…und Bush war auch schon da

Ein kleiner Kurztrip die Izu-Halbinsel runter, entlang einer der schönsten Bahnstrecken Japans, bis zu den Strände von Shimoda, dem Ort wo die Amerikaner das erste Mal in Japan landeten. Ein kleines Fischerdörfchen, das relativ unspannend war, dafür allerdings auch sehr entspannend.

Ich versuche mein Leben hier in Tokyo so zu gestalten, dass ich alle zwei Wochen mal aus der Stadt heraus komme. Diese Metropole kann einem schon wirklich ordentlich auf den Sack gehen, wenngleich sie auch sehr spannend ist. Und das Schöne an Tokyo ist eben, dass man nur ca. 2 Stunden fahren muss, und schon ist man in den Bergen, in den Wäldern, an der Küste oder auf ner Insel. Die Umgebung hier ist viel spannender als rund um Berlin, wo alles einfach nur flach ist.

Es gibt da ein bestimmtes Ticket der Japanischen Bahnbetriebe, das sich grob mit “Studententicket” übersetzen lässt, auch wenn man kein Student sein muss, um es zu nutzen. Man bezahlt einmalig 11.000 Yen (ca. 80€) und kann an fünf verschiedenen, nicht zusammenhängenden Tagen jeden Zug in Japan nutzen, außer dem Shinkansen und diverse Expresszüge.
Ich persönlich mag Zugfahren sehr, und habe auch nichts gegen eine Bimmelbahn-Reise.

Ich wollte mir diesen Ticket Anfang September besorgen, da die nur saisonal angeboten werden. Als ich reisen wollte, kündigte sich aber gerade ein Taifun an, und die Züge fuhren nicht. Zudem hatte ich auch nicht wirklich das Geld zum Verreisen.
Ich hatte nun aber das Glück, dass mir diese Studenticket geschenkt wurde. Es waren noch zwei Tage frei, und der Besitzer hatte keine Zeit, die auch zu nutzen, denn das Ticket war nur bis zum 10. September gültig. Ich hab das Ticket am 8.September erhalten und dann relativ spontan entschlossen, ein bisschen zu verreisen.

Am 9. September bin ich automatisch, ohne mir den Wecker gestellt zu haben, in aller Frühe aufgewacht. Mein Körper sehnte sich nach einer kleinen Reise und wachte ganz automatisch kurz nach Sonnenaufgang auf.
Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch garnicht wohin ich wollte. Etwas schlaftrunken öffnete ich also den Lonely Planet auf einer zufälligen Seite, tippte mit dem Finger drauf und das war dann, wohin die Reise gehen sollte: Die Izu-Hanto (Izu Halbinsel)

weltraum
(Quelle: Wikipedia.de)

Die Izu-Hanto liegt Südwestlich von Tokyo, und bis zum südlichen Zipfel, nach Shimoda, habe ich mit den langsamen Zügen 4-5 Stunden gebraucht. Im Zug selbst habe ich dann nochmal genauer in den Lonely Planet geschaut, was es denn überhaupt auf der Halbinsel zu sehen gibt.

Der erste Stop war Atami:

Ein wirkliches hässliches Fleckchen Japan. Und das nicht nur, weil ich mal wieder ein echtes Glück mit dem Wetter hatte, und dunkle Wolken mich begleiteten.

Atami wurde in den 1960er Jahren als Touristenziel entdeckt und ziemlich gepusht. Hässliche Hotels wurden hochgezogen, alles Natürliche in diesem Fischerdorf mit Beton zugeschüttet und diverse Touristenfallen aufgemacht.
Was Atami früher ausmachte, ist nun weg. Dafür gibts lauter leere, hässliche, verfallende Bettenburgen. Ich habs da nur eine halbe Stunde ausgehalten und schnell meinen Zug nach Shimoda genommen.

Dieser Zug führt an einer der schönsten Bahnstrecken Japans entlang. Links ist der Ozean, Rechts sind die Berge. Das haben die Japaner erkannt, und Panorama-Fenster eingebaut, mit günstig platzierten Sitzen direkt davor:


(noch mit Bart, inzwischen komplett ab)

Da ich wiedermal unter der Woche verreist bin, waren eher Rentner mit mir im Zug. Die hatten aber schon die Erfahrung, und sich ein Bierchen mitgebracht, um die Aussicht richtig zu genießen:

Ich möchte nochmal betonen, wie direkt wir am Ozean vorbei gefahren sind. Das hier ist aus dem Panorama-Fenster gemacht, neben den Steinen lagen auch schon die Gleise:

Vielleicht hat sich Hayao Miyazaki für die Züge, die über Wasser fahren, aus seinem Meisterwerk “Spirited Away” von dieser Bahnstrecke inspirieren lassen.

trains

Die Zugfahrt war echt lang. Mittendrin wurde irgendwie ein Werbespot oder Fernsehbeitrag mit einem jungen, hübschen Mädchen gedreht. Zwischendurch kam dann noch ein Insekt reingeflogen, welches die Insassen relativ nervte, und alle versuchten es zu killen. Ich war dann der, dem es nach vielen Versuchen endlich gelungen war, und für die alte Dame, die neben mir saß, war ich dann DER Held. Als sie ausstieg hatte sie sich dann noch fünfmal bei mir bedankt.

Endlich in Shimoda angekommen, wollte ich erstmal ein Platz zum Übernachten suchen. Doch der Bahnbeamte wollte mich nicht durchlassen. Denn die ganze Strecke die Izu-Hanto runter wird von einer privaten Linie betrieben, mein Studenticket galt da nicht. Er bat mich also den Schildern zum Ticket-Schalter zu folgen:

…was mir dann irgendwie auch gelang. (Ernsthaft, wie kann man sich bei “Ticket” so dermaßen verschreiben? W und T sehen sich nicht mal ähnlich). Ich musste dann 1.500 Yen nachzahlen und ärgerte mich sehr.

In Shimoda angekommen begrüßte mich der übliche Touristen-Nepp, den ich erstmal ignorierte und zum Touri-Büro ging, um ein paar Infos zum Ort zu kriegen, und nen Platz zum Schlafen zu finden.

Das ergraute Pärchen im Touri-Büro sprach kein Englisch, weswegen ich mich auf mein Wörterbuch verlassen musste. Die Bezahlung für eine Nacht in nem Ryokan (japanisches Gasthaus) musste ich seltsamerweise im Touri-Büro leisten, was allerdings alles korrekt war. In Ländern wie Russland wär das ne Gelegenheit gewesen, zweimal zu kassieren, aber in Japan ist man ehrlich und korrekt.
Sie gaben mir dann noch ne sehr hilfreiche Walking-Map und meinten zum Schluss, dass mein Japanisch doch sehr gut sei. Das mussten sie mir allerdings dreimal sagen, denn bei den ersten zwei Malen reichte mein Japanisch nicht aus, um sie zu verstehen.

Das Ryokan war angenehm, preiswert und geräumig. Es wartete schon warmer grüner Tee auf mich und ein ausgelegter Futon. Zeit für den ersten Rundgang.

Shimoda war wie gesagt der Ort, wo die Amerikaner mit ihren “Black Ships” im Jahre 1854 das erste Mal gelandet sind. Deswegen ist Shimoda bei amerikanischen Touristen beliebt und die Stadt hat sich dementsprechend drauf eingestellt. So kann man die Black Ships für eine Rundfahrt buchen und es gibt die “Perry Road”, entlang kleiner Brücken über einen Fluss, wo der Kapitän Perry und seine Mannschaft damals residierte.

Am Ende dieser “Perry Road” steht ein Denkmal zu seinen Ehren, und direkt daneben eine Botschaft vom ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, der auch schon da war -oder zumindest ein Fax mit seiner Botschaft und Unterschrift schickte, genaues weiss man nicht.

US-Präsident Jimmy Carter war auch schon in Shimoda, und hat ebenso ein Denkmal bekommen wie Bush. Allerdings versteckt im Wald.

Hinter all dem Touri-Nepp versteckt sich schon noch ein nettes, verschlafenes Fischerdörfchen.

Doch außer ein paar Pseudo-Tempeln mit komischen Götzen

und Yakuza Katzen

hatte Shimoda nicht viel zu bieten an diesem Tag. Einer dieser Pseudo-Tempeln ist Okichi gewidmet, das war eine junge Geisha, die Perry dienen musste.

Die Legende von Okichi wird in vielen Varianten erzählt, hier gibt es eine davon. Die Version(en) die ich in Shimoda erfahren habe, geht so:

Okichi war als junges Mädchen wunderschön, weswegen sie schon mit 7 oder 8 Jahren nach Kyoto an ein Geisha-Haus verkauft wurde. Sie soll eine der schönsten Geishas dort gewesen sein, und war sehr erfolgreich (was immer das heissen mag). Sie verliebte sich dort in einen Edelmann (oder Soldat, je nach Story), doch bevor sie zusammen kommen konnte, wurde Okichi nach Shimoda geordert, um den Amerikanern zu dienen.
Shimoda war tottraurig, ihren Geliebten zu verlassen, doch sie machte sich mit 15 (oder 17 Jahren) auf den Weg nach Shimoda, um ihre Pflicht zu erfüllen. Es gibt Versionen der Geschichte, in der sie liebevoll von den Amerikanern behandelt wird. In anderen Versionen wurde sie auch zu körperlichen Diensten gezwungen…. So oder so, sie blieb ihrem Geliebten treu, und dachte nur an ihn.

Die Japaner dankten Okichi für ihre erfüllte Pflichten nicht, sondern verachteteten sie für ihren Umgang mit den Westlern. Als Geisha konnte sie nicht mehr arbeiten, also gab sie sich dem Alkohol hin. Ein wenig später machte sie auch eine Kneipe auf, wo sie allerdings ihr bester Kunde war. Mit 51 Jahren ertränkte sie sich schließlich.

Irgendwann haben die Japaner dann ihren Fehler eingesehen und seitdem wird Okichi verehrt. Die Geschichte wurde auch von Hollywood verfilmt, mit John Wayne (!) in der Rolle des Amerikaners.

Trotzdem fällt es mir schwer, die ganze Legende nicht nur als weitere Gelegenheit zu sehen, aus amerikanischen Touristen Geld zu pressen.

Ich war dann noch im Restaurant gegenüber Okichi’s Museum, was durchaus auch Okichis Kneipe gewesen sein könnte, wenn ich den Reiseberichten glauben mag. Das ich dort der einzige Gast war, hätte mir zu denken geben sollen. Das Udon, welches ich dort bestellte, war sättigend, aber auch etwas geschmacksfrei.
In einer vorzüglichen Bäckerei um die Ecke versorgte ich mich mit dem Rest, sah einen fantastischen Sonnenuntergang

und machte mich auf dem Heimweg. Am Abend lief dann ein großartiges Fußballspiel, welches ich allerdings schon in einem anderen Eintrag beschrieben hatte.

Am nächsten Morgen sah ich mich weiter in Shimoda um, das Wetter schlug um auf 28°C und sonnig, und ich suchte nen Strand auf.

Eben ein kleines Fischerdorf in den Bergen.

Aber Fischerdörfchen, die in den Bergen liegen, gibts auch nur in Japan.

Ich kam auch am Shimoda Grand Hotel vorbei, welches auch schon bessere Zeiten gesehen hatte:

Das muss seit mehreren Jahren leer stehen, und war inzwischen völlig mit Pflanzen überwuchert. Als Urban Explorer musste ich natürlich unbedingt rein!
Doch leider… leider versperrte ein 4m hohes Stahltor jeglichen Eintritt. Dazu lag das Ding an einer befahrenen Straße, hätte mich jemand beim Klettern erwischt, hätte bestimmt einer die Polizei gerufen, um den bösen, bösen Ausländer einzusperren. Hab mich über diese vergebene Chance sehr geärgert, zumal Shimoda fotografisch relativ unspannend war.

Vorbei an Eulen

und ab zum Strand!

Blaues Meer, blauer Himmel, eine warme Brise, Palmen… Es war schon traumhaft. Und absolut keine Touristen. Doch erst im Nachhinein, als ich mir meine eigenen Bilder angeschaut habe, wurde mir klar, wie schön es doch da war. Als ich dort war ist mir das entgangen, und ich dachte nur an das Geld, welches ich nicht habe, aber für diesen Trip ausgab.

Und natürlich gab es auch einen verstecken Schrein:

Jahrhunderte alte Treppen hinauf:

Und völlig überwuchert und versteckt, der Schrein:

Das geilste war, worauf dieser Schrein stand:

Einem Sandhügel, der jede Sekunde vom Meer weggetragen werden kann. 50cm links vom Schrein war der Hügel schon zuende, und es ging steil abwärts. Zum besseren Verständnis hab ich mal wieder eine Illustration gemacht:

Nachdem ich dann ne Stunde am Strand saß und aufs Meer schaute (fürs Baden wars zu kalt) machte ich mich wieder auf den Heimweg.

Ich bezahlte das selbe 1.500 Yen Ticket, um wieder zurück nach Atami zu kommen. Und ich ärgere mich heute noch, dass ich die bezahlte. Es folgt eine kleine Lektion, wie man bei der japanischen Bahn bescheissen kann:

Anders als in Deutschland, wird dein Ticket nur beim Betreten und Verlassen des Bahnhofs kontrolliert, nicht im Zug. Nun gibt es teure Züge und teure Linien, und billige. Die teilen sich allerdings oft ein und denselben Bahnhof, und die Bahnfutzis (meistens sinds eh Automaten) kontrollieren nicht, mit welchem Zug du gefahren bist.
Mein 1.500 Yen Ticket musste ich nie wieder vorzeigen, da in Atami wieder mein Studententicket akzeptiert wurde. Ich hätte einfach nur das billigste Ticket nehmen sollen, um in den Zug zu kommen, und dann die ganze Strecke durchfahren.

Trotzdem war es wieder eine schöne Strecke und ich konnte aus dem Zug sogar die Insel Oshima sehen, auf der ich auch schon war und eine wunderbare Zeit verbrachte.

Muss mal schauen, dass ich die Zeit finde, die Geschichte dazu auch aufzuschreiben.

Mit dem Studenten-Ticket bin ich dann noch kurz Richtung Westen, zur nächsten Station vorm Berg Fuji, weil ich den seit ich in Japan bin, nicht einmal gesehen habe. Und jeder(!) Reiseführer schreibt über jede(!!) Ecke von Japan, dass man an klaren Tagen den Fuji sehen kann. Doch so klare Tage sind mir bisher noch nicht begegnet.

Als ich in Mishima (ebenfalls kein schönes Fleckchen) ankam, fragte ich eine Japanerin, wo denn der Fuji ist. Mir fiel dann auf, dass sie einen leichten Sehfehler hatte, und konstant schielte. Sie meinte der Fuji ist da drüben, aber den sieht man heute nicht. Ich dachte, vieleicht liegt das auch nur an ihren Augen, also suchte ich mir ein hohes Haus, stieg die Treppe rauf und schaute. Und siehe da, da sieht man nichts.

Das dicke blaue unten ist der Fuji, eingebettet in Wolken.

Ich mag das Reisen. Besonders in Japan. Auch wenn es die nächsten Wochen wenig zu verreisen gibt. Noch weniger Geld auf dem Konto als damals, und einige Aufträge die anstehen erlauben es nicht. Oder wie es mein Mitbewohner treffen formulierte;

Das ist eben der “Working” Teil vom “Working Holiday” Visa

Allerdings macht der “Holiday” Teil sehr viel mehr Spaß.