Vom 25. – 29.03.2010 fand die international Anime Fair in Tokyo Big Sight statt, die größte Messe für Anime weltweit. Auch wenn das Ganze betont international war, waren natürlich 90% der Aussteller aus Japan. Man konnte sich über Neuentwicklungen und -erscheinungen informieren, handeln und natürlich Anime schauen. Ich war als Presse-Vertreter dort und dementsprechend Jagdobjekt eines jeden Ausstellers, die mir alle Infos und Kram in die Hand drückten. Große Köpfe, große Augen, viele kleine Mädchen – und alles in Bewegung.
Doraemon
Das ich ein Fan japanischer Popkultur bin, konnte man ja bereits mehrmals hier lesen. Auch wenn mich der japanische Anime der letzte Jahre nicht sonderlich begeistern konnte, und ich persönlich Manga auch mehr schätze als Anime. Trotzdem war es Grund genug, sich auf den weiten Weg nach Odaiba zu machen – auch weil sich vielleicht ein paar interessante Geschichten finden lassen.
Also mit dem automatischen Laufband rein in die Big Sight…
Drinnen wollte ich eigentlich noch jemanden treffen, einen Klienten, der sich wissenschaftlich mit Anime und Manga auseinandersetzt. Ich hatte allerdings etwas verschlafen und hab ihn knapp verpasst.
Als Vertreter der Presse hatte ich das Privileg an einem der beiden Business-Tage die Messe zu besuchen. An den Tagen, wo es fürs allgemeine Volk geöffnet ist, muss man mehrere Stunden Wartezeit in Kauf nehmen und drinnen gibt es dann kein Treten mehr.
Die Messe findet in einer riesigen Halle statt, an deren Decke mehrere übergroßer, aufgeblasener Anime-Figuren hingen. Wer von aufgeblasen Figuren auf die Qualität der Anime schließt, aus der sie stammen, ist meiner Ansicht nach nicht so verkehrt…
Von links nach rechts: Conan, der Hintern von Pikachu und natürlich Ghibli’s Totoro
Die Anime Messe läuft so ab, wie jede andere Messe: Produzenten, Distribuenten, Zweitverwerter und Ausbildungsanbieter stellen sich und ihre Entwicklungen vor, kommen ins Gespräch, handeln Deals aus und versuchen die Presse zu becircen.
Ich konnte keine 5 Meter laufen ohne nicht irgendwelchen Kram in die Hand gedrückt zu bekommen, oder ständig von freundlichen Damen oder Herren in ihren Stand gezerrt zu werden. Oft schützte noch die Sprachbarriere, aber je länger die Messe dauerte, desto ungehemmter wurden die Damen und Herren noch ihren Kram loszuwerden. Einige lauerten mir sogar auf. Ich scherze nicht, sie stellten sich mir direkt in Weg, weil ich grad woanders hinschaute, und ich rammte sie fast.
Heroman
Vorabscreenings von Anime-Filmen und -Serien, die dieses Jahr erscheinen, erfreuten sich großer Beliebtheit.
So ziemlich alle Anime-Studios waren am Start:
Ghibli natürlich auch, die sehr stark ihren neuen Film bewarben ‘The Borrower Arriety‘
Daneben lief auch schon der Titelsong, den ich einfach nur wunderschön finde:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=U4twFqFxF9k&hl=de_DE&fs=1&]
Auf youtube gibts leider nur ne 1:35min Version des über 3min Songs. Den ganzen Song kann man schon auf iTunes für 200yen kaufen – allerdings nur mit einem japanischen iTunes-Store-Account – den ich nicht habe!!
Ich wollte dann meine Lieblings-Anime Studios abklappern. Darunter das Studio 4°C, die einen absolut kleinen Stand hatten, nur(!) ihren letzten Film bewarben und etwas Merchandising anboten. Ich als Pressevertreter bekam aber gleich zwei dicke DinA3 Bücher zum Studio und ihrem letzen Projekt- inkl. Artworks, Produktionsskizzen, Interviews mit Regisseuren und Animatoren. Und das hat mir echt den Tag versüßt und den ganzen Besuch lohnenswert gemacht.
Aus der Kurzfilmsammlung “Genius Party“, (C) Studio 4°C
Studio 4°C ist nicht gerade sehr Mainstream, sie fahren einen sehr individuellen Stil was Animation, Stories und Storytelling angeht. International sind sie sehr geschätzt, so wurden sie zum Beispiel von den Wachoswky Brüder angeheuert um Teile von Animatrix zu zeichnen. In Japan selbst sind sie nicht so populär, vielleicht gerade weil sie etwas anders sind.
Für alle die mal etwas von Studio 4°C sehen wollen empfehle ich sehr stark Noiseman Sound Insect – ein 15minütiger Kurzfilm, über die Schönheit und Bedeutung von Musik für die Seele. Allerdings sehr abstrakt und fast schon zu schnell erzählt, als ob man die Handlung von nem 90min Film in 15min erzählt. Ich find ihn allerdings sehr großartig und hab ihn bis heute über 20mal gesehen.
Quelle: 87n.com
-> Weblink: Noiseman Sound Insect – online Video
Ich bin dann noch die anderen Anime-Studios abgegangen, die mich in der Vergangenheit begeistert haben. Doch die Stände von Madhouse, Sunrise und Bones waren einfach nur enttäuschend. Sunrise, die uns das geniale Cowboy Bebop brachten, zeigten diesmal nur eine Art SuperDeformed–moe–Gundam. Madhouse ruhte sich auf dem genialen, jedoch bereits vergangenen Erfolg “Summer Wars” aus. Bones hatte sich 4-6 Anime-Zeichnungen an die Wand gehängt und schaute gelangweilt umher. Und GAINAX war gar nicht erst vertreten.
All die großen Studios betonten, was für cooles Zeug sie früher mal gemacht haben, ohne selbst innovatives Neues zu zeigen. Bei dem, was gezeigt wurde, hatte ich eher den Eindruck, das alles so, oder so ähnlich, bereits mehrmals gesehen zu haben. Der moe Trend, alles etwas süßer zu machen, war sichtlich, aber nicht ganz so extrem und dramatisch wie viele es prophezeiten.
Über moe kann man geteilter Meinung sein, bereits erwähnter Klient schreibt gerade ein Buch darüber. Einige sagen, es ist das Ende vom japanischen Anime. Auch wenn ich das nicht so sehe, so sehe ich doch heutzutage eine stärkere Fokussierung auf optische Attraktion. Zweifelsohne war die immer da, aber in den letzten Jahren ging sie immer mehr auf Kosten der Story und des Inhalts.
Ein Beispiel dafür hier ist dies hier von der Messe:
Das hier ist Trigun. Trigun ist ein Anime über und mit einem blonden Revolvermann, der alles tut um es zu vermeiden, mit einer Waffe zu schießen (“Die Patronen kosten soviel Geld!”). So oder so, er ist ne verdammt coole Sau. Vor ein paar Jahren wurde er noch so dargestellt:
Vergleicht man nun beide Bilder fallen die Unterschiede auf.
Oben das Foto stammt von der Ankündigung des neuen Trigun Films. Der Anime endete zwar vor mehreren Jahren, doch das ist kein Grund nicht noch etwas mehr Geld aus der Lizenz zu pressen. Wenn der Film unterhaltsam ist, soll es mir recht sein.
Eine der größten Überraschungen der Anime Fair war für mich das hier:
Ein Stand von der Sendung mit der Maus.
Ich wusste nicht, dass die hier in Japan animiert wird, doch die Dame am Stand bestätigte es mir nochmal. Sie war zudem sehr begeistert, dass ich aus Deutschland komme.
Die Maus, bzw. マウス (“mawasu“) ist auch hier sehr beliebt, ich empfehle einen Besuch auf der japanischen Website.
Ich erinnere mich an eine Episode der Sendung mit der Maus die in Japan spielte, wo der geniale Ralph Caspers in Tokyo war, eine japanische Grundschule besuchte und die japanische Schrift erklärte. Ob die bei dem Besuch auch gleichzeitig die Animation der Zeichentrick-Sequenzen nach Japan outgesourct haben….?
Weitere Impressionen:
Keine Ahnung was das war, aber es war cool und hatte nen eigenen Sicherheitsfutzi
Ein Anime mit nem Schaf, für Kinder. Fand große Begeisterung
Messebabes
Eigentlich mieten die Studios, Sender und Produzenten immer Models und Idols, die dann Infos aushändigen oder Cosplayen. War dieses Jahr aber weniger als letztes Jahr, so sagte man mir.
Dann baten mich vier(!) Mädels im Gothic-Lolita Look ein Foto vom Maskottchen der Firma zu machen.
Mit so einem Maskottchen muss man sich um Kunden keine Sorgen machen…
Das morbide Hangry & Angry basiert auf nem Pop-Duo, dient aber größtenteils dazu Merchandising und Kram zu verkaufen. Allerdings ne sehr coole Website haben sie.
Es gab auch viele angebotene Möglichkeiten Anime zu studieren, viele Schulen stellten sich vor:
Die Tokyo School of Animation hatte dabei Postkarten verschenkt, gestaltet von ihren Schülern, jeweils passend zu einem Monat im Jahr:
Wirklich inspirierend fand ich die Creators World, eine Ecke auf der Messe, weit weg vom Mainstream (stilistisch und geographisch), die für junge, individuelle Künstler reserviert war.
Eine Instititution, die schon seit mehreren Jahre junge Talente vorstellt. Aber dabei wirds wohl auch bleiben, wenn man sich anschaut, was die großen Studios derzeit produzieren. Die würden sich niemals auf ein Experiment einlassen und etwas Ungewöhnliches kostenintensiv produzieren lassen. Marktwirtschaftlich macht das durchaus Sinn, aber auf lange Sicht sind Neuentwicklung echt nötig.
Am meisten begeistert hat mich er hier:
Takahashi Koya ist einfach… nun… schwer zu beschreiben, aber sehenswert. Eben ganz anders.
Und dann war da noch:
Kopffüssler.
Da waren tatsächlich Menschen drin, die allerdings nicht größer als 1.5m sein konnten.
Beim Publikum waren sie sehr beliebt.
Nachvollziehbar.
Wie die sich mit ihren Stummelbeinchen fortbewegten war einfach nur lustig. Ich hab versucht ein paar Animationen zu machen, um das darzustellen:
Danach dann wieder mit dem Laufband aus der Big Sight raus…
…und insgesamt 2 Stunden für den Weg nachhause gebraucht, weil ich den falschen Zug genommen hatte -.-
Mein Fazit:
Gesamt war ich etwas enttäuscht, aber solange es immernoch junge Talente und Studios wie 4°C gibt, ist die Hoffnung für den japanischen Anime nicht ganz verloren. Das zweitgrößte Land, das dort vertreten war, war China, die sind also auch im Kommen.
Ich hoffe, die Studios haben sich selbst mal ihr Programm angeschaut, also ihren alten Erfolge, und überlegt was sie so gut machte.
Sicherlich kann man auch dagegen argumentieren, dass die auch nur produzieren, was der Markt will. Und der Markt ist anscheinend mit schon-gesehenen Geschichten und großen moe-Augen zufrieden. Aber irgendwann ist der moe-Drops auch gelutscht und der Markt will neue Geschmäcker entdecken. Wenn dann der exotische Geschmack aus China oder Korea dem Markt besser schmeckt, ists zu spät. Aber das führt jetzt an dieser Stelle auch zu weit 😉
Ich empfehle dann das Buch meines Klienten, wird Sommer/Herbst diesen Jahres erscheinen und viele Fotos von mir beinhalten.