Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 3: Winterwunderland

Nach zwei Tagen im Zug nun aufgewacht in Hakodate – und immernoch weit entfernt von Sapporo. Werd ich da jemals ankommen? Die Strecke führte diesmal quer durch Hokkaido, durch Wälder und an der Küste vorbei. Überall lag frischer, weisser, tiefer Schnee, eine Winterwelt die ich so zuvor noch nie gesehen hatte.

In der Nacht zuvor war ich mit dem koreanischen Fotografen in Hakodate, dem südlichsten Zipfel von Hokkaido, gestrandet. Ich hatte eigentlich keine Lust mehr aufs Weiterfahren, doch Umkehren war auch schwer möglich. Es half also nur die Flucht nach vorn und die erste Dusche seit Tokyo.

Im Preis inbegriffen war auch ein Frühstück, es wurde sowohl westlich als auch japanisch angeboten. Wobei ich kalte Yakisoba zum Frühstück dann doch etwas merkwürdig fand.
Ein Blick umher auf die anderen Tische ließ nur japanische Herren mittleren Alters erkennen, die schon beim Frühstück im Anzug am Tisch saßen und ihren Salarymen-Alltag garnicht verstecken wollten. Danach noch hoch ins Hotelzimmer, Zeuch holen und die frische Sonne über der Stadt ansehen.

Vielleicht sollte der Abschnitt der Strecke doch nicht so schlecht werden…

Hakodate sah an dem Tag auch weniger unsympathisch aus, als noch in der vergangenen Nacht.

Im Hotelzimmer stand übrigens die neueste japanische Server-Technologie:

Der Kasten dahinten ist der Bahnhof, der Weg nach Sapporo. In voller Montur machten wir uns dann auf den Weg.

Letzten Monat hatte ich übrigens eine email vom koreanischen Fotografen bekommen, mit einigen Bildern von der Reise. Er schoss zurück:


(C) Martin Lee

Im Bahnhof dann die erste negative Nachricht des Tages: Obwohl wir extra früh dort waren, würde der erste Local Train erst gegen 11 Uhr abfahren. Vorher fährt nur ein Express-Zug (für den wir hätten extra zahlen müssen), allerdings auch nicht bis nach Sapporo sondern nur die halbe Strecke. Bei der Wahl zischen Wartezeit und extra Kosten entschied ich mich, sehr frustriert, für die Wartezeit.

Zu dem Zeitpunkt hätte ich auch keine Probleme gehabt alleine weiterzufahren, da der koreanische Fotografen mir zunehmend auf den Sack ging. Die Wartezeit verbrachte ich dann alleine und machte ein paar Bilder von der Stadt, die in der letzten Nacht wieder frisch mit Schnee berieselt wurde.


Mamacharis im Schnee

Auch wenn eine meine Mitbewohnerinnen aus Hakodate kommt, und beteuert wie schön das doch ist, so hatte ich doch eher den Eindruck, dass das eher eine Durchgangsstadt ist, wo man Halt macht, bevor man weiter durch Hokkaido fährt.

Unser Hotel ist unten rechts im Bild, Smile Hotel. Dort bin ich dann auch wieder zurück, weil die Internet hatten und ich ja noch meinem Kontakt in Sapporo Bescheid sagen wollte, dass ich heute hoffentlich ankomme. Das einzige Internet-Cafe im Ort hatte noch nicht auf, also musste ich zum Hotel zurück, wo 10min Internet 100yen kosten. Mittendrin wars auch schneller vorbei als mir lieb war, da ich aus Versehen eine koreanische 100yen münze eingesteckt hatte, die ich letzte Nacht vom Fotografen geschenkt bekommen hatte.

Ich konnte dabei auch gleich auf Facebook posten wie sehr ich doch genervt war von den langsamen Zügen. Nach zwei Tagen Dauer-Bummelzug auch kein Wunder.

Durch den Schnee gestapft…

…an einer der wenigen Sehenswürdigkeiten von Hakodate vorbei…

…zurück zum Bahnhof um endlich weiter zu kommen.

Stillstehen kostete auf dieser Reise nur Geld.
Wer sich sonst über das touristische Potenzial von Hakodate informieren möchte, sollte mal ein Blick auf die sehr ausführliche Wikitravel-Seite zu Hakodate werfen…

Als Kommentar zum letzten Reiseeintrag kam „Das klingt ja wirklich so, als ob es echt langweilig war“. Ich hatte denselben Eindruck nachdem ich meinen Beitrag gelesen hatte. Doch, nunja, im Zug sitzen ist nunmal nicht so aufregend, das spannendste sind noch die Bücher die man liest und der Blick aus dem Fenster. Von daher geb ich euch diesmal lieber den Blick aus dem Fenster:

Aus mir unerklärlichen Gründen stoppten wir hier, die 6 Fahrgäste in den zwei Waggons des Zuges schien das allerdings nicht viel zu jucken. Ich konnte so auch ein paar Bilder ohne Bewegungsunschärfe machen.

Das Klima und die Fauna von Hokkaido erinnert mehr an Nord-Europa, mit seinen Tannenwäldern. Es fing dann auch gleich wieder zu schneien an.

Sichtlich unrasiert, aber mit Schal, den ich mir am Tag zuvor in Aomori für unschlagbare 100yen gekauft habe.

Nach den Wäldern kam die Küste.

Und ein erneuter Stopp für eine Stunde in Mori.

Der Hunger machte sich bemerkbar also suchten wir was Essbares. Meine Nerven waren sichtlich angespannt, also versuchte ich etwas Abstand zum Fotografen zu gewinnen. Im Zug klappte das ganz gut, mit FLAVA auf den Ohren. Wir kamen dann an einem fahrenden Händler vorbei, der diese gefüllten Fisch-Teig-Taschen anbot, dessen mir Name mir entfallen ist. Die sind auf jeden Fall stets mit Anko, Bohnenpaste, gefüllt, die ich nicht so lecker finde. Als mich der Fotograf fragte, ob ich was möchte, winkte ich ab. Was ihn aber nicht davon abhielt mir trotzdem eine zu besorgen die ich dann aus Höflichkeit noch runterwürgte.

Wir gingen dann noch in einen Supermarkt wo insbesondere ich Gaijin in voller Reisemontur alle Blicke auf mich zog – und damit übertreibe ich nicht. Kassierer/innen und Kunden drehten sich reihenweise nach mir um, einige ältere Damen machten auch ganz große Augen als würden sie einen Geist sehen.

Wir versorgten uns mit Bento und gingen zurück zum warmen Warteraum im Bahnhof. Ich brauch natürlich nicht zu erwähnen, dass Hokkaido im Dezember schweinekalt war.
Der Fotograf verabschiedete sich dann um ein paar Bilder vom Ort zu machen, was mir ganz recht war, da ich so endlich mal wieder alleine sein konnte.

In der Nähe vom Warteraum (wo neben mir nur noch zwei andere auf den einzigen Zug pro Stunde Richtung Norden warteten) gab es einen Kiosk, dessen Inhaberin sich auch für eine halbe Stunde verdrückte. Ich hätte ihren gesamten Laden ausräumen können, aber ich bin ja artig und hab für meine heisse Schokolade bezahlt.

Der Zug kam dann. Wobei das nicht ganz richtig ist: Wir kamen mit einem Zwei-Waggon Zug hier an. Der hintere wurde abgekoppelt und fuhr zurück, der vordere, einzelne Wagen fuhr weiter Richtung Norden (siehe Bild). Der Zugführer war auch ein lustiger Geselle. Er sah mich und fragt mich (frei übersetzte): „Na wohin solls denn gehen?“. „Sapporo!“, sagte ich. „Na dann hüpf mal rein, bei mir biste richtig“. In Tokyo sind die Zugführer weniger kommunikativ.

Die Bahnhofsleute beobachteten mich schon interessiert auf den Weg zu meinem Zug, ich winkte ihnen dann noch zum Abschied zu und machte ein Foto.

Und sie freuten sich.

Weiter gehts, an der Küste entlang.

Auf Google Earth kann man übrigens sehr schön diese Strecke, an der Küste entlang, sehen.

Erneuter Zwischenstopp in… Ich weiss es nicht mehr.

Die Sonne ging auch schon langsam unter.

Ich las im Bahnhof ein Buch, der Koreaner war unterwegs. Keine Einwände da. Versteht mich nicht falsch, er war ein interessanter und sympathischer Kerl, doch auch ständig mitteilungsbedürftig, und meine Signale, dass mir grad nicht nach Reden ist, hat er nicht verstanden.

Falls jemand mal wissen will, wie eine Konversation zwischen mir und dem Fotografen aussah:


Fotos (C) Martin Lee Animation, wenn jemand weiss, wie ich die hellen Flecken wegbekomme, sag Bescheid

Ich war zu dem Zeitpunkt übrigens echt gernervt.


(C) Martin Lee

Er hatte immer einen Plan dabei mit Zugverbindungen und Wartezeiten, der sehr praktisch war. Nungut, es gab zwar nur eine einzige Linie und Strecke auf der gesamten Distanz, trotzdem war es recht praktisch schon vorher zu wissen, wie langsam genau wir uns heute fortbewegen…

Irgendwann gings dann auch weiter.

Es wurde irgendwie immer trostloser, vorbei an einsamen Fischerdörfchen, verfallenen Häusern und menschenleeren Gegenden. Dazu war der Zug auch selten mit mehr Leuten gefüllt als uns zwei.

Mit der Sonne im Nacken gings weiter.

Immer mehr hatte ich den Eindruck ans Ende der Welt zu fahren. Doch zwei Stunden vor Sapporo wurde es auf einmal voller, die Dunkelheit draußen mit Kunstlicht erhellt und insgesamt wurde es lauter. Gerade wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Schulmädchen her. Nunja, eigentlich mehrere, bis der ganze Zug voll mit Geschnatter und vorallem Leben war.

Zwischendurch schlief ich auch mal ein und wurde vom Schaffner geweckt. Von da an war es nur noch ein Zug bis nach Sapporo. Und das ‚da‘ war Chitose, der Ort, wo ich eigentlich schon gestern sein wollte um im Gasthaus von dem Olympioniken zu übernachten. Ich habe einen gesamten Tag gebraucht um dorthin zu kommen, wo ich gestern abend schon sein wollte… Aber da ich jetzt so nah an Sapporo war wollte ich nicht nochmal anhalten.

Im letzten Zug begegnete uns noch ein älterer Japaner – ebenfalls Fotograf. Irgendwie ziehen sich Fotografen magisch an…. Er war ebenfalls mit dem Seishun-18-kippu unterwegs. Der Koreaner unterhielt sich mit ihm, da er wie gesagt immer recht mitteilungsbedürftig war. Das war mir Recht, da er dann weniger auf mich einredete. Allerdings verstand ich eindeutig mehr Japanisch von dem, was der japanische Fotograf sagte.
Als wir dann zusammen in Sapporo ankamen (endlich!) zeigte uns der Fotograf dann noch eine öffentliche Dusche in der Station, die er anscheinend auch öfter auf Reisen nutzt. Warum er uns die zeigte war mir nicht ganz klar, so wie ich ihn verstanden habe wollte er sich irgendwie bedanken, dass er uns kennenlernen durfte. Dazu gab er uns noch Getränkegutscheine einer Bar, die er mal fotografiert hatte.

Ich machte dann das erste Foto in Sapporo.

Wie man dem Foto vielleicht entnehmen kann, war ich einfach nur fertig. Ich war genervt von den Zügen, der langsamen Reise, dem ständigen Japanisch-Englisch-Koreanisch Gebrabbel und den Kosten die noch auf mich zukommen.
Dem Koreaner sagte ich Tschüss, mit dem Hinweis, bei bereits erwähnten Freund in Sapporo zu übernachten. Allerdings hatte dieser mich bis dahin noch nicht kontaktiert, sodass ich mich auf dem Weg ins nächste Manga Kissa machte.

Ich lief dann durch die Straßen von Sapporo und dachte: „Das isses nun? Drei Tage Fahrt dafür? Wie… unspektakulär….“. Doch in dem Moment wollte ich einfach nur die 20kg Reisegepäck von meinem Rücken nehmen und schlafen. Ich bekam eine 1-Quadratmeter Kabine.

Sie reichte mir absolut. Für nur 2000yen für 10 Stunden, inkl. Gratisgetränke. Und viel wichtiger: Sie bewegte sich nicht auf Schienen fort.

Aber ich war endlich in Sapporo! Doch die Reise war noch lange nicht zu ende…

Strecke diesmal: ca. 300km, 9 Stunden

Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai
Kapitel 7:Das Ende der Reise

Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW

Von Sendai Richtung Norden ging es weiter auf dem, gemessen an Stunden verbracht im Zug, längsten Abschnitt der Reise. Weiter durch die Tôhoku-Region wurde es immer kälter je mehr es nach Norden ging. Immer weniger Siedlungen kreuzten die Zugstrecke und so langsam wurde das grüne Land vom Schnee und Eis geschluckt.

Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
(FTW ist Internetslang für ‚For the Win‘ und bezeichnet etwas gutes, dass sich durchsetzt/beliebt macht. Mein Gefühl für lange Unterhosen zu der Zeit)

Da noch in Sendai bereits die Kälte in die Zimmer gekrochen kam, und ich an diesem Tag noch weiter nördlich fahren sollte, war es Zeit die langen Unterhosen anzuziehen, die ich mir eine Woche zuvor bei Uniqlo besorgt hatte – mit HeatTech!

Ich hatte sonst schon extrem an Winterklamotten gespart, bin ich doch in meinen normalen Jeans, Turnschuhen und dünner Herbst-Jacke in den eisigen Norden aufgebrochen. Doch lange Unterhosen mussten sein. Und ich war so dankbar, die noch eingepackt zu haben. Ich weiss nicht, wie es funktioniert, aber dieses HeatTech ist klasse.

Rückblickend habe ich auf diesen Abschnitt der Strecke, der insgesamt 13 Stunden dauerte (davon 10 im Zug, restliche Zeit war Warten auf den Zug), erstaunlich wenig Bilder gemacht. Doch was gab es schon zu sehen. Weites Land, leere Züge und ab und an ein Berg.
In Sendai nahm ich zwar nicht den ersten Zug, doch den zweiten der fuhr. Von hier an orientierte ich mich nicht mehr an dem Zug-Plan, den mir die Touri-Tante in Tokyo ausgedruckt hatte, sondern an der Tôhoku-Karte im Lonely Planet. So hangelte ich mich von Stadt zu Stadt, mit Zug-Linien statt Lianen. Das war allerdings ein Fehler, wie ich später feststellen musste.

Ich hatte vorher einem älteren japanischen Pärchen aus Chiba (die Freunde von einem Freund, von einem Kollegen meines Vaters waren und insgesamt 20 Jahre in Deutschland lebten und hier als mein „Notfall-Kontakt“ fungieren sollten), gesagt, dass ich nach Hokkaido fahre und ob sie nicht vielleicht den einen oder anderen Tipp für mich haben.
Der Sohn des Pärchens hat sein halbes Leben lang in Hokkaido gearbeitet und kannte dort Hintz und Kuntz. Er telefonierte für mich etwas umher um eine Übernachtung für mich zu organisieren. So um Morioka rum erreichte er mich dann und bat mich einen bestimmten Typen in Chitose anzurufen, er hätte wohl eine Unterkunft für mich.

Der Typ war früher mal Eisschnelläufer für Japan und hat an zwei Olympiaden teilgenommen (und wohl auch mal Gold gewonnen). Nun hat er ein Gasthaus, ca. 2 Stunden vor Sapporo. Mein Ziel für den Tag war klar: Chitose auf Hokkaido.

Doch vorher hatte ich ein Problem.
Nochmal zu Erinnerung: Mit meinem Ticket kann ich nur die Local-Trains nutzen, kein Shinkansen oder andere Nicht-JR Linien. Ich war nun in Morioka und von dort fuhren keine Local-Trains mehr weiter. Nunja, sie fuhren schon, doch nicht von JR sondern einer privaten Linie. Der nächste Ort, wo wieder Local-Trains fuhren, war Hachinohe, an der Nordküste von Honshu, 112 Kilometer von Morioka entfernt.

Ich hatte nun die Wahl zwischen Shinkansen und einer privaten Local-Linie, beide so um die 3000yen. Ich nahm den Shinkansen.

Ich hatte ja im letzten Teil erwähnt, dass auf dem weiten Land nur dieser eine Zug entlangfährt. Streckenweise gab es aber auch betongraue Shinkansen Trassen, die man auf der Local-Linie immer bedrohlich im Nacken hatte.
Die Fahrt mit dem Shinkansen hatte den Vorteil, dass ich in kurzer Zeit viel Strecke machen konnte. Auch wenn ich an allem nur vorbei gerast bin, ohne wirklich was zu sehen.

Die Landschafte hatte jetzt langsam weisse Flecken bekommen und je nördlicher es wurde, desto weisser wurde es auch. Der Shinkansen fuhr auf der Gebirgstrecke durch viele Tunnel. Als wir einen passierten waren wir plötzlich im Schneegestöber. Völlig überraschend – als hätte jemand einen Schalter umgelegt, war der Winter da.

Auf der Reise durch die Tôhoku-Region und das weisse, weite Land hörte ich bestimmte Musik ganz gerne, die zu dieser einsamen Ruhe und melancholischen Weite ganz gut passten. Würde man einen Film auf dieser Strecke drehen, die Lieder würden einen prima Soundtrack ergeben.

Zum einen Hiromi Uehara mit ‚Time flies‘:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=zQobNiC3V2E&hl=de_DE&fs=1&]

Und meine neue Lieblingsband FLAVA mit ウラハラ („urahara“):

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=XKIfjLG1mY8&hl=de_DE&fs=1&]

(ab 0:40)

Ich hatte Sayuri von FLAVA dann an Silvester erzählt, dass ich ihre Musik auf dieser Reise gehört habe, was sie sehr begeistert hat.

Leider löst sich FLAVA nun auf, nach 7 Jahren Bandgeschichte, bzw. die Band besteht ja eigentlich nur noch aus Sayuri. Sie selbst möchte allerdings weiter Musik machen und freut sich auf einen Neustart. Am 17. April ist ihr Abschiedskonzert, ich werd auf jeden Fall dabei sein.

In Hachinohe ging es dann wieder in die Local-Trains, an der Küste entlang nach Aomori, der letzten großen Stadt vor Hokkaido. Im Lonelyplanet stand etwas von gratis Internet, in einem bestimmten Gebäude, im 5. Stock. Das erschien mir zwar sehr vage, doch er hatte absolut recht. Der Lonely Planet ist einfach nur echt zu empfehlen.
Das war das erste Internet in zwei Tage, was ich nutzte um kurz eine Nachricht zu versenden:

northern honshu is so white right now… cant believe this winter wonder land, i ve never seen anything comparable in germany. but its fucking cold… almost in sapporo now, quick stop in aomori

Ich hatte tatsächlich so etwas zuvor noch nicht gesehen. Eingeschneite, weisse Wälder,

Züge die den Schnee hinter sich aufwirbeln,

eben ein weisses Winterwunderland, wie es Berlin niemals sein konnte. Auch wenn zu dem Zeitpunkt einer der härtesten Winter in Berlin begann, mit einer Schneedecke die 6 Wochen lang blieb.

Ich lud mein Handy-Guthaben auf und rief den Olympioniken mit Gasthaus an. Er fragte mich, was ich bei meiner Ankunft essen möchte und alles war gut. Nur noch eine Linie und ich bin in Hokkaido.

Doch bis der Zug fuhr, sollte noch eine Weile vergehen. Ich lief also auf dem eingeschneiten Bahnhof umher und machte ein paar Bilder.

Mir fiel dabei ein anderer Fotograf auf, der exakt dasselbe machte. Im warmen Wartehaus unterhielten wir uns dann kurz. Es stellte sich heraus, dass er Fotograf aus Südkorea ist, der von Fukuoka bis nach Sapporo nur mit dem Seishun-18-kippu und Local-Trains fahren wollte – und wieder zurück!

Wenn sich Fotografen so mitten in der Pampa treffen kommen sie natürlich ins Gespräch, zumal wir ja auch dasselbe Ziel und Reiseweg hatten. Gemeinsam bestiegen wir dann den Zug nach Hokkaido. Dieser war zwar nicht JR und nicht Local, aber es gab eine Ausname für Seishun-18-kippu Leute.
Draußen war es stockfinster und man konnte nicht erkennen was nun der Unterwasser-Tunnel zwischen Honshu und Hokkaido war, und was einfach nur draußen.

Der Zug hielt an und der Fotograf aus Korea meinte, das wir nun auf Hokkaido waren. Uns empfing auch gleich ein Schneegestöber.


Der koreanische Fotograf

Ich war überrascht.
Das war es nun? Hokkaido? Bislang 15 Stunden im Zug für das? Vielleicht erwartete ich zu viel, eine komplett andere Welt oder was auch immer. Aber es sah aus und war kalt wie Nord-Honshu. Dafür nun die ganze Reise?

Allerdings war ich auch noch nicht am Ziel. Ein Zug muss noch, um in die nächstgrößere Stadt zu kommen.

So erreichten wir gegen 20 Uhr Hakodate. Ich wollte natürlich sofort weiter nach Chitose, zum Olympioniken – doch es fuhr kein Zug mehr. Es fuhr ernsthaft kein Zug mehr an dem Tag!

Da war ich nun, gestrandet in Hakodate.
Der Lonely Planet empfohl zwar ein paar Hostels, doch die sind manchmal zickig wenn man nach 17 Uhr eincheckt. Ich wollte vorher anrufen, doch da mein und das Japanisch vom koreanischen Fotografen zu schlecht waren, bat ich einen Bahnfutzi für mich anzurufen. Er meinte, das ist nicht sein Job und er hatte auch sooooooooo dermaßen keine Lust drauf mir zu helfen, doch die japanische Höflichkeit zwang ihn dazu. Und wie erwartet nahm das Hostel heute keine Leute mehr auf.

Wir fragten dann etwas rum und gerieten an zwei Chinesen mit guten Englisch-Kenntnissen, die uns das Hotel gegenüber vom Bahnhof empfahlen. Zusammen mit dem Fotografen teilte ich mir dann ein Hotelzimmer, was die Preise drückte.

Wir redeten dann noch etwas über Kameras und Fotografie (was Fotografen eben machen, ne?), doch die Kommunikation war anstrengend. Sein Englisch war nicht das Beste und er war der festen Überzeugung, dass ich fließend Japanisch kann. So glich er also die englischen Worte, die er nicht konnte, mit Japanisch aus, was einfach nur anstrengend zu dechiffrieren ist.

Der Blick aus dem Hotelfenster war auch nicht gerade angenehm.

Ich fühlte mich ganz weit von dem entfernt, wo ich eigentlich sein sollte. Ein Anruf bei dem Typen in Chitose brachte nicht viel, da es von dort bis nach Hakodate ca. 6 Stunden mit dem Auto sind – und 6 Stunden zurück.

Ganz ehrlich, zu diesem Zeitpunkt hatte ich absolut keine Lust mehr auf Reisen. Es kostete immer mehr und mehr, als ich eigentlich geplant hatte. Und schlimmer noch: Das Seishun-18-kippu geht 5 Tage. Da ich nach 2 Tagen nicht in Sapporo angekommen bin, brauche ich insgesamt 3 Tage dorthin. Was bedeutet, dass ich mit dem Ticket nicht mehr zurück nach Tokyo komme, da nur noch 2 Tage übrig waren. Es würden noch mehr Kosten auf mich zukommen – und ich war noch nichtmal am Ende meiner Reise.

Frustriert schlief ich ein.

Der nächste Morgen brachte nochmal Neuschnee.

Nach der ersten warmen Dusche in drei Tagen ging es zum oppulenten Frühstück. Ich hatte jetzt einen Reisegefährten gewonnen, doch bis Sapporo sollte es noch etwas dauern…


Gesamte Strecke: Sendai – Hakodate, ca. 500km

Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai

Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 1: Das weite Land

Mit Local-Trains von Shinjuku nach Sapporo, durch die weite Tôhoku-Region im Norden Japans bis zur Schneelandschaft von Hokkaido. Eine Reise von 7 Tagen und vielen Stunden im Zug. Viele Menschen habe ich entlang des Weges getroffen, ein anderes Japan erlebt und bin durch Schnee gestapft. Hier nun das erste Kapitel, der erste Tag der Reise, von Hatsudai nach Sendai…

Das hier ist eine Animation, sollte sie nicht korrekt angezeigt werden, klickt drauf oder sagt mir Bescheid.

Prolog

Durch Japan zu Reisen ist durchaus lohnend. Vorallem um aus dem gehetzten, gestressten, überfüllten Tokyo einmal rauszukommen. Da das Geld bei mir chronisch knapp ist, versuche ich immer kostengünstig zu reisen. Eine günstige Alternativen, ich hab es schon mehrmals erwähnt, ist das Seishun-18-kippu, mit dem man für nur 11.000yen zu bestimmten Zeiten im Jahr, für fünf Tage überall in Japan den Zug benutzen kann, ausgenommen den Shinkansen oder alles sonstige, was sich schneller bewegt als ein Fahrrad. Übrig bleiben tun da nur die Local Züge, die eigentlich nur für kurze Strecken gedacht sind. Das japanische Zugnetz ist allerdings so ausgeklügelt gebaut, dass man sich nur mit Local Trains von Fukuoka bis nach Sapporo bewegen kann. Auf meiner Reise traf ich auch tatsächlich einen, der das genau so machte.


Die gesamte Reisestrecke nach Sapporo

Die Local Trains sind, wie schon erwähnt, nicht gerade die schnellsten. Nach Sapporo habe ich so drei Tage gebraucht, die ich größtenteils im Zug verbrachte.
Doch bereut habe ich diese Zeit nicht. Man sieht mehr vom Land, als im Flugzeug oder in einem Shinkansen, der nur vorbeirauscht. Man fährt durch kleine Ortschaften, wo die lokalen Bewohner ein- und ausstiegen. Einige Züge waren nur einen Waggon lang und fuhren nur einmal in der Stunde, oder gerade einmal fünfmal pro Tag. Das ist Reisen – und eben nicht nur von A nach B kommen.

Kapitel 1: Das weite Land

Meine Reise begann mit Augenringen. Ich hatte in der Nacht zuvor gerade einmal eine Stunde geschlafen, um möglichst früh aufzustehen und den Zug zu nehmen. Vorher musste ich jedoch zur Bank und dann überhaupt das Ticket kaufen. Da 7/11 sich zu dem Zeitpunkt, Mitte Dezember, entschlossen hatte, ihren ATM Service für ausländische Karten einzustellen, hatte ich erstmal kein Reisebudget. Ich bin dann in voller Montur wieder nachhause und fragte meinen Mitbewohner, der mich zum nächsten Post Office schickte, wo ich dann 30.000yen abhob. Ich hoffte das würde für die gesamte Reise reichen, doch, nunja, das tat es nicht.


Hatsudai nach Sendai

Ich konnte die Reise auch nur machen, weil ich zuvor einen Artikel + Fotos verkauft hatte, und meine Eltern etwas halfen. Trotzdem passte ich auf, nicht zu viel auszugeben.
Am Tag zuvor informierte ich mich noch über die Route im Reisebüro. Die Dame dort hielt mein Vorhaben zwar für ziemlich verrückt, fand es dann aber doch so spannend, dass sie mir viele Infos gab und Zugstrecken ausdruckte, an die ich mich wunderbar halten konnte. Sie wünschte mir dann noch Viel Glück. Ich konnte es brauchen.
Meine Mitbewohner meinten dann noch zum Abschied, dass ich mich definitiv verfahren werde, und entweder früher nachhause komme, weil ich aufgebe, oder später, weil ich nicht nachhause finde.

Ich betone nochmal dass ich kaum Japanisch kann, weder sprechen noch lesen. Es war schon ziemlich verrückt sowas anzugehen, und zu dem Zeitpunkt war ich mir sicher, dass kein Gaijin zuvor diese Strecke fuhr, die so abseits von allem liegt und so mitten im Nirgendwo.

Bis zum ersten Foto sollte noch eine Weile vergehen, das obige ist gemacht in Omiya. Leider nicht im Bild: der etwas ältere Herr, der mit einem imaginären Golfschläger sein Handicap verbesserte.

Ich hatte einen dicken Rucksack dabei, indem viele Klamotten waren. Weil Hokkaido is ja kalt, ne?

Meine Strecke alleine mit Local Trains war in etwa so:

SHINJUKU

* JR Tohoku Line

transfer UTSUNOMIYA

* JR Tohoku Line

transfer KUROISO

* JR Tohoku Line

transfer KORIYAMA(FUKUSHIMA)

* JR Tohoku Line

transfer FUKUSHIMA(FUKUSHIMA)

* JR Tohoku Line

SENDAI(MIYAGI)

Und die ganze Liste, von Shinjuku nach Sapporo war noch bedeutend länger…

Der Zug führte durch das weite Land der Tôhoku Region. Während ich im Zug saß, las ich im Lonely Planet etwas über das Gebiet, durch das ich da fuhr. Es ist recht dünn besiedelt und Touristen verirren sich kaum hierher. Ich kann es nachvollziehen. Einzigartigkeiten, die sich gut auf Postkarten oder Touri-Bilder für zuhause machen, findet man hier wenig. Natürlich gibt es Onsen, Wälder, Berge und Reisfelder, doch es ist natürlich nicht so einprägsam wie ein Tokyo oder Kyushu. Doch gerade dieses weite ‚Nichts‘ fand ich sehr angenehm.

Leider konnte ich das in einem Foto nicht so gut abbilden, aber guckte man aus dem Fenster, links und rechts, so war da einfach nur Feld, mit verstreuten Häusern und einem Berg am hinteren Horizont. Die Zugstrecke führte durch die Felder, mit dem Zug als einsamen metallenen Objekt im großen, weiten Grün. Für das perfekte Bild hätte ich aus dem Zug aussteigen müssen, doch das war im Reise- und Zugplan leider nicht drin.

Die Züge waren stets recht spärlich gefüllt. Das ich für mehrere hundert Kilometer der einzige Blonde im Zug war versteht sich von selbst.

Von Shinjuku an lief alles reibungslos, die Züge kamen oft und schnell, warten musste ich kaum. Der erste große Stopp war in Koriyama, wenn ich mich soweit richtig erinnere. Ich kam so gegen 13 Uhr dort an, nachdem ich gegen 11 Uhr meinen ersten Zug genommen hatte und Utsunomiya passierte (wo ein gewisser anderer Herr mal 5 Wochen lang drüber bloggte).

Kuroiyama war ziemlich tot. Ich bin einmal die Hauptstraße runter und wieder zurück.

Es gab nix besonderes zu entdecken, was mich dezent frustrierte.

Also bin ich wieder zurück zum Bahnhof wo es wenigstens einen Conbini gab. Nach einer Weile kam dann endlich mein Zug. Der Bahnhof war menschenleer, trotzdem ertönte überall eine automatische Ansage, was es etwas gespenstisch machte. Ich war der Einzige, der es hören konnte, doch ich verstand es nicht.

Weiter durchs weite Land.

In dem Zug würde ich jetzt über ne Stunde sein, Zeit ein wenig rumzuspielen.

Ich begann mir Gedanken über die Dörfer und Bewohner zu machen, die hier so weit draußen wohnen. Warum wohnt man hier? Können die Bewohner was interessantes oder aufregendes machen? Oder existiert nur der Alltagstrott vom täglichen Leben und gelegentlichen Fernsehkonsum. Auch wenn es natürlich sehr arrogant ist, so als Vorbeifahrer Urteile über das zu Fällen, was draußen vor dem Fenster passiert.

Die Sonne begann sich langsam zu senken und der Himmel zog sich zu.

So langsam merkte ich auch, wie schlecht es war mit nur einer Stunde Schlaf zu starten. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich nur nach Hause, dort steht mein weiches Bett. Ich war zwar erst 5 Stunden im Zug, doch es ging nich mehr. Würde ich noch weiter fahren, würden mir irgendwo in der Pampa die Augen zu fallen und ich würde sonstwo landen. Im Lonely Planet suchte ich nach einem preiswerten Hostel in der nächsten Stadt. Das war zu dem Zeitpunkt Sendai. Hatte ich nie vorher gehört, schien aber laut Lonely Planet ganz interessant zu sein.

Der Lonely Planet hatte recht.

Im Lonely Planet stand etwas von einem Hostel, das früher ein Bauernhaus war. Das klang cool, da wollte ich hin. Im übervollen Hauptbahnhof von Sendai fand ich dann die Touri-Zentrale, wo ich, mit vorgefertigten Sätzen aus dem Lonely Planet, nach dem Hostel fragte. Sie haben zwar ne Weile gebraucht bis sie mich verstanden haben, und hatten mittendrin auch echt die Lust verloren, es mir zu erklären, doch irgendwie klappte es dann doch.

Das Hostel war etwas ausserhalb, also musste ich nochmal den Zug nehmen. Mit dem Seishun-18-kippu alles kein Problem. Ich bin dann irgendwo in einem Gebiet angekommen, dass vorher wohl für Gewerbe reserviert war, und davor Farmland war. Heute begann sich ein Wohnviertel auf dem teilweise noch brachen Land breit zu machen. Ich fragte den Bahnfutzi in der Station nach dem Hostel. Das heisst, ich fragte nicht, er sah meinen Rucksack, lächelte und meinte: „Hoseteru?“. Ich grinste und sagte „Hai!“. Endlich einer der mich versteht.

Er hatte bereits eine Karte parat, die er mir nochmal ordentlich erklärte. Ohne wär es auch hoffnungslos gewesen zu finden. Aber mit dem Hostel hatte ich wiedermal Glück.

Es war ein traditionelles Haus und ich war in dieser Nacht der einzige Gast. Der einzige, im gesamten Haus.

Man hatte erst Bedenken, ob ich mit meinem Japanisch zurechtkomme, aber wenn ich eins verstehe dann einen Zeigefinger, der auf alles Relevante im Haus deutet. Ich hatte einen ganzen Raum für mich, der sogar noch unter 2000yen kostete, wenn ich mich recht entsinne…

Meine Laune besserte sich schlagartig:

Und nachdem ich auch meinen schweren Rucksack abgelegt hatte, fühlte ich mich auch wieder lebendiger. Ich merkte den Hunger, der mich seit der letzten heissen Nudelsuppe in der Bahnstation Utsonimya plagte. Essen gabs im Hostel keins, also bin ich wieder nach Sendai rein.

Im Zug, der auch vom Flughafen Sendai zur Stadt führte, saßen dann drei Deutsche in meinem Wagen. Einer davon versuchte bei einer der begleitenden Japanerinnen zu landen, indem er in Englisch von seinem gestrigen Instant-Nudelsuppen Abenteuer erzählt hat. Die Japanerin nickte höflich mit, lachte wenn er lachte – und verstand null.

Doch mal ernsthaft, was machen Deutsche in Sendai? Einer bloggt(e) ja von da, vielleicht weiss er es…

Angekommen in der Stadt und die Erinnerungen an das Tokyo, das ich verlassen habe, kamen wieder hoch.

Rund um den Bahnhof war Hektik, Stress, Lichter und Menschen.

Auf dem Weg zum Hostel habe ich vom Zug aus mehrere beleuchtete Türme gesehen, die mich interessierten. Ich bin dann also nochmal im Touri-Büro vorbei um zu fragen was das ist – und auch um sie nochmal ein wenig zu ärgern. Das waren mehrere Fernsehtürme, die in verschiedenen Farben leuchteten. Insgesamt fünf an der Zahl, alle um Sendai verteilt und um die 150m hoch. Aber nicht offen fürs Publikum. War leider auch schwierig zu erwischen, aber hier, die Lichtsäule links im Bild.

Nachdem ich mich dann in einem Konbin gestärkt habe, wollte ich mir das Schloss von Date Masamune anschauen, bzw. das was davon übrig war.
Date Masamune war bzw. ist ein ziemlich bedeutende Figur in der Tôhoku Region, über seinen Namen sollte ich noch mehrmals stolpern. In Sendai hatte er als Daimyo sein Schloss, von dem nur noch das Steinfundament steht. Doch genau das wollte ich sehen.

Ich hatte irgendwie ne Karte, und auch ab und an nach dem Weg gefragt, doch irgendwann habe ich mich hoffnungslos verlaufen. Ich fragte einen Studenten nach dem Weg und er meinte: „Dann gehen wir zusammen hin.“ So traf ich Tomihari.


Ich meinte zu ihm „He, guck mal wie Date Masamune“

Tomihari ist ein Jura-Student. Er würde gerne Anwalt werden um Menschen zu helfen. Er mag deutschen Fussball und sein Englisch ist passabel. Manchmal stockte es etwas, doch im Groben und Ganzen konnten wir uns gut verständigen.

Er wusste garnicht wie oft er schon hier oben beim Schloss war, als Schüler geht man hier regelmäßig hoch in Sendai. Ohne ihn hätte ich es auch niemals gefunden, der Weg war nicht beleuchtet und kaum ausgeschildert.
Tomihari meinte auch ständig „noch 5 min“, doch es streckte sich… Das Problem war, dass mein Hostel um 21:00 Uhr die Tür abschließt, ob ich da bin oder nicht. Daher hatte ich etwas Druck.

Hier mal ein kleiner Exkurs zu Tôhoku und seinen Bewohnern: Da Tôhoku, wie gesagt, recht weit gestreckt ist, neigen die Bewohner dazu, Entfernungen falsch einzuschätzen und Distanzen falsch anzugeben. Fragt man also wie weit der Weg ist, und man krieg 5 min gesagt, kann man ruhig mal 10min dazu addieren. Daran musste ich denken, als mich Tomihari zum Schloss führte.

Irgendwann kamen wir dann und hatten einen wunderbaren Ausblick auf Sendai.

Diesen Moment der Stille, im Schatten vom Arsch von Masamune’s Pferd (oder zumindest seiner Statue)…

…wollten wir festhalten.

Und, nunja, ist wohl ganz gut, dass Tomihari Anwalt wird, und nicht Fotograf 😉

Sendai und die gesamte Tôhoku Region ist mir echt sympathisch. Die Menschen sind offener, weniger gestresst und neugieriger am Fremden, als in Tokyo. Sendai ist zudem auch ein wichtiges Zentrum für Anime und Manga, viele Zeichner stammen aus der Umgebung und Sendai hat schon mehrere Modetrends gesetzt. Eine leicht zu übersehende, aber nicht zu unterschätzende Perle im Norden.

Tomihari und ich konnten dann zum Glück noch den Bus zum Bahnhof erwischen und ich schaffte es noch rechtzeitig ins Hostel, wo ich dann auch schnell einschlief.

Der nächste Morgen begann früh, um halb sechs. Ich wollte möglichst früh den ersten Zug erwischen und Strecke machen. Vorher musste ich allerdings etwas gegen die Kälte tun, die über Nacht durchs Haus gekrochen ist, und es an den Fenster kondensieren ließ.

Ein Blick aus dem Fenster.

Es sah nicht gut aus, doch was solls, ich wollte weiter. Noch ein kurzer Blick auf das Haus zum Abschied…

…und weiter gings, Richtung Norden. Noch an diesem Tag sollte ich den ersten Schnee sehen, doch Hokkaido war noch weit weg….

Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai
Kapitel 7:Das Ende der Reise

Journalismus Rabatt

Ich verbrachte eine Nacht im Fujiya Hotel, dem ersten westlichen Hotel Japans und ein Kleinod, versteckt in den Bergen von Hakone. Es verbindet auf einzigartige Weise das Neue und das Alte, den Westen und den Osten, mit einer gehörigen Portion Luxus und sieht dabei aus, wie aus einem Film von Hayao Miyazaki. Die Zimmer rangieren so 20.000-40.000yen pro Nacht. Wieviel ich bezahlte? Nun…. Nichts.

Wie schon ein paarmal erwähnt, arbeite ich hier ja für das Metropolis magazine Tokyo, nur eben unbezahlt. Wenn ich allerdings einen Job für die mache, bekomme ich die Transportkosten erstattet.
Ich wollte nun eine kleine Reise machen und gleichzeitig ein Thema fürs Metropolis behandeln, damit ich die Reise auch bezahlt kriege. Die Wälder von Hakone, einem beliebten Reiseziel und 100km westlich von Tokyo in den Bergen, lockten Ende September mit wunderschönen Laubwerk im Wandel der Jahreszeiten.

Ich fragte also beim Metropolis nach, ob sie was aus Hakone wollten. Da das Metropolis nun schon seit über 10 Jahren existiert, und Hakone noch länger, war das natürlich schon bereits Thema. Ein Editor schlug allerdings das Fujiya Hotel in Hakone vor, da das doch recht spannend sei und bisher nicht abgedeckt wurde.

Das Fujiya Hotel wurde 1878 erbaut, von einem Japaner der amerikanische Hotels kennen- und schätzen gelernt hatte. Er wollte nun in Japan auch so ein Hotel aufbauen und suchte sich mitten in den Bergen einen passenden Ort: Miyanshita. Über die Jahre hat das Fujiya viele Erdbeben, Feuer und Renovierungen gesehen, ist aber nach wie vor klassisch geblieben.

Ich schrieb das Hotel also an, fragte nach ob sie Interesse an einer Berichterstattung haben und ob sie mich dabei „unterstützen“ können. Natürlich hab ich zwischen den Zeilen gefragt ob ich da kostenlos ne Nacht pennen kann, aber man muss ja schon ne gewisse Form wahren.
Es hat eine Weile gedauert, aber nach zwei Wochen kam dann eine höfliche Antwort. Man freut sich über das Interesse und wollte hören, was wir uns denn so vorgestellt haben.
Nach etwas hin und her war es dann klar: Ich sollte fürs Metropolis eine ganze Seite machen (Fotos + Text) und konnte eine Nacht im Hotel übernachten – kostenfrei.
Meine Reaktion war ungefähr so:

cheese
Quelle: wikipedia commons

Eine ganze Seite! Und eine Nacht in nem Luxushotel! Gratis! Ich mag meinen Job. Aber im Endeffekt fühlte es sich dann doch mehr nach Arbeit an…

Ich wollte noch einen Freund mit ins Hotel nehmen und fragte nach, ob das Hotel denn auch noch Platz für „meinen Assistenten“ hat. Ja hatten sie, und mein Freund musste dann im Hotel immer die Rolle meines Assisten spielen. Mich störte das allerdings nicht 😉

Das Fujiya liegt in Miyanshita, Hakone, ca. 3 Stunden von Tokyo-Shinjuku entfernt. Die Zugstrecke selbst ist aber wunderschön, die letzte Stunde führt sie die Berge im Zick-Zack Kurs hoch, vorbei an grünen Schluchten und steilen Bergen.

Wenn man das aus dem Zug kommt fühlt man sich von Tokyo ganz weit weg. Und wenn man das Hotel betritt, hat man die Gegenwart komplett verlassen.

Alles ist sehr klassisch, wie aus dem 19.Jhd. Alte Salons, viele verzierte Holzvertäfelungen und ein besonderes Gefühl in der Luft. Man ist einfach ganz woanders, weder in Japan, noch in Amerika.

Im ganzen Haus arbeitet nur ein Gaijin – und das schon seit 11 Jahren. Dementsprechend war er der Ansprechpartner für mich.

Seit 11 Jahren arbeitet er in diesem vornehmen Hotel und „Service“ ist ihm ins Blut übergegangen. Immer vornehm, zuvorkommend und höflich, dabei immer die Haltung wahrend und konzentriert sein. Im Schnelldurchlauf zeigte er mir das Hotel, ich machte fix Bilder und notierte mir alles so gut es ging.

Ich hatte zwei Tage um genug Bilder zu machen und Infos zu sammeln. Am Ende musste ich eine ganze Seite füllen – viel Verantwortung. Zumal das Hotel mir einfach einen Raum für 40.000yen die Nacht kostenfrei zur Verfügung stellte. Dementsprechend war ich die meiste Zeit angespannt und konzentriert ja alles richtig zu machen. Die zwei Tage fühlten sich erst in der Retrospektive erholsam an.

Nach der Tour gings aufs Zimmer – welches so groß war wie mein gesamtes Appartment in Tokyo, welches ich mir mit zwei anderen teile:

Vier Meter hohe Wände, ein begehbarer Kleiderschrank und drei meter hohe Fenster. Das Ganze erinnerte mich an Berliner Altbau-Architektur, nur nicht ganz so schmuddelig. Der große Flachbildfernseher in der Mitte des Zimmers wirkte nur etwas anachronistisch.
Dazu gab es ein weiches, europäisches Bett! Ich fiel direkt ein und lachte laut vor Glück, und mein Rücken freute sich mit mir.

Hier lag ich nun, mitten in den japanischen Bergen in einem Luxushotel. Ich glaub mir ging es etwa so:

cheese
Quelle: wikipedia commons

Es war nun schon Abend und vor 22 Uhr würde mein Freund aus Tokyo nicht ankommen. Ich nutzte also die Zeit um den Indoor-Pool des Hotels zu ähm „testen“.

Die zweistöckige Architektur erinnerte mich dabei an klassische Hallenbäder aus Berlin. Der Pool war recht leer, weil zu dem Zeitpunkt gerade das Abendessen in der Dining Hall serviert wurde. Das Essen war leider nicht journalistisch relevant genug, d.h. nicht kostenlos. Und 5,600yen hat ich dann doch nicht übrig. Zumal ich eh auf meinen Freund warten wollte.

Das Hotel liegt direkt über eine heissen Quelle, die exzessiv im Haus genutzt wird. So wird der Boden der Dining Hall mit frischen heissen Quellwasser erwärmt, das heisse Wasser in jedem Zimmer, welches aus dem Wasserhahn kommt, ist Onsen-Wasser und auch der Indoor-Pool ist mit Onsen-Wasser gefüllt. Sehr erholsam.

Gegen halb 11 kam dann meine „Assistenz“ aus Tokyo an. Alle Restaurants im Dorf und Hotel hatten zu, also gingen wir zum einzigen Konbini vor Ort. Dazu muss man sagen: Miyanshita besteht eigentlich nur aus dem Fujiya Hotel, einer zugehörigen Bäckerei (die großartiges Curry-Pan macht), zwei Restaurants, einem Fotostudio, einem Antik-Bedarf und eben diesen einen Lawson-Konbini.

Wir versorgten uns reichlich und gingen dann ins Hotel. Da die Zimmerpreise wie gesagt recht hoch waren, waren nur recht gut betuchte Leute Gäste dieses Hotels. Mit unseren Konbini-Beuteln schleichten wir uns dann an diesen Leuten vorbei – wir wollten ja nicht auffallen…

Wir machten es uns dann im Zimmer gemütlich. Im japanischen Fernsehen lief dann eine einstündige Reportage über Deutschland, mit dem ICE von West nach Ost, was ich in anbetracht meiner Lage für ziemlich absurd hielt. Es kam aber noch besser:

Das Hotel existiert wie gesagt schon seit über hundert Jahren und hat in der Zeit viele Gäste gesehen. Die Geschichte vom Hotel wird auch im Hotel-eigenen Museum gezeigt.

Die alten Gästebücher sind dabei ein besonderer Schatz.

Zu den prominenten Gästen gehören, u.a. der Kaiser (der jetzige und vorherige), Albert Einstein (der einen deutschen Eintrag hinterließ der, nunja, bescheiden ausfiel 😉

Charlie Chaplin

und John Lennon, zusammen mit Yoko und Sohn

Nun, John Lennon ist für mich eine ganz besondere Person. Ich bin mit den Beatles aufgewachsen, da mein Vater ein großer Fan ist, und bin auf das John-Lennon-Gymnasium in Berlin gegangen. Ehrlich, das gibts wirklich.

Dementsprechend bewegt, war ich ihn dort zu finden. Insbesondere sein Eintrag ins Gästebuch:

Man beachte das Fragezeichen im Berg. Das Fujiya heisst Fujiya, weil der Gründer beim Gast eine Assoziation vom Namen mit dem Berg Fuji auslösen wollte, dem man vom Hotel aus sehen kann. Nun, wir sahen ihn nicht.
Jeder Reiseführer schreibt über fast jede Ecke von Japan: „An klaren Tagen kann man den Fuji sehen“. Ich habe bisher den Fuji noch nicht gesehen und beginne langsam an seiner Existenz zu zweifeln. Dementsprechend witzig fand ich John Lennons Karrikatur: Wo ist der Fuji?

Zurück im Hotelzimmer lief nach der Deutschland-Reportage ein Interview – mit Yoko Ono!. Ich befand mich im Hotel wo Yoko Ono mit ihrem Mann vor 31 Jahren war, und exakt an diesem Abend erscheint sie nach jahrelanger Pause wieder im Fernsehen. Absurd.
(Sie sah aber nicht mehr so frisch aus, wie auf dem Foto ’78….)

Im Hotelmuseum lässt sich auch eine Galerie vom International Mustache Club finden:

Gewonnen hat aber eindeutig der Gründer vom Fujiya:

Am nächsten Morgen gab es dann sehr teures aber vorzügliches Frühstück in der Main Dining Hall, mit Tafelsilber und freundlicher Bedienung.

Das wir heute Bilder machen wurde groß angekündigt, weswegen alle freundlich mich grüßten und, sofern ich das brauchte, auch posierten wie ich das wollte. Fand ich toll =)

Noch ein Wort zur Dining Hall: An den Wänden befanden sich viele Fratzen:

Diese sind nach dem Gründer und ersten Manager des Hotels modeliert. Beim Abendessen stellen sich die Kellner vor die Masken, um sie zu verdecken und auch um den Blick vom Chef im Nacken zu haben. Kinder haben regelmäßig Angst vor den Dingern…

Nach dem Frühstück gings wieder durchs Hotel, Impressionen sammeln:


Fujiya Teddy

Das ist eine besondere Hühnchen-Art, die es in Hakone gibt/gegeben hat. Die Schnitzerei hier wurde gern von Helen Keller berührt (eine taub-blinde Frau, die Schriftstellerin wurde, sehr bekannt in den USA).


Eben ein langschwänziger Hahn (ca. 1,80m bis zum Boden)


Die Parkanlagen vom Fujiya sind sehr weitläufig, man braucht ungefähr zwei Stunden um alles zu durchqueren.

Das Fujiya ist auch sehr beliebt für Hochzeiten, an diesem Tag fanden fünf (!) statt. Ich erwähnte eingangs das Fotostudio im Ort. Der Fotograf dort bearbeitet jede Hochzeit im Hotel. Klingelnde Kassen.

Im Parkgelände gibt es auch eine Kapelle, mit Sicht aufs Tal. So heiratet es sich doch gerne.

Aber wenn man ehrlich ist: Besser Aussichten als dort, kann es doch nicht mehr geben in der Ehe, oder?

Als wir dort ankamen, war grade eine Hochzeit vorbei, und die Blütenblätter lagen noch.

Im Park gab es auch einen Teich mit lauter gierigen Koi-Karpfen.

Eine Familie stand fasziniert davor und überlegte.

Die Tochter war mutig genug sie zu füttern

Aber Mutti machte es mit mehr Eleganz.

Nach 400-500 Fotos hatten wir auch genug und verabschiedeten uns. Auf dem Rückweg wanderten wir noch durch Hakone und seine Wälder, doch das bring ich mal lieber in einem zweiten Eintrag unter.

Wir waren Ende September im Fujiya und erst letzte Woche schaffte ich es, den Artikel fertig zu machen. Zwischendurch war das Fujiya etwas verärgert und fragte, wo der Artikel denn bleibe. Zur Beschwichtigung schickte ich die Fotos rum, die sie nicht wirklich mochten.
Expliziter wurden sie dann in der letzten Mail in dieser Woche, was ich recht negativ aufnahm.
Ich kann stolz feststellen, dass ich noch nie (!) einen Kunden hatte, der mit seinen Bildern unzufrieden war. Das Fujiya hätte die Strähne durchbrochen. Im Endeffekt war es aber ein Missverständnis, da ihnen nur die Auswahl der Bilder seitens der Metropolis missfiel.

…zumal: bezahlt hat mich hier keiner, wozu aufregen.

Lieber Fujiya-mäßig entspannen….

Homepage vom Fujiya-Hotel: Hier

Der Artikel ist in der nächsten Ausgabe der Metropolis (diesen Freitag), kostenlose Exemplare gibts überall in Tokyo.

Ich bin dann jetzt erstmal in Hokkaido, bis nächste Woche, oder so….