Ich traf den neuen Außenminister Japans Katsuya Okada auf ein Sandwich – und neben mir, trafen ihn noch 200 andere, meist grauhaarige Journalisten aus der ganzen Welt, im Foreign Correspondent Club Japan.
Japan hatte ja im August gewählt, und diesmal anders als in den letzten 50 Jahren zuvor. Die neue Regierung hat auch schon neue Minister aufgestellt, während unsere frisch gewählte Merkel erst noch suchen muss.
Der neue Aussenminister heisst Katsuya Okada, ein Student der Tokyoter Elite-Uni Toudai ist durch mehrere Parteien gegangen bis er vor mehr als zehn Jahren die DPJ gründete, die seit Ende August nun Japan regiert.
Der Foreign Correspondent Club macht mehrmals im Monat solche Events, die eigentlich ganz spannend und für jeden Journalisten offen sind. Vorallem da sich die neue Regierung der Presse mehr öffnen möchte, als die Alte.
Ich wollte mir mal das ganze Spektakel anschauen, auch wenn ich keine Fragen an Herrn Okada, oder eine Redaktion, die mir das Ganze abnimmt, hatte.
Da bei solchen Sachen auch immer Dresscode herscht, ich aber nicht so wirklich Lust drauf hatte, traf ich ne elegante Schwarz/Weisse Lösung und machte mich auf den Taifun auf nach Ost-Tokyo.
Das sollt ich an dieser Stelle vielleicht auch mal erwähnen: Es zieht gerade ein Taifun landeinwärts auf Tokyo zu. Diesemal fliegt er nicht nur knapp dran vorbei, sondern wird direkt über der Metropole für Mistwetter sorgen. Es regnet schon seit Tagen, aber morgen soll es ganz Dicke kommen. Ich mach mir wenig Sorgen, ein Taifun wird von den Japanern meistens eh nur als Vorwand genutzt, schneller Feierabend machen zu können, da es bei diesen Winden und Regentropfen ja viel zu gefährlich sei, die U-Bahn nach Hause zu nehmen. (Das ist tatsächlich ihre Argumentation)
Den Foreign Correspendent Club Japan gibt es seit 1945, und ist dementsprechend eine traditionelle und vorallem alte Einrichtung. Alles etwas steif, und ich fiel dementsprechend auf. Zumal über 70%, der heut anwesenden Journalisten, Japaner waren. Bei der Rezeption wurde man schon leicht skeptisch:
“Hello, my name is Fritz Schumann, I have a reservation”
“Okay, are you a member?”
“No.”
“Are you from the embassy?”
“No.”
“Okay, are you working for a media?”
“No.”
“But you are a journalist??”
“Yes, I am.”
“Do you have a business card?”
“No.”
“You’re sure, you’re a journalist?”
“Yes, you want to see my press card?”
“No that’s fine, the room is over there, thank you”
“No, thank you…”
(wohlgemerkt eine Japanerin)
Im Raum war viel graues Haar und gedeckte Tische. Ich wusst nicht so recht wohin, also schaute ich erstmal aus dem Fenster, aus dem 20. Stock auf Tokyo im Taifun:
(naja gut, es sah nicht ganz so aus…)
Ich war auch nicht der Einzige, der die Aussicht genoss:
Ich fragte dann rum, wo ich denn sitzen soll. Es folgte wieder die Frage “you’re a journalist?” welches ich dann wieder bejahte. Ein älter Herr nahm mich dann beim Arm und führte mich zu den Pressetischen.
Ich nahm Platz neben dem Einzigen, der so fehl am Platz aussah, wie ich mich fühlte. So traf ich Chris, ebenfalls 21 Jahre alt und seit 5 Jahren (!) in Tokyo. Auf die Frage, warum er denn in Tokyo sei, sagte er mir, er hatte sich für das falsche Stipendium beworben. Er wollte sich eigentlich auf der High School für eine Uni bewerben, hatte das falsche Formular erwischt und ist dann mit einem Stipendium in Japan gelandet. Was ein Pech….
Nun arbeitet er für Reuters, was mit 21 Jahren schon ne verdammt krasse Leistung ist, find ich. Ich persönlich dachte immer, dass ich mit 21 Jahren in Tokyo als Journalist arbeite, ist schon eine echte Seltenheit. Und dann toppt das noch einer so verdient. Tokyo ist immer für Überraschung gut.
Nebenbei brachte der Kellner das Essen und fragte, ob ich Kaffee möchte. Ich sagte “iie” (sprich:[ihje]) was “nein” auf japanisch heisst. Scheinbar muss ich es so falsch ausgesprochen habe, dass es der Kellner als “Ja bitte, mach mir die Tasse bis oben hin voll!!” verstanden haben muss.
Dann betrat Herr Okada das Podium. Er bekam vom FCCJ-Präsidenten ein grünes Tuch (?) geschenkt, und nannte es “Ökofarbe”. Okada freute sich, auch weil er, so fügte er hinzu, leidenschaftlich Frösche sammelt und alles was dazugehört (Figuren, Bilder…), und die Farbe erinnert ihn an Frösche…
Danach war kurzes Posieren für die Kameras. Sofort hoppelten zehn Fotografen mit großen, schweren und teuren Kameras nach vorne und blitzen um die Wette. Nach zehn Klicks hoppelten sie wieder zurück.
Da ich ja mittlerweile gewohnt bin, bei Pressekonferenzen für meine kleine Kamera immer (zu Recht) ausgelacht zu werden, wartete ich, bis der erste Sturm vorbei war, und ging dann selbst nach vorne. Irgendwie hat der Herr Aussenminister mich wahrgenommen, und schaute direkt, etwas skeptisch, in meine Linse:
Er konsultierte dann noch seinen Nachbarn: “He, ist der da wirklich ein Journalist?”
*Seufz* “Scheint wohl so….”
Und dann gings los. Er hielt eine kleine Ansprache über seine und Japans Ziele in der Außenpolitik. Wichtige Punkte waren dabei die Allianz mit Amerika, eine Ost-Asien-Gemeinschaft (nach Vorbild der Europäischen Union) und ein bisschen Nordkorea gabs auch.
Zwischen Japan und Amerika gab es jüngst etwas Verstimmungen, da wohl Protokolle und Verträge der ehemaligen Regierung existierten, die durch gewisse Klauseln es den Amerikaner gestatteten, Raketen und Kernwaffen auf japanischen Boden zu lagern und zu stationieren. Die Japaner würden nun gerne erfahren, ob solche Waffen hier gelagert waren und wie das passieren konnte. Verständlicherweise verfolgt Japan eine absolute Anti-Atomwaffen-Einstellung, und bei diesem Thema sind sie sehr empfindlich.
Sollte es tatsächlich so sein, wie derzeit untersucht wird, dann ist es auch eine ausgemachte Sauerei.
Trotzdem betont Okada die Bedeutung der japanisch-amerikanischen Beziehung. So verweist er auch auf die Schutzfunktion der amerikanischen Truppen, die hier stationiert sind. Japan hat ja keine eigene Armee und gegen die Bedrohung aus Nordkorea hoffen sie eben auf die Amerikaner.
Nordkorea indes hat in der letzten Nacht eine erneute Gesprächs-
bereitschaft signalisiert. Der Aussenminister begrüßt das, äußert sich aber neben dem Hinweis, bei Gesprächen mit Nordkoreanern “Geduld und Durchhaltevermögen” mitzubringen, nicht viel mehr dazu.
Grundsätzlich blieb er in seinen Äußerungen recht knapp, sachlich und pragmatisch. Während Premier Hatoyama von Vision spricht, will er nicht so sprechen, sondern schauen, was sich bewegen lässt.
Seine Worte wurden unterschiedlich von den anwesenden Journalisten aufgenommen:
Es wurde interessiert zugehört:
…oder etwa doch geschlafen?
Es wurde immer alles in Japanisch oder Englisch übersetzt, von einer sehr komepetenten Übersetzerin. Doch manchmal musste man sich schon konzentrieren, um mitzukommen:
Japanische Journalisten sind bei Themen die Japan betreffen immer recht, nun ja, “höflich”. Es wird selten kritisch berichtet oder nachgefragt. So lag es an den ausländischen Journalisten (darunter zwei Deutsche, u.a. von der FAZ) ein paar kritische Fragen zu stellen. Allerdings gelang es nicht wirklich, aus dem eisernen Okada etwas konkretes oder neues herauszukommen.
Der 21 jährige von reuters, der mir gegenüber saß, war nur hier für “DIE story”. Vorzugsweise etwas bahnbrechendes über Nordkorea. Doch das kam nicht, und er fragte auch nicht danach.
Er beschrieb Journalismus als Spiel. Wer am schnellsten die Nachricht verbreitet, gewinnt. Der größte Konkurrenz zu reuters ist AP. Reuters muss immer schneller sein als AP, dann gewinnen sie.
Ist Journalismus wie Sport? Ich glaube ja. Es gibt auch hier Egozentriker, die allen beweisen müssen, wie toll sie sind. Es gibt auch hier Betrug. Und vorallem gibt es wie im Sport verschiedene Sportarten des Journalismus.
Ich persönlich möchte nicht dieses “Spiel” für reuters, AP oder DPA spielen, wo Tragödien nur noch zu schnellen Zeilen werden, gestorbene Schicksale zu Zahlen und Menschen zu gesichtslosen Quellen.
Trotzdem habe ich meinen Respekt für diese Forscher des globalen Wissens, der weltweiten Neuigkeiten. Ohne sie wüssten wir auch nur, was in unserem Kiez passiert. Doch ich persönlich möchte diesen Weg nicht gehen.
Es gibt ein Bild, das heut entstand und das mir sehr gefällt, weil so viel drauf passiert:
Die vielen Fotografen die Spalier stehen, um DAS Foto zu erwischen. Jedesmal wenn Okada eine Bewegung mit der Hand machte oder durch ein Augenrollen die eiserne Miene durchbrach, klickte eine wahre Shutter-Symphonie im anderen Ende des Saals. Danach wieder Ruhe.
Schauen wir uns nochmal das Bild an. Auffällig ist der Herr am Telefon, der verzweifelt telefoniert:
Wahrscheinlich muss auch er die Story möglichst schnell und vor den anderen nach draussen bringen – auch wenn er noch gar nicht weiss wie.
Unten links im Bild ist auch ein Fotograf, der mit leicht zugekniffen Augen und Fluppe(!) im Mund versucht ein gutes Bild auf 7m Distanz zu machen:
Was, wenn ich die Linse und seinen Blick richtig deute, nicht gelang.
Japanisch pünktlich wurde die Sitzung beendete und 200 Journalisten drängten sich in 3 viel zu kleine Aufzüge, um ja wieder fix in der Redaktion zu sein, um die Story noch vor den anderen rauszubringen. Das Alle schlussendlich die selbe Story haben, stört sie anscheinend nicht.
Hauptsache schnell.