In der Höhle eines Otaku

Ein Autor, der Anime- und Otaku-Kultur studiert, recherchiert derzeit für ein neues Buch über Otakus, und hat mich beauftragt, einige Bilder zu liefern. Im Zuge der Recherche führt er einige Interviews mit Professoren und Kritikern, die sich wissenschaftlich mit diesem Thema auseinandersetzen. Einer der Professoren war Otsuka Eiji, der uns in sein Atelier einlud: ein künstlicher Ort, voll mit lebensgroßen, toten Puppen, Zeichnungen und ohne Fenster – damit nichts von der Aussenwelt eindringen kann. Zwischen Figuren und Manga führten wir in dieser Otaku Höhle das Interview.

Das ich ein Anime- und Manga-Fan bin, will ich nicht leugnen. Genauso wie beim Medium Film gibt es aber gute und schlechte Beispiele dieser Kunstform. Ein Otaku ist nun jemand, der völlig in dieser Scheinwelt der Anime und Manga lebt, egal wie gut die Qualität dieser sein mag. Ausschlaggebend ist meist, das ein Anime genug “süße” Mädchen mit langen bunten Haaren und großen Augen hat.
Aber auch beim Begriff Otaku scheiden sich die Geister. “Hardcore-Fan” wäre eine Beschreibung, Spinner oder Freak ein anderer. Wirklich werten möchte ich das auch nicht.

Als ich anfing mich mit 12/13 für Anime zu begeistern, tauchte auch schon der Begriff Otaku auf. Zu dieser Zeit war Otaku ein gewisser Titel, der respektiert wurde. Wer viele Anime kannte und sein eigen nannte, der war Otaku, ein Anime-Experte.
In Japan war das wohl durchaus auch mal eine zeitlang so, bis einige Otakus durchdrehten und kleine Mädchen in ihre Keller sperrten. Die Medien verkehrten den Begriff Otaku arg ins Negative. In den letzten Jahren ändert sich das aber, und die “Generation Otaku” wird anders betrachtet. So bezeichnete sich auch der ehemalige Premierminister Taro Aso selbst als Otaku.
Otaku kann man auch jemanden nennen, der sein Hobby sehr stark auslebt und viel Zeit und Geld investiert. In der Hinsicht gibt es wohl auch Sport-Otaku und Fotografie-Otaku.

Was Anime-Otakus so anrüchig bzw. so “pervers” macht, ist die zunehmende Sexualisierung des Ganzen.


Quelle: Furu Anime Panikku Das hier ist aus einem Manga über Brot Backen. Ernsthaft.

Bei vielen Anime gilt derzeit “Sex vor Story”. Es reicht um Quote zu machen und Fans zu gewinnen. Es gibt dafür einen schönen Begriff: Fanservice. Das bedeutet, dass, selbst in einen normalen Manga, ab und an mal ein Panty-shot vorkommt, knappe Kleidung oder große Brüste bei der Protagonistin.
Einen Manga den ich aufgrund seiner Story und seines Humors sehr schätze ist One Piece, und auch hier streut der Autor selbst ein bisschen Fanservice ein:

n

Das ist im Prinzip dasselbe wie eine hübsche Schauspielerin für einen großen Film zu casten.
Sex sells.
Das gilt in Deutschland wie in den USA wie auch in Japan. Nur wird das im Bezug auf Otaku nur allzugerne nur darauf reduziert, wie auch in den Maid Cafes, in denen ich ja selber schon war.

Fakt ist allerdings auch, dass, im Gegensatz zu einer hübschen Schauspielerin oder einem hübschen Model, Anime- und Manga-Figuren nicht real sind. Sie existieren nicht.
Sie existieren nicht mit diesen Proportionen oder diesen leichten, aufreizenden Verhalten. Trotzdem werden sie von einigen Otakus so geliebt, als wären sie real. Sie werden zwar von echten Menschen synchronisiert, doch die sehen dann in der Realität meist etwas anders aus, als ihre Anime-Figur.
Echter.

Japan leidet an Kinderarmut. Noch mehr als Deutschland. Und das weniger, weil sich die Eltern in Japan keine Kinder leisten können (was ja in Deutschland das Problem zu sein scheint), sondern weil es eher mit der Vermehrung hapert. Sexualität findet nicht wirklich zuhause im Bett statt, sondern in den Medien.
Pornos werden in jedem Konbini verkauft und auch öffentlich in der Bahn gelesen. Das Fernsehen enthält viel mehr unterdrückte Sexualität als in Deutschland (in Deutschland ist sie eher offensiv und direkt). Trotzdem ist in Deutschland Sexualität was sehr privates, in Japan eher was sehr mediales.

Das möchte ich ebenfalls nicht werten, oder weiter ausführen. Im Zusammenhang mit Otaku möcht ich nur eine interessante Theorie vorstellen: 70% aller (unverheirateten) Japaner sind ohne Partner, die Geburtszahlen sind rückläufig aber der Umsatz von Otaku-Artikeln nimmt zu. Die Generation Otaku, falls sie existiert, gilt als sozial zurückgezogen und lebt ihre Sexualität vorm Fernseher oder Computer aus. Ob es da wirklich einen Zusammenhang gibt, weiss ich nicht, aber ich finde den Gedanken sehr interessant.

Otsuka Eiji ist nun einer derjenigen, die sich einige Gedanken um diese ganze Otaku Kultur macht. Er ist auch einer derjenigen, die diesen Begriff in den 80er Jahren geprägt haben.
Er lud uns nun, mich und den Autor für den ich das Interview begleitete, in sein Atelier ein. Es war in einem ehemaligen Künstlerviertel von Tokyo, in einem großen Wohngebäude mit hässlichen, kühlen, unkreativen, gesichtslosen Fluren:

Hinter einer von diesen anonymen Türen verbarg sich das Atelier von Herrn Otsuka. Es war recht dunkel, was es für Fotos schwierig machte. Keine Fenster. An den Wänden hingen lauter Zeichnungen, auf dem Boden stapelten sich Manga und in den Schränken waren lauter lebensgroße, gruselige Puppen.


Bin die ganze Zeit rumgelaufen um Bilder aus allen Perspektiven zu machen. Und natürlich hab ich den Stapel Bücher umgestoßen….

Es war schon etwas merkwürdig dort, vorallem weil Otsuka Eiji selbst auch das Klischee vom dicken, perversen Otaku zu erfüllen schien, mit seinem runden Bauch und den lebensgroßen Mädchenpuppen in der gesamten Wohnung Dazu kommt, dass er selbst vor einigen Jahren das Skript zu einem Lolicon-Hentai schrieb, was wohl korrekt übersetzt wär mit “Kleine Mädchen Porno”.

(Letzter Absatz wird mir bestimmt wieder fragwürdige Suchmaschinen-Besucher einbringen….)

Das Interview verlief wohl recht spannend, auch wenn ich wiedermal kein Wort verstanden habe. Otsuka Eiji und Hiroki Azuma, den ich ja schonmal fotografierte, sind die beiden großen Denker wenn es um Otaku Kultur geht. Eine Japanerin meinte zu mir, als ich ihr vom Shooting erzählte:

“Otsuka Eiji?? He’s fucking famous!!

Die Beiden können sich aber absolut nicht leiden, und Otsuka zog auch ordentlich über Azuma her 😉

Absolut alles in diesem Raum war künstlich. Selbst ein kleiner Miniaturbaum auf dem Tisch war aus Plastik.

So künstlich wie die Scheinwelt, in der die Otakus leben.

Nach dem Interview bat ich ihn, zu posieren. Ich richtete die Deckenlampen aus und platzierte ihn vor all den Puppen in seinem Schrank. Ich fand das irgendwie passend.

Ganz besonders stolz war er auf eine Zeichnung, die wohl schon recht früh als ‘moe’ galt:

Moe bedeutet, dass man etwas besonders süß findet. Das Ziel von vielen Anime in letzter Zeit, ist es eben dieses Gefühl von moe zu erzeugen, also etwas besonders putzig oder niedlich darzustellen. Meist auf Kosten einer interessanten Story.

In Anime- und Manga-Kreisen ist moe etwas gutes, etwas schönes. Ich persönlich find es grenzwertig, da die Unterschiede zum erwähnten lolicon recht fließend sind. Es ist ein Ding, ein Kind süß zu finden. Aber bei moe spielt auch ne gewisse Sexualität mit hinein, die ich für unangebracht halte. So werden Kinder gezeichnet, mit Proportionen und sexuellen Merkmalen wie Erwachsene, die sich allerdings noch wie Kinder verhalten, damit sie möglichst “süß” daher kommen.

Ich find das, nun ja, eher so:

nach der wahl gibts wal

(Ja, das ist Walfleisch auf dem Teller und beinahe im Mund von der Japanerin. Das Ganze war in nem Wal-Restaurant, man erkennts an dem glücklichen schwimmenden Wal im Logo)

Japan hat ja nun demnächst einen neuen Premier Minister. Dem seine Frau sagte folgendes:

“It was a very beautiful place and it was really green.”

Und das sagt sie nicht über das Parteizentrum der Grünen, über Grönland oder über den allmählich beginnenden Herbst in Japan, sondern über ihren Trip zur Venus.

“While my body was asleep, I think my soul rode on a triangular-shaped UFO and went to Venus,”

Frau Miyuki Hatoyama meint nämlich vor 20 Jahren von einem Raumschiff mitgenommen worden zu sein. Das Ganze hat sie auch in einem Buch festgehalten mit dem Titel “Very Strange Things I’ve Encountered” – was glaube auch der Titel von jedem zweiten Blog ist, der sich mit Japan befasst.

Da das Ganze als Meldung relativ dürftig ist, gibts noch etwas Musik, zur Einstimmung auf den Herbst, und weil ich nun schon über zwei Monate hier bin. Die Zeit verfliegt…
Daher auch nun “Time Flies”, ein Stück was ich derzeit recht häufig höre, von einer wunderbaren japanischen Jazz Pianistin: Hiromi Uehara.

(Dauert etwas bis das Stück Fahrt aufnimmt, aber ruhig mal anmachen, genießen, und vielleicht dazu die Fotos hier durchsehen.)
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a kraut in a crowd

Beim Bon Odori in Koenji, dem zweitgrößten in Japan: Viele Menschen, viel Gedränge, viele Fotos – und viel gute Laune. Die japanische Kultur findet nicht in Museen statt, sondern lädt auf der Straße zum mitmachen ein.

Der Sommer in Japan, und besonders in Tokyo, wird begleitet von vielen Sommerfestivals. Auf einem davon, einem Matsuri, war ich ja bereits. Während es bei einem Matsuri nur ums Essen, Trinken und Spielen geht, steht bei einem Obon bzw. dem dazugehörigen Tanz “Bon Odori” der Tanz und Musik im Vordergrund. “Obon” wird von einigen Reiseführern gerne mit “Totenfest” übersetzt, ich finde aber, das trifft es nicht ganz. Dafür sind alle viel zu gut gelaunt. Es geht mehr um die Ehre und Würdigung der Ahnen.

Der “Bon Odori” (“Odori” heisst soviel wie “Tanz”) in Koenji hatte ein eigenes Thema, welches ich allerdings nicht so recht verstanden habe. Der Editor vom Metropolis, der mich hierzu einlud, erzählte mir, dass die Tradtion dort wohl von irgendeinem alten Shogun kommt, und ein Dieb verehrt wird. Was auch die Masken erklärt, denn diese Haube, zusammengebunden unterhalb der Nase, ist ein altes japanisches Kostüm für einen Dieb.

Das Odori ist eine alte buddhistische Tradition, welches die Japaner selbst mit einer alten japanischen Tradition zelebrieren: In großen Gruppen auftauchen und die Straßen überfüllen.
Ich hatte schon extra das Fahrrad genommen, um den vollgestopften öffentlichen Verkehrsmitteln zu entgehen, aber trotzdem war der Andrang echt extrem.

Teilweise bekam ich wirklich keine Luft, weil sich asiatische Körper gegen meinen Brustkorb stemmten. Ich konnte nur die Kamera hoch halten, um sie zu sichern und frei Hand ein paar Bilder zu machen, vom Odori, das ich, obwohl ich nur 2 Meter davon entfernt war, aufgrund der vielen Menschen absolut nicht sehen konnte.

Ich weiss nicht wieviel es waren, aber eine Million war bestimmt da:

Für eine Strecke von 50 Metern habe ich ungefähr eine halbe Stunde gebraucht, und dann noch einmal 20 Minuten um in der Menschenmenge den Editor vom Metropolis zu finden.
Zeitweise war ich echt genervt von all den vielen Leuten, das aller erste Mal seitdem ich in Japan bin, aber das gab sich schnell nachdem ich das Festival sehen konnte.

Die gute Laune der Tänzer steckt an und überträgt sich auf die Menschenmasse drum herum. Ihr Tanz war zwar simpel, aber faszinierend. Und simpel genug, um einfach mitzumachen.
Von jung bis Alt waren alle dabei.

Es gab verschiedene Straßenabschnitte wo getanzt wurde, und es traten verschiedene Gruppen auf. Vergleichbares in Berlin wäre wohl nur der Karneval der Kulturen, und mit einer ähnlichen guten Laune und Ernsthaftigkeit wie in Berlin gingen auch hier die Tänzer voran, um die Ahnen zu ehren und das Publikum zu unterhalten.

Mit zunehmender Stunde (das Ganze ging insgesamt drei Stunden), wurden die Tänzer auch leichtfüssiger und gutgelaunter:

Auch wenn Einige es wieder zu ernst nahmen:

Die Reaktionen vom Publikum waren unterschiedlich, jedoch als Motive wunderbar. Es gab die stillen Geniesser:

Die Jugend, die es vorgezogen haben, das Fest nur durch ihre Kompaktknipse zu betrachten, statt selbst mal hinzuschauen:

Und den obligatorischen “Du musst lauter reden, da ist grad ein Festival hinter mir!”-Typ:

Ein paar waren auch nur skeptisch, warum denn alle so komisch gekleidet sind:

Der Umzug bestand aus mehreren Gruppen, die auf verschiedenen, abgetrennten Bereiche der Straße auftraten. Angeführt wurden sie von einer Art Standartenführer, der vorweg tanzte

Dann gab es den, ich nenn ihn mal so, “Kapellmeister, der mit einem kleinen Gong, fester Stimme und starker, richtungsweisender Hand die Gruppe in Reih und Glied hielt:

Die Trommler gaben dann, wenn auch etwas genervt von der Schwere der zu tragenden Trommel, den Takt vor:


Auch die Kleinen wollten es probieren. Doch zuerst wird geschaut wie es geht:

und dann selbst marschiert:

Zwischendrin waren dann die Flötenspieler

Ihnen folgten dann die Tänzer, die Männer dann so:

oder etwas spezieller, so:

und die Frauen in Kleid und extravaganten Hüten, folgten so:

Und nur Japanerinnen schaffen es, in simplen Holzschuhen, die nur auf zwei Holzkanten stehen, elegant zu tanzen:

Pünktlich um neun Uhr endete der Umzug, und die Polizei bat uns freundlich, aber bestimmt, nun endlich zu verschwinden:

Und schon nach 20 Minuten war alles aufgeräumt und abgebaut. Das ich mir eigentlich noch was zu Essen kaufen wollte, nach getaner Foto-Arbeit, schien die Buden nicht zu interessieren.

Aber es war auch ein anstrengender Tag, für alle Beteiligten.

Fototechnisch war ich vom Tanz und Publikum sehr angetan. Nach anderthalb Stunden hatte ich bereits meine komplette Speicherkarte und zwei Rollfilme voll. Auch wenn die Bedingungen nicht die besten waren, in der Nacht und Dunkelheit, und kaum genug Platz um nah ranzugehen. Ständig lief irgendeiner durchs Bild. Die besten Chancen hatte ich frei Hand, was ganz gut funktionierte. Bin ganz froh nun eine neue Kamera zu haben, die konnte mit diesem wenigen Licht sehr viel anfangen.

Für alle, die den Straßenumzug gern mal in Bewegung sehen würde, mit passender Geräuschkulisse:

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Und nun: Selber machen!

holt die regenschirme raus

wet(Quelle: diepresse.com)

Es regnet seit Tagen wie aus Eimern, allerdings von der Intensität auch nur wie ein kräftiger Sommerregen in Deutschland (der dort öfter vorkommt als ein Taifun in Japan). Der Grund für all den Regen ist ein dicker Taifun der gerade nordwärts an Tokyo vorbeischrammt:

not the real one
(Quelle: top-wetter.de, auch wenn das hier nicht der aktuelle Taifun ist, aber er gibt ungefähr ne Vorstellung)

Die Botschaft Japans sagt dazu:

Im August und September bilden sich über dem vom Sommer erwärmten Pazifik diese Wirbelstürme mit extrem hohen Windgeschwindigkeiten (17 bis 60 Meter pro Sekunde!), in Ostasien “Taifun”, in Nordamerika “Hurricane” genannt.
Die meisten Taifune haben sich nach drei bis fünf Tagen aufgelöst, aber der Rekordhalter tobte 19 Tage lang.

Da die Taifune regelmäßig jedes Jahr auftreten, gehören sie für Japaner zum Spätsommer einfach dazu. Sie werden quasi als eine Jahreszeit und nicht nur als Naturkatastrophe angesehen. Bleiben die Stürme aus, fehlt etwas im Jahresablauf, wie der Schnee im Winter, die Kirschblüte im Frühling, der Dauerregen im Juni oder die schwülwarme Hitze im August fehlen würde.

Es wird auch langsam herbstig und frisch. Heute war die erste Nacht, die ich ohne laufende Klimaanlage und mit dicker Bettdecke schlafen musste. Gut, dass ich mir nen dicken Pulli aus Deutschland mitgenommen habe.