es geht aufwärts…

…mit der Arbeitslosenquote in Japan. Die Berliner Zeitung vom 28. August 2009 meldet:

Tokio – In Japan ist die Arbeitslosenquote im Juli mit 5,7 Prozent auf den höchsten Stand der Nachkriegszeit gestiegen. Das ist ein Zuwachs um 0,3 Prozentpunkte zum Vormonat, wie die Regierung in Tokio am Freitag bekanntgab.

Die Zahl der offiziell als arbeitslos erfassten Menschen schwoll im Vergleich zum Vorjahr um 1,03 Millionen auf 3,59 Millionen an. Auf 100 Jobsuchende kamen nur noch 42 offene Stellen.

In Deutschland sind momentan 3,462 Millionen Menschen ohne Arbeit, das macht eine Quote von 8,2% (Stand Juli 2009).

Bin ich jetzt ein arbeitsloser Deutscher, oder arbeitslos in Japan? Ich glaub ich zieh beide Statistiken runter, zusammen mit meinem Bankkonto…

professionell pleite


Im Zuge der Aufarbeitung vergangener Erlebnisse, hier nun etwas vom 20. August:

Tokyo ist teuer.
So teuer, dass ich nach fast zwei Monaten schon pleite bin, und dringend einen Job brauche. Ich scherze nicht, ich hab nur noch für diese Woche Geld für Essen. Danach wirds kritisch.

Einen Job in Tokyo finden ist nicht leicht. Auch wenn sich die Regierung die größte Mühe gibt, jedem Arbeit zu geben, der danach schreit. So werden zum Beispiel 5 Leute gebraucht, um Leute anzuhalten, wenn ein Auto aus einer Ausfahrt, über den Gehweg, auf die Straße fahren möchte. Danach folgt das „Danke sehr. Bitte gehen sie hier lang“, oft auch im Canon von allen 5 Leuten zusammen.
Mein Mitbewohner, der schon seit 5 Jahren hier lebt, hatte mir es mal erklärt: Es gibt hier keinen Mental-Healthcare-Plan, d.h. für Leute die nicht ganz richtig im Kopf sind, oder aufgrund vom gehobenen Alter schon ein paar Murmeln abhanden gekommen sind, werden eben in solche „dummen“ Jobs gesteckt. Auch für Arbeitslose werden diese Tätigkeiten regelrecht „geschaffen“. Trotzdem erfüllen die dann, wie jeder andere Japaner, ihren Job pflichtbewusst, weil sie somit ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft sind.

Von daher geb ich mir Mühe diese Jobs zu respektieren. Was dann auch dazu führt, dass ich eben dort lang gehe, wo mich der Herr in Uniform bittet hinzugehen. Auch wenn das garnicht der Weg ist, wohin ich will. Man ist halt höflich hier.

Wie dem auch sei, Arbeit finden ist nicht leicht. Gibt zwei Sachen die mir da im Wege stehen:

1. Meine schlechten bis nichtvorhandenen Japanisch-Fähigkeiten
2. Die schlimmste Rezession in Japan seit 20 Jahren

Trotzdem fand ich nun im Goethe-Institut einen Aushang mit nem Job-Angebot in nem Café. Stand zwar drüber, den Aushang hängen zu lassen, aber ich dachte, wenn ich ihn mitnehme, könnte ich meine Chancen der einzige Bewerber zu sein, enorm steigern.

Neun Monate Küchen-Arbeit als Zivi in nem Kindergarten, mit pro Tag 200 Kindern härten ab, also suche ich vermehrt solche Küchenjobs, weil ich dort die Erfahrung habe. Zumal gibts dabei meist auch gratis Essen, was auch nochmal Kosten spart.

Das Café befand sich in Jiyugaoka, etwas außerhalb und ruhig gelegen. Viele ausländische, vorallem italienische/französische/britische Cafés und Restaurants, dazu viel pseudo-europäische Architektur. Oder zumindest das, was die Japaner unter europäisch vorstellen.

Das Cafe mit dem Job war in der italienischen Ecke. Zwischen ein paar Backsteinhäusern gab es einen kleinen Kanal mit venezianischer Gondel. Das Café selbst war französisch/deutsch, und es gab unter anderem „Original Berliner Currywurst“ auf der Karte. Für umgerechnet 4€ gabs ein Stückchen Heimat. Zumindest die Curry-Soße schmeckte wie Berlin, doch das bisschen Wurst war auf keinen Fall deutsch. Dazu gabs Sauerkraut.

Die Inhaberin war japanisch, lebte zehn Jahre in Amerika und arbeitete für nen Fernsehsender. So wie sie aussah, bestimmt vor der Kamera. Sie hatte Verständnis für mich als armen Journalisten und gab mir Tipps.

Ihr Mann war deutsch und er liest hoffentlich nie diesen Blog. Denn ihr Mann war ein ziemlicher Arsch.

Setzte sich bräsig vor mich hin, mit einer „Was willst du denn hier?“ Einstellung. Er stellte mir Fragen, ignorierte aber die Antworten. Er stand ab und an mal auf, ohne ein Wort zu sagen, und kam dann irgendwann mal wieder. Ungefragt nahm er sich meine Kamera, die ich mal zeigen wollte, und ging rum und fotografierte. Als er dann irgendwann wiederkam, fehlte an der Kamera ein Teil, was sich dann aber nach einer Weile Suchen wieder fand. Er lebt seit 13 Jahren hier, spricht aber kaum Japanisch.

(Diese Gruppe von Deutschen, die hier seit Jahren leben, aber kein Japanisch können, trifft man hier häufiger. Ich finds peinlich und respektlos)

Wie dem auch sei, wie es der Zufall wollte, war genau zu dem Zeitpunkt, wo ich da war, ein Fotoshooting draußen, die Models waren die Kellnerinnen des Cafés, und gleichzeitig die Tochter der Inhaberin, und deren Freundin. Beide flüssig in Englisch, wenn auch in diesem oberflächlichen Amerikanischen (jedes zweite Wort war „like“, „you know like, like totally, duh?!“)

Die Fotografin war eine Hobbyfotografin, mit ner digitalen Leica. Die Leica kam aus Deutschland, was sie mir dann auch ganz stolz zeigte, als ich ihr sagte, ich bin aus Deutschland. Deutsche sind hier beliebt.
Es ging um eine Tennisklamotten-Kollektion. Der Betreiber vom Sport-Geschäft und der Designer der Kollektion waren zusammen mit der Hobby-Fotografin vor Ort. Warum auch immer sie ein pseudo-europäisches Setting gewählt haben, um Sportkleidung zu präsentieren.
Das weder der Geschäftsinhaber noch der Designer Ahnung von Fotografie hatten, war schnell klar. Die Models wurden immer gekonnt in den Schatten gesetzt, stets in einer Pose, die er sich irgendwie im neuesten Quelle-Katalog abgeschaut hat, und nun schlecht imitierte.

Ich schnackte mit der Hobbyfotografin, und gab ihr ein paar Tipps. Und obwohl sie es besser wusste, hat sie stets die Bilder so gemacht, wie der völlig unfähige Designer mit Ziegenbart es verlangte. So läuft eben die Hierarchie hier in Japan.

Ich konnt mir das nicht lange ansehen, schnappte mir das Modell und inszenierte selbst etwas.

Die Ergebnisse waren dann gelungen, und erstaunten die Unfähigen. Doch statt mir Folge-Aufträge zu geben, waren sie dann doch eher angepisst, dass ich sie so bloßgestellt hatte.

trotzdem hübsche töchter und putzige hunde

Nach dem Shooting kam die Chefin vom Café auf mich zu, wegen dem Job. Sie meinte, sie überlegt nochma, aber sie glaubt, dass ich als Fotograf besser bin, als als Kellner.

Recht mag sie haben.
Vielleicht professionell, aber trotzdem immernoch pleite in Tokyo.