Tokyo Honig

Aus der Reihe: Geschichten, aus denen nichts geworden ist.
Wie in Berlin, Paris oder London gibt es seit einigen Jahren auch in Tokyo den Trend, mehr Natur in den urbanen Raum zu bringen – und auf Hochhäusern Bienen zu züchten. Zwei Dächer habe ich im Spätsommer 2013 besucht.

Es ist ja nicht so, dass jede Geschichte gelingt oder so einschlägt, wie zum Beispiel die Puppen (die es letzten Monat tatsächlich in die National Geographic geschafft haben). Manchmal ergibt eine Recherche eine Sackgasse, ich finde keinen Ansatz für die Geschichte, keinen Zugang zu den Personen oder es fehlt die Zeit. Ebene Geschichten, aus denen nichts geworden ist. Kurz: Gadngi.

Mitte September 2013 bin ich in Tokyo gelandet, erst am 1.10. musste ich in Hiroshima mein Semester beginnen. Und da ich es nicht mag, tatenlos rumzusitzen, wollte ich vorher noch eine kurze Geschichte reinquetschen. Ich hatte zuvor im Asienspiegel über Honigbienen in Tokyo gelesen und fand das Thema eigentlich ganz interessant. Zuerst besuchte ich das “B-Bee Project” in Yaesu, auf dem Dach eines bekannten Buchhandels.

Das war schon etwas ulkig. Drei Männer im Anzug, plus eine Dame, die nie was sagte sondern stets nur steif daneben stand. Ich sprach mit dem Gründer des Projekts, ein Professor namens Yamada, der auch etwas Englisch konnte.

Er selbst stammt vom Land und vermisst seit seinem Umzug nach Tokyo die Natur. Das große Erdbeben von 2011 gab dann den endgültigen Anstoß für sein Projekt, Landwirtschaft in die Metropole zu holen. Ihm geht es auch darum, dass Kinder und Jugendliche verstehen, woher ihr Obst und Gemüse kommt.
Für das Dach in Yaesu, in der Nähe von der Tokyo Station, musste er hart kämpfen. Der Besitzer war zunächst dagegen und fürchtete Beschwerden von Kunden oder Anwohner. Mittlerweile ist der Besitzer jedoch stolz darauf, bietet im hauseigenen Café selbstgemachten Honig an und hat nun eine eigene Abteilung für die Bienen und nachhaltige Entwicklung. Herr Yamada erzählte mir das alles sehr stockend, denn der Besitzer kam auch kurz zu dem Gespräch und stellte sich mir vor. Erst als er weg war, merkte ich, wie kompliziert und langwierig das alles vorher gewesen sein musste.

Professor Yamada hat große Pläne. Er möchte Reisfelder auf Dächern von Wolkenkratzern, Schweinefarmen im 40. Stockwerk und noch mehr. Bereits jetzt gibt es einen Versuch mit einer kleinen Ziegenfarm auf dem Dach eines Gebäudes, in dem unten Prada verkauft wird.


Mehr als ein paar hundert dieser kleinen Honig-Gläschen schaffen die Bienen nicht. Aber echter Tokyo Honig ist lecker und sehr mild.

Nach all den großen Plänen und zwei Tassen Kaffee gingen wir dann auch mal hoch in den 11. Stock aufs Dach. Die Aussicht war, nun ja, etwas ernüchternd. Drei Bienenstöcke, von denen nur zwei belebt waren. Aber es war durchaus lustig, die Männer im Anzug imkern zu sehen.

Beim Fotografieren trat ich aus Versehen auf eine Biene und zerdrückte sie. Das tat mir sehr leid, aber Herr Yamada meinte nur: Keine Sorge, in einem Monat, wenn es kalt wird, sind die eh alle tot.

Projekt Nummer 2 liegt an der Geschäftsmeile Ginza und ist dementsprechend mehr Glamour. Ginpachi Ginza gibt es nun schon seit mehr als neun Jahren und sie sind sehr gut aufgestellt, was Öffentlichkeitsarbeit und Vertrieb angeht. Zwei Hochhäuser weiter verkaufen sie ihren Honig in einem Luxus-Kaufhaus.
Sie sind das Vorzeigeprojekt in Tokyo. Eigentlich begann es als kleine PR-Aktion in Sachen Umweltschutz einer großen Firma, mittlerweile sind sie aber sehr bekannt.

Es begrüßte mich wieder ein Mann mit Schlips. Beim gemeinsamen Gang zum Treppenhaus entdeckte ich eine Biene, die wohl vom Dach ausgebüxt sein musste. Der Mann holte einen Käscher aus dem Büro und zielte in ihre Richtung. Es war ein tolles Bild, wie ein erwachsener Mann im Anzug versucht eine einzelne Biene zu fangen. Obwohl er stets nur Japanisch sprach, sagte er dabei wiederholt auf Englisch “No photo!”. Daran hielt ich mich auch. Ich wollts mir ja zu Beginn nicht mit ihm verscherzen.

Oben angekommen sah es auf jeden Fall viel größer und bunter aus, als noch in Yaesu. Chef-Imker Tanaka war bereits im Gespräch mit einem Video-Journalisten aus Australien. Ginpachi Ginza bietet zwei mal im Monat einen Presse-Termin, wo sie das gesamte Team einberufen. Sonst ist es auf dem Dach nie so geschäftig.

Der Mann mit Schlips vom Beginn achtete stark darauf, was und was wir nicht aufnehmen durften. Erst als er etwas abgelenkt war durch den Australier, konnte ich mich etwas freier bewegen. Imker Tanaka war nicht so steif, er ließ viel mit sich machen und beantwortete viele Fragen. Er sprach auch gutes Englisch.

Eine Sache, die ich an dieser Stelle mal erwähnen muss: Ich hasse Wespen. Wobei man da schon fast von einer Phobie sprechen kann. Sobald ich im Sommer eine Wespe in meiner Nähe sehe, werde ich unruhig. Bei allem was summt ist mein erster Gedanke oft “Wespe????”. Bei den Bienen war ich daher instinktiv etwas nervös.

(Auch etwas, dass an Japan so toll ist: Es gibt keine Wespen! Aber dann dafür die gefährlichste Hornisse überhaupt. Auch fantastisch thematisiert in einem Comic von TheOatmeal)

Die Japanische Honigbiene ist anders als seine westlichen Verwandten. Sie ist kleiner und ruhiger. Friedlicher. “Wie echte Japaner!” meinte mal ein japanischer Kommilitone in Hiroshima zu mir, als ich ihm davon erzählte.
Tatsächlich muss man die Japanische Honigbiene nicht mit Rauch ruhig stellen. Man kann sie sogar streicheln, ohne dass sie aggressiv werden. Wie echte Japaner.


Rechts das Dach, auf dem die Bienen sind

Mir wurde während des Fotografierens schwindelig. Nicht wegen der Bienen, sondern, wie sich später herausstellte, wegen der Grippe, die mir mein Bruder noch in Berlin mit auf dem Weg gegeben hatte. Damit schleppte ich mich drei Tage später auch nach Hiroshima, was so ziemlich das furchtbarste war, an dass ich mich derzeit erinnern kann. 43 Kilo Gepäck und Ausrüstung 900 Kilometer nach Westen bei Fieber und Gliederschmerzen.

Es stellte sich heraus, dass der Mann mit Schlips von Beginn der Sohn von Imker Tanaka ist. Das ergäbe eine interessante Dynamik für eine Geschichte.

Ohnehin: was mich an der ganzen Sache so faszinierte, war der Versuch, den “grauen Moloch Tokyo”, wie es meine Mutter manchmal nennt, durch die Bienen zu beleben. Tatsächlich ist Tokyo sehr grau, gerade wenn man es mit Berlin vergleicht. Viele Versuche für mehr Grün sind auch daran gescheitert, dass es keine Bienen gab. Denn das grüne Umland ist zu weit entfernt, als dass die Bienen diese Strecke fliegen könnten. Tokyos Horizont kennt nur Stadt, man muss schon viele Kilometer fahren, bis es wieder grün wird.

Die Bienen in Ginza und Yaesu bedienen sich bei Dachgärten, dem Kaiserpalast oder kleinen Topfpflanzen in der Umgebung. In Ginza bieten sie sogar einen Honig an, der nur mit Kirschblüten gemacht wurde. Die Sorte “Sakura” ist leicht golden-rosa und schmeckt so, wie die Kirschblüte riecht. Pro Jahr gibt es aber nur wenige kleine Gläschen voll mit Sakura, also haben sie den Wert von ihrem Gewicht in Gold. Naja, fast.

Der Australier machte das Video für das englischsprachige Metropolis Magazin, für die ich 2009 in Tokyo auch gearbeitet hatte. Er bot diese Geschichte vorher der Redaktion an, die lehnte das Angebot ab, und er drehte es trotzdem, in der Hoffnung, dass sie es eventuell doch abkaufen.
Es lief dann Monate später tatsächlich auf der Website der Metropolis, aber ich weiss nicht ob er dafür Geld gesehen hat.

Nun, warum wurde aus dem Thema nichts?

Das hatte mehrere Gründe. Ich wusste nicht, wie klein oder groß ich es aufziehen sollte, in welchem Format und überhaupt für wen. Ich habe Infos und Kontakte zu zahlreichen dieser Urban-Farming-Projekte in Tokyo gefunden. Man könnte das richtig groß erzählen.
Allerdings sind die meisten Projekte nur für die PR, und so richtig innovativ oder weltbewegend ist keines. Unweit von den Bienen in Yaesu gibt es das Hauptquartier der Firma Pasona, die im Gebäude Reis und Gemüse anbauen. Ich hatte mir das alles im Dezember 2013 auch mal angeschaut. Aber schlussendlich verbrauchen die mehr Energie, als das irgendwie nachhaltig wäre und jemanden etwas nützt.

Ich hatte die Geschichte zwischendrin auch schon mehreren Leuten angeboten, aber es passte nie wirklich rein.

Aber entscheidend war dann schlussendlich einfach die Zeit. Ich war in Hiroshima in anderen Geschichten eingebunden und konnte nicht zu den saisonalen Terminen in Tokyo sein.

Ich würde es nicht ausschließen, da später mal was draus zu machen. Aber jetzt ist die Geschichte erstmal nur für die Schublade. Oder eben den Blog.

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