Endlich Finnland Extra: Das Saunamobil

Ich saß in der Mitte der Sauna. Neben mir zwei dicke Finnen, von denen einer aussah wie der Weihnachtsmann. Er reichte mir eine Flasche Wodka, inzwischen schon halb leer. Das Radio spielte Bohemian Rapsody von Queen. Nur ich sang.

Prolog
Schon seit längerer Zeit wollte ich ja meine Freundin Tiina mal in Finnland besuchen. Da ich kostspielige Reisen gerne mit nem Job verbinde, fragte ich sie direkt, ob ihr was einfällt, über das ich eine Geschichte machen könnte. Sie überlegte. In Lappland gibts Hexen, sagte sie, aber nach Lappland fliegen ist sehr teuer. Ja und ansonsten gäbs da noch einen Freund ihres Vaters. Der hat sich ne Sauna in sein Auto gebaut. Aber das ist ja nichts besonderes.

Die Finnen gelten ja allgemein als etwas verrückt, oder sonderbar. Selbst Finnen selbst sagen das über sich. Was ich sonst noch über die Finnen wusste: Sie lieben Sauna.
Die Geschichte, über einen verrückten Finnen, der sich ein Sauna-Häuschen in sein PKW baut, konnte also nur gut werden.

Eins aber schon mal vorweg: Ich habe keine Ahnung von Autos. Ich hab nicht mal nen Führerschein. Ich habe dafür eine Ausrüstung, die kostet so viel, wie zwei Mal Führerschein machen. Ich investierte mein Geld immer in Kameras und Reisen.

Ich tat mich also mit einem Kollegen zusammen, der damals noch als freiberuflicher Journalist für Automagazine arbeitete. Er lieferte die Kontakte zu den Magazinen und machte den Text im Duktus der Autozeitschriften. Ich sorgte für Recherche und Bilder. Vor dem Abflug gab er mir noch eine lange Liste von Hinweisen und von Motiven, die ich mitbringen sollte. Tiina übersetzte alles und stellte den Kontakt her. Sie musste dafür ja nur ihren Vater fragen.

Nach Feierabend sammelte uns Tiinas Vater ein, um uns zu seinem Freund zu fahren. Vorher machten wir noch beim Supermarkt Halt. Wodka kaufen. Aber nur guten Wodka, wie mir Tiina erklärte. Direkt aus Russland, das ja nur ein paar Kilometer entfernt war. Es ist so Brauch in Finnland, das man beim Saunieren Wodka trinkt.

Ich erzählte Tiina gerade, was ich mir für den Bericht überlegt hatte, als wir auf den Hof fuhren. Ich sprach den Satz gar nicht mehr zuende. Denn da stand es, das Sauna-Auto. Ein 1963er Skoda Octavia, mit einem kleinen Häusschen hinten. Ich konnte nur noch staunen.

Ein Hund begrüßte uns laut bellend, gefolgt von seinem Herrchen. Timo Ukkonen, 49, so alt wie sein Saunamobil. Er sprach kein Englisch, war aber sichtbar stolz auf sein Auto und das jetzt ein Fotograf aus Deutschland kam, darüber zu berichten. Es war bereits später Abend. Hätte sich die Sonne an diesem regnerischen Tag überhaupt einmal gezeigt, sie wäre jetzt schon hinter den Wäldern um Timo Ukkonens Haus verschwunden. Mit dem letzten bisschen Licht musste ich jetzt noch schnell arbeiten und alle Motive liefern, die gefragt waren.

Timo warf inzwischen schon mal die Sauna an.


Man bemerke die Scheinwerfer-Fensterscheiben

Es gibt ca. 100 Sauna-Autos in Finnland. Das hier ist das einzige, bei dem das Auto selbst die Sauna beheizt. Der Motor treibt einen elektrischen Generator an (der schwarze Klumpen vorne), der die Sauna erwärmt. Die Technik hat Timo selbst verlegt. Genau wie das Parkett. Es ist das selbe, wie in seinem Wohnzimmer, in dem wir für das Interview Platz nahmen. Das Holz stammte von einer Fichte aus seinem Garten.

Der Wassertank fasst 30 Liter. Genug für drei Saunagänge, inklusive Dusche, wie mir Timo erklärte. Er sagte mir auch, dass der Sitz aus Stein ist, “weil sonst der Arsch festklebt.”

Jedes Haus in Finnland hat eine Sauna. Und jede Sauna in Finnland hat einen kleinen Sauna-Kobold. Das Sauna-Auto natürlich auch.

Der sauna tonttu hält die Sauna ordentlich und sorgt für angenehmes Klima. Die Menschen bedanken sich bei ihm durch kleine Opfergaben, wie Öl oder Kräuter, die in eine Schale gelegt werden.

Läuft die Sauna, blinkt es rot über der Windschutzscheibe. Saunieren beim Autofahren ist möglich. Timo rät mir aber davon ab.

Und neben dem Tacho…

…ist die Wassertemperatur-Anzeige. Bis zu 110°C sind möglich. Für den armen Deutschen, ohne Sauna daheim, haben sie es aber runter gedreht.

Fahren darf man mit dem Auto offiziell zwar nicht, aber es gibt die Möglichkeit, beim finnischen TÜV so eine Tageserlaubnis zu beantragen. Die holt sich Timo Ukkonen auch stets vor der jährlichen Sauna-Auto Messe im 400km entfernten Teuva. Er fährt aber nicht die ganze Strecke damit, ein Truck zieht es bis dort.

Er drehte noch mal eine Runde für mich um sein Grundstück…

…und wir gingen ins Haus. Seine Familie war bereits versammelt. Alle schauten interessiert dem Interview zu, aber kaum einer sagte was. Nicht einmal Timo selbst. Die Finnen sind maulfaul, das merkte ich wieder mal. Ich musste ihm alles aus der Nase ziehen, brauchte mehrere Anläufe pro Frage. Tiina gab sich engagiert Mühe, meine Fragen beantwortet zu kriegen, trotzdem redete sie am meisten von allen Personen im Raum. Mein Notizblock füllte sich nur langsam.

Ich bin nicht der erste, der über sein Auto berichtet. Aus dem Nebenzimmer holte er einen Stapel von Zeitschriften, der Großteil finnisch. Eine große Boulevardzeitung in Finnland wählte sein Auto zu dem Verrücktesten im gesamten Land. Schon 1999 fing er an, daran zu bauen. Er bekam den 1963er Skoda Octavia günstig, aber in mittelmäßigen Zustand. Die komplette Rückbank fehlte. Timo Ukkonen schaute sich dann die Form an, überlegte, was man damit machen kann, und sein erster Gedanke war “Sauna!”.
Ich stelle mir gerne vor, wie ein schnauzbärtiger Finne, Ende 30, vor dem kaputte Skoda steht. Wie Wicki der kleine Wikinger reibt er sich die Nase, schnippt mit den Fingern und sagt laut in den finnischen Wald: “Ich habs! Sauna!!”.

Ich finde, es sagt viel über jemanden aus, wenn der erste Gedanke ist, sich ein kleines Häusschen mit Dach in sein Auto zu bauen.

Würde er es je verkaufen? Vielleicht für eine Million Euro? Timo muss lachen. Niemals. Aber für drei Millionen vielleicht. Für ihn ist das Auto auch noch nicht fertig. Er hat noch einige Ideen, was er verbauen möchte. Was genau möchte er nicht sagen. Die Sauna-Auto-Konkurrenz schläft sicher nicht.

Sein Saunamobil ist nur für Freunde, sagt Timo, er selbst benutzt es auch nur so vier Mal pro Jahr. Scherzhaft frage ich ihn, ob man mit dem Auto Frauen beeindrucken kann. Er antwortet nicht und schaut stattdessen vorsichtig zu seiner Frau, die links neben mir in einem Schaukelstuhl sitzt. Sie blickte zurück und sagte etwas strenges auf Finnisch. Tiina lachte, aber weigerte sich, es mir zu übersetzen. Nächste Frage.

Drei Leute passen in die Sauna. Ich frage seinen Sohn, der einigermaßen Englisch konnte, aber sich nicht traute, etwas zu sagen, ob er schon mal im Sauna-Auto saß. Ja, sagt er, ein paar Mal. Ihm gefalle sie viel besser, als die hauseigene Sauna. Der Dampf sei weicher.

Ich hatte, was ich wollte. Tiina, die die ganze Zeit rechts von mir saß, meinte, jetzt sollte ich mich ausziehen.

Timo lud mich und Tiinas Vater zusammen mit der Flasche Wodka in sein Sauna-Auto ein.

Die beiden saßen schon, als ich mit einem bunten Handtuch um die Taille und auf Flip-Flops durch den Regen zum Auto ging. Aus dem Häuschen dampfte es bereits. Die beiden gestandenen Finnen glänzten vor Schweiss. Es war nicht schwer, zwischen sie zu rutschen. Da saß ich nun. Mit zwei Finnen, die kein Englisch konnten. Backe an Backe.

Finnen mögen Sauna, weil es die Leute gleich macht. Ohne Uniformen, ohne teure Kleidung, ohne Rang ist man doch nackt und echt in der Sauna. So kommt man sich näher. Tiinas Vater reichte mir den Wodka. “Du musst ordentlich viel Wasser trinken, Fritz” sagte er mir, schelmisch grinsend. Und es brauchte nur etwas Wodka, schon sprach er ordentlich Englisch. Selbst Timo drehte jetzt auf. Da ich in der Mitte saß, machte die Flasche oft bei mir Halt. Und ich hätte nicht gedacht, was für eine lustige Unterhaltung ich mit zwei Finnen in der Sauna haben kann.

Ich trinke übrigens selten Alkohol. Bier mag ich nicht, und pro Woche einmal besaufen muss auch nicht sein. Was ich, wenn ich trinke, gerne trinke, ist allerdings tatsächlich Wodka. Den vertrage ich auch ganz gut. Liegt wohl in der Familie, oder an der ostdeutschen Prägung. Trotzdem musste ich nach ca. einer halben Stunde in der Sauna kapitulieren. Die Hitze und der Wodka in Kombination. Das war zu viel. Die beiden Männer lachten, als ich die Tür öffnete und Richtung Haus torkelte. Sie machten ohne mich weiter.

Kalt geduscht und wieder angezogen, nahm ich zutiefst entspannt und zutiefst betrunken wieder auf der Couch neben Tiina Platz. Die grinste mich die ganze Zeit nur an. Ich krieg nicht mehr genau zusammen, was dann passierte. Ich weiß nur, dass ich irgendwann anfing, mit der Tochter von Timo zu flirten, die kurz zuvor vom Sport kam und mich die ganze Zeit ansah.

Ich muss wohl auch ein Foto der Katze gemacht haben. Warum auch immer.

Mit der Kamera bin ich dann noch mal raus. Tiina hatte sie sich frecherweise vorher schon geborgt, und kam vorbei, als ich noch mit Timo und ihrem Vater in der Sauna saß. Durch den Dampf konnte sie allerdings kein scharfes Bild machen, also brauchte ich noch eins. Ich klopfte kurz an die Tür der Sauna, bevor ich sie öffnete. Die beiden Männer hatten sich inzwischen ihrer Handtücher entledigt. Die Flasche Wodka war leer. Als sie die Kamera in meiner Hand sahen, drückten sie die Beine ganz schnell wieder zusammen. Es macht fast synchron Flopp, als die nassen Schenkel aneinander klatschten. Sie fragte mich noch, ob mit mir alles okay ist, und ich glaube sogar, ich hab auf Finnisch geantwortet. Oder etwas, was ich in dem Moment für Finnisch hielt.

Mit der Kamera fest in beiden Händen torkelte ich wieder zurück. Ich glaube seit dem Abitur war ich nicht mehr so betrunken gewesen. Es war weniger die Menge des Alkohols, oder der starke russische Wodka. Es war die Hitze, die es schnell in den Kopf beförderte.

Irgendwann liefen dann zwei nackte Finnen im Wohnzimmer an mir vorbei, Richtung Bad. Über eine Stunde hatten sie es ausgehalten.

Tiina, die nüchtern blieb und zum Glück nen Führerschein hatte, fuhr uns dann nachhause. Aber nicht ohne vorher noch von mir ein Foto zu machen.

Die Geschichte wurde Ende letzten Jahres in der Skoda Extratour (PDF) und im April diesen Jahres in Auto Bild Klassik veröffentlicht. Danke an David Zwadlo dafür!

Mit der Geschichte, und dem Job für die Bahn, konnte ich nicht nur alle Kosten der Finnlandreise wieder einspielen, sondern hab sogar noch etwas Plus gemacht. Das ist nicht bei jeder Reise so und daher besonders glücklich.

Endlich Finnland
Teil 1 – Train Job
Teil 2 – Helsinki ist nicht hell
Teil 3 – Im Haus am See
Teil 4 – Im Innern des Waldes
Teil 5 – Schlaflos in Kopenhagen
Extra: Das Saunamobil

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *