im Wege stehen:

1. Meine schlechten bis nichtvorhandenen Japanisch-Fähigkeiten
2. Die schlimmste Rezession in Japan seit 20 Jahren

Trotzdem fand ich nun im Goethe-Institut einen Aushang mit nem Job-Angebot in nem Café. Stand zwar drüber, den Aushang hängen zu lassen, aber ich dachte, wenn ich ihn mitnehme, könnte ich meine Chancen der einzige Bewerber zu sein, enorm steigern.

Neun Monate Küchen-Arbeit als Zivi in nem Kindergarten, mit pro Tag 200 Kindern härten ab, also suche ich vermehrt solche Küchenjobs, weil ich dort die Erfahrung habe. Zumal gibts dabei meist auch gratis Essen, was auch nochmal Kosten spart.

Das Café befand sich in Jiyugaoka, etwas außerhalb und ruhig gelegen. Viele ausländische, vorallem italienische/französische/britische Cafés und Restaurants, dazu viel pseudo-europäische Architektur. Oder zumindest das, was die Japaner unter europäisch vorstellen.

Das Cafe mit dem Job war in der italienischen Ecke. Zwischen ein paar Backsteinhäusern gab es einen kleinen Kanal mit venezianischer Gondel. Das Café selbst war französisch/deutsch, und es gab unter anderem „Original Berliner Currywurst“ auf der Karte. Für umgerechnet 4€ gabs ein Stückchen Heimat. Zumindest die Curry-Soße schmeckte wie Berlin, doch das bisschen Wurst war auf keinen Fall deutsch. Dazu gabs Sauerkraut.

Die Inhaberin war japanisch, lebte zehn Jahre in Amerika und arbeitete für nen Fernsehsender. So wie sie aussah, bestimmt vor der Kamera. Sie hatte Verständnis für mich als armen Journalisten und gab mir Tipps.

Ihr Mann war deutsch und er liest hoffentlich nie diesen Blog. Denn ihr Mann war ein ziemlicher Arsch.

Setzte sich bräsig vor mich hin, mit einer „Was willst du denn hier?“ Einstellung. Er stellte mir Fragen, ignorierte aber die Antworten. Er stand ab und an mal auf, ohne ein Wort zu sagen, und kam dann irgendwann mal wieder. Ungefragt nahm er sich meine Kamera, die ich mal zeigen wollte, und ging rum und fotografierte. Als er dann irgendwann wiederkam, fehlte an der Kamera ein Teil, was sich dann aber nach einer Weile Suchen wieder fand. Er lebt seit 13 Jahren hier, spricht aber kaum Japanisch.

(Diese Gruppe von Deutschen, die hier seit Jahren leben, aber kein Japanisch können, trifft man hier häufiger. Ich finds peinlich und respektlos)

Wie dem auch sei, wie es der Zufall wollte, war genau zu dem Zeitpunkt, wo ich da war, ein Fotoshooting draußen, die Models waren die Kellnerinnen des Cafés, und gleichzeitig die Tochter der Inhaberin, und deren Freundin. Beide flüssig in Englisch, wenn auch in diesem oberflächlichen Amerikanischen (jedes zweite Wort war „like“, „you know like, like totally, duh?!“)

Die Fotografin war eine Hobbyfotografin, mit ner digitalen Leica. Die Leica kam aus Deutschland, was sie mir dann auch ganz stolz zeigte, als ich ihr sagte, ich bin aus Deutschland. Deutsche sind hier beliebt.
Es ging um eine Tennisklamotten-Kollektion. Der Betreiber vom Sport-Geschäft und der Designer der Kollektion waren zusammen mit der Hobby-Fotografin vor Ort. Warum auch immer sie ein pseudo-europäisches Setting gewählt haben, um Sportkleidung zu präsentieren.
Das weder der Geschäftsinhaber noch der Designer Ahnung von Fotografie hatten, war schnell klar. Die Models wurden immer gekonnt in den Schatten gesetzt, stets in einer Pose, die er sich irgendwie im neuesten Quelle-Katalog abgeschaut hat, und nun schlecht imitierte.

Ich schnackte mit der Hobbyfotografin, und gab ihr ein paar Tipps. Und obwohl sie es besser wusste, hat sie stets die Bilder so gemacht, wie der völlig unfähige Designer mit Ziegenbart es verlangte. So läuft eben die Hierarchie hier in Japan.

Ich konnt mir das nicht lange ansehen, schnappte mir das Modell und inszenierte selbst etwas.

Die Ergebnisse waren dann gelungen, und erstaunten die Unfähigen. Doch statt mir Folge-Aufträge zu geben, waren sie dann doch eher angepisst, dass ich sie so bloßgestellt hatte.

trotzdem hübsche töchter und putzige hunde

Nach dem Shooting kam die Chefin vom Café auf mich zu, wegen dem Job. Sie meinte, sie überlegt nochma, aber sie glaubt, dass ich als Fotograf besser bin, als als Kellner.

Recht mag sie haben.
Vielleicht professionell, aber trotzdem immernoch pleite in Tokyo.

rennende japanische Mädchen

(wenn man die kamera rausholt gibts immer eine gruppe japanischer mädchen die posieren. keine ahnung wer die sind, aber sie hatten spaß fotografiert zu werden)

war heut bei nem Matsuri, das sind Sommerfestivals, die überall stattfinden, mal hier, mal da. Vergleichbar mit ner deutschen Kirmes, aber dann doch mehr mit Tradition und vorallem besseren japanischen Essen. Meist findets um nen Tempel herum statt, mit Tanz und Kultur.

Heute war das Matsuri in Roppongi, dem Partyviertel von Tokyo. Das schreiben zumindest alle Reiseführer, weswegen alle Gaijin (=Nichtjapaner, Ausländer) nach Roppongi gehen, um Party zu machen. Das führt dazu, dass in Roppongi fast nur Gaijin sind, und leichte japanische Mädchen, die auf Gaijin stehen.
Meistens sind die Gaijin oberflächliche Amerikaner, und die Japanerinnen etwas dümmlich. Bestes Beispiel beim Matsuri heute:
Ein Amerikaner zerdrückte mit lauten Rülpsen an seiner Stirn eine Bierdose, was die Japanerinnen anscheinend sehr amüsant fanden, und der Amerikaner zum Anlass nahm, mit ihnen high-five zu machen.

Auf einmal Hektik – hunderte von japanischen Mädchen rannten in eine Richtung. Ich dachte zuerst, Godzilla ist vorbeigekommen, und hat den Amerikaner wie eine Bierdose zerdrückt. Als Fotojournalist in-spe bin ich natürlich mitgerannt.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liefen drei Jungs – und hinter ihnen eine Traube von hunderten japanischen Mädchen, die alle ihr Handy zückten um die Jungs abzulichten. Trotzdem hielten sie stets zwei Meter Abstand zu den Jungs, die sich dabei die größte Mühe gaben, so zu tun, als merkten sie nicht, dass hunderte japanische Mädchen respektvoll aber stetig hinter ihnen her wackelten.
Einen Japaner fragte ich dann, wer das nun war, und es stellte sich heraus, dass es „Schauspieler“ einer Soap waren.

Meine deutsche Begleitung meinte, sie würde nicht gern in Japan berühmt sein wollen.

Ich persönlich hät jedoch nichts dagegen, wenn mir hunderte japanische Mädchen, gekleidet im Yukata, folgen würden.

Ganz ehrlich.