Die goldenen Gassen von Shinjuku

Zugegeben, ein etwas dramatischer Titel für einen kleinen Bereich voller Bars und Bars und Bars – die Shinjuku Golden Gai

Für den Tokyoguide zu Shinjuku bin ich auch durch die Shinjuku Golden Gai gezogen, einem Ort, von dem ich vorher wenig gehört hatte, und der so versteckt liegt, dass man ihn nicht findet, wenn man nicht weiss, wo er ist. Ich musste auch lange suchen. Die Wegbeschreibung klingt auch, als ob sie aus einem Märchen stammt:

Hinter dem Rotlichtviertel Kabukicho liegt ein Tempel, dahinter, zwischen zwei großen Bäumen hindurch, führt eine Straße durch einen kleinen Wald. Links davon ist dann die Golden Gai.

Und was soll ich sagen, irgendwo hatte die Beschreibung recht.

Das ist der Weg, ein Steg über Gras, zwischen Bäumen hindurch. Die Anzahl und Dichte der Bäume hier, versteckt hinter ein paar Häusern, ist in Shinjuku echt aussergewöhnlich.

Mir kam das alles vor wie aus einem Anime, so ein fantastisches Setting, Natur trifft Großstadt.

Und überall elektrische Geräte an den Wänden und ein Kabelwirrwarr zwischen den Ästen.

Nur am verrosteten Straßenschild kann man dann erkennen, dass man es endlich gefunden hat.

Die Golden Gai – das sind verschiedene kleiner Gässchen, mit einer Gesamtfläche von gerade mal 2km², auf der sich Bars dicht an dicht drängen.

Einige sind dabei gerade mal so groß, wie die Eingangstür breit. Insgesamt werden es wohl mindestens 1000 Bars sein. Wie die sich alle halten können, ist mir ein Rätsel. Einige spezialisieren sich stark, wobei dann ziemlich absurden Bars und Sprüche an der Tür herauskommen.


Na ob das wirklich eine japanese hentai Bar ist….

Die Golden Gai ist bzw. war allgemein als Künstlerviertel verschrien. In den 70er Jahren drängten viele junge Künstler in die kleinen Bars, dazu kamen Regisseure, Mangaka, Schreiber… Mit der Zeit wurden die Künstler älter und gingen, oder blieben sporadisch. Trotzdem kommen noch viele hierher und suchen den Geist vom alten Golden Gai, und folgen dem Ruf, von dem sie gehört haben.

Die “Gaijin-Problematik”, also wie man mit Gästen umgeht, die die eigene Sprache nicht sprechen, wird unterschiedlich gelöst. Einige locken Englisch-sprechende Kunden stark an, und kassieren dann auch stark ab, mit 1000yen Eintritt zu den 6m² der Bar. Andere wiederum schreiben in Englisch an die Wand: “Hallo Ausländer, wenn du nur das hier lesen kannst, brauchst du gar nicht erst durch unsere Tür kommen”.


Life is a bitch, but I love bitch and bitch loves me

Nette Lebensphilosophie. Komplett mit Diskokugel.

Zwischen den Gassen und den Bars, gibt es dann nochmal kleinere Durchgangsgassen.

Einige zappenduster.

Und Kabel überall…

Eigentlich gibts dort ein strenges Fotografierverbot, überall weisen Schilder daraufhin. Und bei Nacht, wenn Betrieb ist, wird das wahrscheinlich auch stärker forciert. Ich hatte im Tageslicht mehr Erfolg, allerdings kann ich so auch nicht für die Golden Gai bei Nacht sprechen. Ich werds mir bei Gelegenheit mal geben.

Mir gefallen die kreativen, kleinen Bars, auch wenn viele deutlich “Abzocke!!” schreien. Ob sich in der Golden Gai immernoch viele Künstler auf- und unterhalten und sich betrinken kann ich hier und jetzt nicht sagen. Mittlerweile weiss ich aber, dass es in Tokyo bessere Plätze gibt, um Kunst zu zeigen und mit anderen ins Gespräch zu kommen.

Große Köpfe in Bewegung – die Anime Fair 2010

Vom 25. – 29.03.2010 fand die international Anime Fair in Tokyo Big Sight statt, die größte Messe für Anime weltweit. Auch wenn das Ganze betont international war, waren natürlich 90% der Aussteller aus Japan. Man konnte sich über Neuentwicklungen und -erscheinungen informieren, handeln und natürlich Anime schauen. Ich war als Presse-Vertreter dort und dementsprechend Jagdobjekt eines jeden Ausstellers, die mir alle Infos und Kram in die Hand drückten. Große Köpfe, große Augen, viele kleine Mädchen – und alles in Bewegung.

Doraemon

Das ich ein Fan japanischer Popkultur bin, konnte man ja bereits mehrmals hier lesen. Auch wenn mich der japanische Anime der letzte Jahre nicht sonderlich begeistern konnte, und ich persönlich Manga auch mehr schätze als Anime. Trotzdem war es Grund genug, sich auf den weiten Weg nach Odaiba zu machen – auch weil sich vielleicht ein paar interessante Geschichten finden lassen.

Also mit dem automatischen Laufband rein in die Big Sight

Drinnen wollte ich eigentlich noch jemanden treffen, einen Klienten, der sich wissenschaftlich mit Anime und Manga auseinandersetzt. Ich hatte allerdings etwas verschlafen und hab ihn knapp verpasst.
Als Vertreter der Presse hatte ich das Privileg an einem der beiden Business-Tage die Messe zu besuchen. An den Tagen, wo es fürs allgemeine Volk geöffnet ist, muss man mehrere Stunden Wartezeit in Kauf nehmen und drinnen gibt es dann kein Treten mehr.

Die Messe findet in einer riesigen Halle statt, an deren Decke mehrere übergroßer, aufgeblasener Anime-Figuren hingen. Wer von aufgeblasen Figuren auf die Qualität der Anime schließt, aus der sie stammen, ist meiner Ansicht nach nicht so verkehrt…


Von links nach rechts: Conan, der Hintern von Pikachu und natürlich Ghibli’s Totoro

Die Anime Messe läuft so ab, wie jede andere Messe: Produzenten, Distribuenten, Zweitverwerter und Ausbildungsanbieter stellen sich und ihre Entwicklungen vor, kommen ins Gespräch, handeln Deals aus und versuchen die Presse zu becircen.
Ich konnte keine 5 Meter laufen ohne nicht irgendwelchen Kram in die Hand gedrückt zu bekommen, oder ständig von freundlichen Damen oder Herren in ihren Stand gezerrt zu werden. Oft schützte noch die Sprachbarriere, aber je länger die Messe dauerte, desto ungehemmter wurden die Damen und Herren noch ihren Kram loszuwerden. Einige lauerten mir sogar auf. Ich scherze nicht, sie stellten sich mir direkt in Weg, weil ich grad woanders hinschaute, und ich rammte sie fast.


Heroman

Vorabscreenings von Anime-Filmen und -Serien, die dieses Jahr erscheinen, erfreuten sich großer Beliebtheit.

So ziemlich alle Anime-Studios waren am Start:

Ghibli natürlich auch, die sehr stark ihren neuen Film bewarben ‘The Borrower Arriety

Daneben lief auch schon der Titelsong, den ich einfach nur wunderschön finde:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=U4twFqFxF9k&hl=de_DE&fs=1&]

Auf youtube gibts leider nur ne 1:35min Version des über 3min Songs. Den ganzen Song kann man schon auf iTunes für 200yen kaufen – allerdings nur mit einem japanischen iTunes-Store-Account – den ich nicht habe!!

Ich wollte dann meine Lieblings-Anime Studios abklappern. Darunter das Studio 4°C, die einen absolut kleinen Stand hatten, nur(!) ihren letzten Film bewarben und etwas Merchandising anboten. Ich als Pressevertreter bekam aber gleich zwei dicke DinA3 Bücher zum Studio und ihrem letzen Projekt- inkl. Artworks, Produktionsskizzen, Interviews mit Regisseuren und Animatoren. Und das hat mir echt den Tag versüßt und den ganzen Besuch lohnenswert gemacht.


Aus der Kurzfilmsammlung “Genius Party“, (C) Studio 4°C

Studio 4°C ist nicht gerade sehr Mainstream, sie fahren einen sehr individuellen Stil was Animation, Stories und Storytelling angeht. International sind sie sehr geschätzt, so wurden sie zum Beispiel von den Wachoswky Brüder angeheuert um Teile von Animatrix zu zeichnen. In Japan selbst sind sie nicht so populär, vielleicht gerade weil sie etwas anders sind.
Für alle die mal etwas von Studio 4°C sehen wollen empfehle ich sehr stark Noiseman Sound Insect – ein 15minütiger Kurzfilm, über die Schönheit und Bedeutung von Musik für die Seele. Allerdings sehr abstrakt und fast schon zu schnell erzählt, als ob man die Handlung von nem 90min Film in 15min erzählt. Ich find ihn allerdings sehr großartig und hab ihn bis heute über 20mal gesehen.


Quelle: 87n.com

-> Weblink: Noiseman Sound Insect – online Video

Ich bin dann noch die anderen Anime-Studios abgegangen, die mich in der Vergangenheit begeistert haben. Doch die Stände von Madhouse, Sunrise und Bones waren einfach nur enttäuschend. Sunrise, die uns das geniale Cowboy Bebop brachten, zeigten diesmal nur eine Art SuperDeformedmoeGundam. Madhouse ruhte sich auf dem genialen, jedoch bereits vergangenen Erfolg “Summer Wars” aus. Bones hatte sich 4-6 Anime-Zeichnungen an die Wand gehängt und schaute gelangweilt umher. Und GAINAX war gar nicht erst vertreten.

All die großen Studios betonten, was für cooles Zeug sie früher mal gemacht haben, ohne selbst innovatives Neues zu zeigen. Bei dem, was gezeigt wurde, hatte ich eher den Eindruck, das alles so, oder so ähnlich, bereits mehrmals gesehen zu haben. Der moe Trend, alles etwas süßer zu machen, war sichtlich, aber nicht ganz so extrem und dramatisch wie viele es prophezeiten.
Über moe kann man geteilter Meinung sein, bereits erwähnter Klient schreibt gerade ein Buch darüber. Einige sagen, es ist das Ende vom japanischen Anime. Auch wenn ich das nicht so sehe, so sehe ich doch heutzutage eine stärkere Fokussierung auf optische Attraktion. Zweifelsohne war die immer da, aber in den letzten Jahren ging sie immer mehr auf Kosten der Story und des Inhalts.

Ein Beispiel dafür hier ist dies hier von der Messe:

Das hier ist Trigun. Trigun ist ein Anime über und mit einem blonden Revolvermann, der alles tut um es zu vermeiden, mit einer Waffe zu schießen (“Die Patronen kosten soviel Geld!”). So oder so, er ist ne verdammt coole Sau. Vor ein paar Jahren wurde er noch so dargestellt:

Vergleicht man nun beide Bilder fallen die Unterschiede auf.
Oben das Foto stammt von der Ankündigung des neuen Trigun Films. Der Anime endete zwar vor mehreren Jahren, doch das ist kein Grund nicht noch etwas mehr Geld aus der Lizenz zu pressen. Wenn der Film unterhaltsam ist, soll es mir recht sein.

Eine der größten Überraschungen der Anime Fair war für mich das hier:

Ein Stand von der Sendung mit der Maus.

Ich wusste nicht, dass die hier in Japan animiert wird, doch die Dame am Stand bestätigte es mir nochmal. Sie war zudem sehr begeistert, dass ich aus Deutschland komme.

Die Maus, bzw. マウス (“mawasu“) ist auch hier sehr beliebt, ich empfehle einen Besuch auf der japanischen Website.

Ich erinnere mich an eine Episode der Sendung mit der Maus die in Japan spielte, wo der geniale Ralph Caspers in Tokyo war, eine japanische Grundschule besuchte und die japanische Schrift erklärte. Ob die bei dem Besuch auch gleichzeitig die Animation der Zeichentrick-Sequenzen nach Japan outgesourct haben….?

Weitere Impressionen:


Keine Ahnung was das war, aber es war cool und hatte nen eigenen Sicherheitsfutzi


Ein Anime mit nem Schaf, für Kinder. Fand große Begeisterung


Messebabes

Eigentlich mieten die Studios, Sender und Produzenten immer Models und Idols, die dann Infos aushändigen oder Cosplayen. War dieses Jahr aber weniger als letztes Jahr, so sagte man mir.

Dann baten mich vier(!) Mädels im Gothic-Lolita Look ein Foto vom Maskottchen der Firma zu machen.

Mit so einem Maskottchen muss man sich um Kunden keine Sorgen machen…

Das morbide Hangry & Angry basiert auf nem Pop-Duo, dient aber größtenteils dazu Merchandising und Kram zu verkaufen. Allerdings ne sehr coole Website haben sie.

Es gab auch viele angebotene Möglichkeiten Anime zu studieren, viele Schulen stellten sich vor:

Die Tokyo School of Animation hatte dabei Postkarten verschenkt, gestaltet von ihren Schülern, jeweils passend zu einem Monat im Jahr:

Wirklich inspirierend fand ich die Creators World, eine Ecke auf der Messe, weit weg vom Mainstream (stilistisch und geographisch), die für junge, individuelle Künstler reserviert war.

Eine Instititution, die schon seit mehreren Jahre junge Talente vorstellt. Aber dabei wirds wohl auch bleiben, wenn man sich anschaut, was die großen Studios derzeit produzieren. Die würden sich niemals auf ein Experiment einlassen und etwas Ungewöhnliches kostenintensiv produzieren lassen. Marktwirtschaftlich macht das durchaus Sinn, aber auf lange Sicht sind Neuentwicklung echt nötig.

Am meisten begeistert hat mich er hier:

Takahashi Koya ist einfach… nun… schwer zu beschreiben, aber sehenswert. Eben ganz anders.

Und dann war da noch:

Kopffüssler.
Da waren tatsächlich Menschen drin, die allerdings nicht größer als 1.5m sein konnten.

Beim Publikum waren sie sehr beliebt.

Nachvollziehbar.

Wie die sich mit ihren Stummelbeinchen fortbewegten war einfach nur lustig. Ich hab versucht ein paar Animationen zu machen, um das darzustellen:

Danach dann wieder mit dem Laufband aus der Big Sight raus…

…und insgesamt 2 Stunden für den Weg nachhause gebraucht, weil ich den falschen Zug genommen hatte -.-

Mein Fazit:

Gesamt war ich etwas enttäuscht, aber solange es immernoch junge Talente und Studios wie 4°C gibt, ist die Hoffnung für den japanischen Anime nicht ganz verloren. Das zweitgrößte Land, das dort vertreten war, war China, die sind also auch im Kommen.
Ich hoffe, die Studios haben sich selbst mal ihr Programm angeschaut, also ihren alten Erfolge, und überlegt was sie so gut machte.

Sicherlich kann man auch dagegen argumentieren, dass die auch nur produzieren, was der Markt will. Und der Markt ist anscheinend mit schon-gesehenen Geschichten und großen moe-Augen zufrieden. Aber irgendwann ist der moe-Drops auch gelutscht und der Markt will neue Geschmäcker entdecken. Wenn dann der exotische Geschmack aus China oder Korea dem Markt besser schmeckt, ists zu spät. Aber das führt jetzt an dieser Stelle auch zu weit 😉

Ich empfehle dann das Buch meines Klienten, wird Sommer/Herbst diesen Jahres erscheinen und viele Fotos von mir beinhalten.

Impressionen: Shinjuku


Für ein deutsches Magazin mache ich derzeit eine Art Tokyo Guide, zu verschiedenen Stadtteilen und -zentren von der Metropole, jeweils mit Text und Bildern. Den Anfang machte Shinjuku. Einige der Bilder von meinen Streifzügen für den Guide habe ich schon hier und hier und hier gepostet. Hier nun eine weitere Sammlung von Impressionen.

Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 3: Winterwunderland

Nach zwei Tagen im Zug nun aufgewacht in Hakodate – und immernoch weit entfernt von Sapporo. Werd ich da jemals ankommen? Die Strecke führte diesmal quer durch Hokkaido, durch Wälder und an der Küste vorbei. Überall lag frischer, weisser, tiefer Schnee, eine Winterwelt die ich so zuvor noch nie gesehen hatte.

In der Nacht zuvor war ich mit dem koreanischen Fotografen in Hakodate, dem südlichsten Zipfel von Hokkaido, gestrandet. Ich hatte eigentlich keine Lust mehr aufs Weiterfahren, doch Umkehren war auch schwer möglich. Es half also nur die Flucht nach vorn und die erste Dusche seit Tokyo.

Im Preis inbegriffen war auch ein Frühstück, es wurde sowohl westlich als auch japanisch angeboten. Wobei ich kalte Yakisoba zum Frühstück dann doch etwas merkwürdig fand.
Ein Blick umher auf die anderen Tische ließ nur japanische Herren mittleren Alters erkennen, die schon beim Frühstück im Anzug am Tisch saßen und ihren Salarymen-Alltag garnicht verstecken wollten. Danach noch hoch ins Hotelzimmer, Zeuch holen und die frische Sonne über der Stadt ansehen.

Vielleicht sollte der Abschnitt der Strecke doch nicht so schlecht werden…

Hakodate sah an dem Tag auch weniger unsympathisch aus, als noch in der vergangenen Nacht.

Im Hotelzimmer stand übrigens die neueste japanische Server-Technologie:

Der Kasten dahinten ist der Bahnhof, der Weg nach Sapporo. In voller Montur machten wir uns dann auf den Weg.

Letzten Monat hatte ich übrigens eine email vom koreanischen Fotografen bekommen, mit einigen Bildern von der Reise. Er schoss zurück:


(C) Martin Lee

Im Bahnhof dann die erste negative Nachricht des Tages: Obwohl wir extra früh dort waren, würde der erste Local Train erst gegen 11 Uhr abfahren. Vorher fährt nur ein Express-Zug (für den wir hätten extra zahlen müssen), allerdings auch nicht bis nach Sapporo sondern nur die halbe Strecke. Bei der Wahl zischen Wartezeit und extra Kosten entschied ich mich, sehr frustriert, für die Wartezeit.

Zu dem Zeitpunkt hätte ich auch keine Probleme gehabt alleine weiterzufahren, da der koreanische Fotografen mir zunehmend auf den Sack ging. Die Wartezeit verbrachte ich dann alleine und machte ein paar Bilder von der Stadt, die in der letzten Nacht wieder frisch mit Schnee berieselt wurde.


Mamacharis im Schnee

Auch wenn eine meine Mitbewohnerinnen aus Hakodate kommt, und beteuert wie schön das doch ist, so hatte ich doch eher den Eindruck, dass das eher eine Durchgangsstadt ist, wo man Halt macht, bevor man weiter durch Hokkaido fährt.

Unser Hotel ist unten rechts im Bild, Smile Hotel. Dort bin ich dann auch wieder zurück, weil die Internet hatten und ich ja noch meinem Kontakt in Sapporo Bescheid sagen wollte, dass ich heute hoffentlich ankomme. Das einzige Internet-Cafe im Ort hatte noch nicht auf, also musste ich zum Hotel zurück, wo 10min Internet 100yen kosten. Mittendrin wars auch schneller vorbei als mir lieb war, da ich aus Versehen eine koreanische 100yen münze eingesteckt hatte, die ich letzte Nacht vom Fotografen geschenkt bekommen hatte.

Ich konnte dabei auch gleich auf Facebook posten wie sehr ich doch genervt war von den langsamen Zügen. Nach zwei Tagen Dauer-Bummelzug auch kein Wunder.

Durch den Schnee gestapft…

…an einer der wenigen Sehenswürdigkeiten von Hakodate vorbei…

…zurück zum Bahnhof um endlich weiter zu kommen.

Stillstehen kostete auf dieser Reise nur Geld.
Wer sich sonst über das touristische Potenzial von Hakodate informieren möchte, sollte mal ein Blick auf die sehr ausführliche Wikitravel-Seite zu Hakodate werfen…

Als Kommentar zum letzten Reiseeintrag kam “Das klingt ja wirklich so, als ob es echt langweilig war”. Ich hatte denselben Eindruck nachdem ich meinen Beitrag gelesen hatte. Doch, nunja, im Zug sitzen ist nunmal nicht so aufregend, das spannendste sind noch die Bücher die man liest und der Blick aus dem Fenster. Von daher geb ich euch diesmal lieber den Blick aus dem Fenster:

Aus mir unerklärlichen Gründen stoppten wir hier, die 6 Fahrgäste in den zwei Waggons des Zuges schien das allerdings nicht viel zu jucken. Ich konnte so auch ein paar Bilder ohne Bewegungsunschärfe machen.

Das Klima und die Fauna von Hokkaido erinnert mehr an Nord-Europa, mit seinen Tannenwäldern. Es fing dann auch gleich wieder zu schneien an.

Sichtlich unrasiert, aber mit Schal, den ich mir am Tag zuvor in Aomori für unschlagbare 100yen gekauft habe.

Nach den Wäldern kam die Küste.

Und ein erneuter Stopp für eine Stunde in Mori.

Der Hunger machte sich bemerkbar also suchten wir was Essbares. Meine Nerven waren sichtlich angespannt, also versuchte ich etwas Abstand zum Fotografen zu gewinnen. Im Zug klappte das ganz gut, mit FLAVA auf den Ohren. Wir kamen dann an einem fahrenden Händler vorbei, der diese gefüllten Fisch-Teig-Taschen anbot, dessen mir Name mir entfallen ist. Die sind auf jeden Fall stets mit Anko, Bohnenpaste, gefüllt, die ich nicht so lecker finde. Als mich der Fotograf fragte, ob ich was möchte, winkte ich ab. Was ihn aber nicht davon abhielt mir trotzdem eine zu besorgen die ich dann aus Höflichkeit noch runterwürgte.

Wir gingen dann noch in einen Supermarkt wo insbesondere ich Gaijin in voller Reisemontur alle Blicke auf mich zog – und damit übertreibe ich nicht. Kassierer/innen und Kunden drehten sich reihenweise nach mir um, einige ältere Damen machten auch ganz große Augen als würden sie einen Geist sehen.

Wir versorgten uns mit Bento und gingen zurück zum warmen Warteraum im Bahnhof. Ich brauch natürlich nicht zu erwähnen, dass Hokkaido im Dezember schweinekalt war.
Der Fotograf verabschiedete sich dann um ein paar Bilder vom Ort zu machen, was mir ganz recht war, da ich so endlich mal wieder alleine sein konnte.

In der Nähe vom Warteraum (wo neben mir nur noch zwei andere auf den einzigen Zug pro Stunde Richtung Norden warteten) gab es einen Kiosk, dessen Inhaberin sich auch für eine halbe Stunde verdrückte. Ich hätte ihren gesamten Laden ausräumen können, aber ich bin ja artig und hab für meine heisse Schokolade bezahlt.

Der Zug kam dann. Wobei das nicht ganz richtig ist: Wir kamen mit einem Zwei-Waggon Zug hier an. Der hintere wurde abgekoppelt und fuhr zurück, der vordere, einzelne Wagen fuhr weiter Richtung Norden (siehe Bild). Der Zugführer war auch ein lustiger Geselle. Er sah mich und fragt mich (frei übersetzte): “Na wohin solls denn gehen?”. “Sapporo!”, sagte ich. “Na dann hüpf mal rein, bei mir biste richtig”. In Tokyo sind die Zugführer weniger kommunikativ.

Die Bahnhofsleute beobachteten mich schon interessiert auf den Weg zu meinem Zug, ich winkte ihnen dann noch zum Abschied zu und machte ein Foto.

Und sie freuten sich.

Weiter gehts, an der Küste entlang.

Auf Google Earth kann man übrigens sehr schön diese Strecke, an der Küste entlang, sehen.

Erneuter Zwischenstopp in… Ich weiss es nicht mehr.

Die Sonne ging auch schon langsam unter.

Ich las im Bahnhof ein Buch, der Koreaner war unterwegs. Keine Einwände da. Versteht mich nicht falsch, er war ein interessanter und sympathischer Kerl, doch auch ständig mitteilungsbedürftig, und meine Signale, dass mir grad nicht nach Reden ist, hat er nicht verstanden.

Falls jemand mal wissen will, wie eine Konversation zwischen mir und dem Fotografen aussah:


Fotos (C) Martin Lee Animation, wenn jemand weiss, wie ich die hellen Flecken wegbekomme, sag Bescheid

Ich war zu dem Zeitpunkt übrigens echt gernervt.


(C) Martin Lee

Er hatte immer einen Plan dabei mit Zugverbindungen und Wartezeiten, der sehr praktisch war. Nungut, es gab zwar nur eine einzige Linie und Strecke auf der gesamten Distanz, trotzdem war es recht praktisch schon vorher zu wissen, wie langsam genau wir uns heute fortbewegen…

Irgendwann gings dann auch weiter.

Es wurde irgendwie immer trostloser, vorbei an einsamen Fischerdörfchen, verfallenen Häusern und menschenleeren Gegenden. Dazu war der Zug auch selten mit mehr Leuten gefüllt als uns zwei.

Mit der Sonne im Nacken gings weiter.

Immer mehr hatte ich den Eindruck ans Ende der Welt zu fahren. Doch zwei Stunden vor Sapporo wurde es auf einmal voller, die Dunkelheit draußen mit Kunstlicht erhellt und insgesamt wurde es lauter. Gerade wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Schulmädchen her. Nunja, eigentlich mehrere, bis der ganze Zug voll mit Geschnatter und vorallem Leben war.

Zwischendurch schlief ich auch mal ein und wurde vom Schaffner geweckt. Von da an war es nur noch ein Zug bis nach Sapporo. Und das ‘da’ war Chitose, der Ort, wo ich eigentlich schon gestern sein wollte um im Gasthaus von dem Olympioniken zu übernachten. Ich habe einen gesamten Tag gebraucht um dorthin zu kommen, wo ich gestern abend schon sein wollte… Aber da ich jetzt so nah an Sapporo war wollte ich nicht nochmal anhalten.

Im letzten Zug begegnete uns noch ein älterer Japaner – ebenfalls Fotograf. Irgendwie ziehen sich Fotografen magisch an…. Er war ebenfalls mit dem Seishun-18-kippu unterwegs. Der Koreaner unterhielt sich mit ihm, da er wie gesagt immer recht mitteilungsbedürftig war. Das war mir Recht, da er dann weniger auf mich einredete. Allerdings verstand ich eindeutig mehr Japanisch von dem, was der japanische Fotograf sagte.
Als wir dann zusammen in Sapporo ankamen (endlich!) zeigte uns der Fotograf dann noch eine öffentliche Dusche in der Station, die er anscheinend auch öfter auf Reisen nutzt. Warum er uns die zeigte war mir nicht ganz klar, so wie ich ihn verstanden habe wollte er sich irgendwie bedanken, dass er uns kennenlernen durfte. Dazu gab er uns noch Getränkegutscheine einer Bar, die er mal fotografiert hatte.

Ich machte dann das erste Foto in Sapporo.

Wie man dem Foto vielleicht entnehmen kann, war ich einfach nur fertig. Ich war genervt von den Zügen, der langsamen Reise, dem ständigen Japanisch-Englisch-Koreanisch Gebrabbel und den Kosten die noch auf mich zukommen.
Dem Koreaner sagte ich Tschüss, mit dem Hinweis, bei bereits erwähnten Freund in Sapporo zu übernachten. Allerdings hatte dieser mich bis dahin noch nicht kontaktiert, sodass ich mich auf dem Weg ins nächste Manga Kissa machte.

Ich lief dann durch die Straßen von Sapporo und dachte: “Das isses nun? Drei Tage Fahrt dafür? Wie… unspektakulär….”. Doch in dem Moment wollte ich einfach nur die 20kg Reisegepäck von meinem Rücken nehmen und schlafen. Ich bekam eine 1-Quadratmeter Kabine.

Sie reichte mir absolut. Für nur 2000yen für 10 Stunden, inkl. Gratisgetränke. Und viel wichtiger: Sie bewegte sich nicht auf Schienen fort.

Aber ich war endlich in Sapporo! Doch die Reise war noch lange nicht zu ende…

Strecke diesmal: ca. 300km, 9 Stunden

Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai
Kapitel 7:Das Ende der Reise