Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt

Oder: Wie ich drei Mädchen zum Weinen brachte.

Knapp 1.800 Fotos im Schnelldurchlauf. Und das waren nicht mal alle, die wir machten.

Ich bin mittlerweile im 4. Semester Fotojournalismus in Hannover. Allzu viele Fotos mache ich aber zur Zeit nicht. Vor dieser Aktion im Studio habe ich die Kamera seit Februar nicht mehr angefasst.

Im Keller der Uni haben wir ein eigenes Fotostudio, das sich über zwei Etagen erstreckt und mit vielen teuren Sachen ausgestattet ist. Die Benutzung und Reservierung ist daher immer so eine Sache.
Für ein Seminar sollten wir nun als Gruppe sechs Portraits fotografieren und zwei Stillleben inszenieren. Darunter: ein Wasserglas.

Mich nervt Studio. Für das Wasserglas haben wir insgesamt vier Stunden gebraucht, bis das Licht perfekt saß. Jede Reflektion, jeder Schimmer, jeder Kontrast muss sitzen. Viel Geschiebe und Fummelei. Und einmal kurz daneben greifen, schon kann man wieder von vorne anfangen.

Bei vier Fotografen in einem Studio weiß es jeder immer besser. Mich eingeschlossen.
Das alles nicht ganz reibungslos ablief, ist klar. Aber wir hatten nun mal nur zwei Tage in diesem Semester zugeteilt, in denen wir alles erledigen mussten. Es ging nicht anders.

Die Portraits waren da ein ganz großer Aufreger. Zwei Tage vorm Shooting hatten wir noch niemanden gefunden. Zum Termin kamen dann sogar neun Leute, drei mehr als wir eigentlich brauchten. Wir fotografierten alle schnell im Akkord durch und zählten gar nicht mit. Das es am Ende ganze neun waren, merkten wir erst zum Schluss. Und wir spürten es auch. Neun Leute in fünf Stunden ohne Pause durchfotografieren ist anstrengend.

Die Idee war, am Ende ein Mosaik der Emotionen und Gesichtsausdrücke zu haben. Wir hatten uns acht Gefühle bzw. Zustände notiert, und sind die mit jedem mal durchgegangen. Dazu hatten wir uns extra Schauspielstudenten von der Uni gegenüber bestellt. Schauspieler brauchen eh immer Fotos, also fanden sich schnell viele.

Bevor ich ja mit der Fotografie anfing, drehte ich Filme. Die Arbeit mit Schauspielern und die Regie lag mir also nicht fern. Es hat auch echt Spaß gemacht, weil unsere Modelle talentiert waren und viel Energie in unsere Fotos investierten. Es wurde gebrüllt, geschrien, gelacht. Und drei von ihnen konnten sogar auf Kommando weinen. Einigen brauchte ich nur das Gefühl zu nennen, und sie konnten es spielen. Andere brauchten eine konkrete Situation oder mit dem richtigen Gespür einen kleinen Schubser in die richtige Richtung.
Einem Mädchen sagte ich, dass sie Krebs hat – und die Tränen rollten.
(Das tat mir dann anschließend aber auch selbst weh, dass ich ihr das so ins Gesicht sagte.)

Als Kind habe ich viel geschauspielert. Die Fähigkeiten, die ich dabei erlernt hatte, nutze ich heute noch. Eine aus meiner Gruppe meinte am Ende des Tages auch, dass ich heute ohne Probleme auch vor die Kamera gekonnt hätte.

Jetzt ist wieder Fotopause bis Juni. Und das langweilt mich. In diesem Semester, wie im letzten schon, liegt der Fokus auf der Theorie, nicht auf der Praxis. Das ist zwar auch sinnvoll, ödet mich aber eher an. Ich bin lieber unterwegs und mach eine Geschichte, statt in einem Raum zu sitzen und mir was von der Welt erzählen zu lassen. Auch wenn natürlich Wissen zur rechtlichen Situation, foto-wirtschaftlichen Mechanismen und Details aus der Verlagswelt nützlich sind.

Ich bin nicht der einzige, der zur Zeit nix zu fotografieren hat und mit Neid in das 2. Semester schielt. Dort muss alle zwei Wochen eine neue Reportage entstanden sein. Angenehmer Druck, oh wie er mir fehlt. Er verfeinert auch Geschichten. Er gibt ne Richtung vor.
So geht jetzt die Energie in jede Richtung und kommt nirgends an.

Hier gab ich Anweisungen bei den Schauspielern und fotografierte nur das Wasserglas – wobei man da, wenn alles gestellt ist, nur gelangweilt den Knopf drücken braucht. Es ist alles so klinisch, mechanisch.

Es gibt nur noch zwei Kurse, für die ich in diesem Semester Fotos machen muss. Für beide bin ich da erst im Sommer unterwegs. Das heißt, bis Juni bleibt die Kamera unangetastet – sofern mir nix einfällt.

Ich glaub Rachels Gesicht bei 02:47 beschreibt da mein momentanes Gefühl ganz gut.

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