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Puppen ohne Ende

Für eine Geschichte, die von jeder Redaktion abgelehnt wurde, ist sie erstaunlich langlebig: In den letzten sechs Monaten wurde meine Geschichte über die Puppen aus Nagoro groß im Stern gedruckt, im Fernsehen rauf und runter gespielt – und gelangte sogar bis ins National Geographic in den USA.Ja, wirklich.

Vergangene Woche überschritt der Zähler von “Valley of Dolls” auf Vimeo eine halbe Million Klicks. Zeit für einen neuen Rückblick.

Im Dezember 2014 war ich furchtbar pleite. Keiner wollte die Geschichte von den Puppen kaufen, meine Ersparnisse waren aufgebraucht und das Konto war im Minus. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Tag, an dem ich nur noch ein paar Scheiben altes, trockenes Brot hatte, welche meine Mutter mir in Berlin noch in den Rucksack steckte. Auf das Brot packte ich das einzige, was sonst noch im Kühlschrank war: Butter und Gurkenscheiben.

(War allerdings sehr lecker)

Die Wende kam zum Glück schon eine Woche später.

Doch der Reihe nach: Ende November 2014 schrieb ich das erste Mal über die Entwicklung meiner Geschichte “Im Tal der Puppen” in den deutschen und internationalen Medien. Ich dachte zu dem Zeitpunkt, dass nun nichts mehr kommen wird, da die Geschichte so häufig publiziert und kopiert wurde.
Am nächsten Morgen verlinkte Bildblog.de in der Rubrik “6 vor 9” auf exakt diesen Beitrag und sorgte für die meisten Zugriffe auf dieses Blog seit seiner Gründung.
Bildblog ist eine wichtige Seite für Medienmacher, viele Journalisten lesen es täglich. So auch ich.

Neulich war ich bei einem Treffen von Reportern und brauchte nur wenige Worte sagen, da zeigte schon ein mir bis dahin unbekannter Kollege mit dem Finger auf mich und meinte: “Du bist der Puppen-Mensch! Ich hab das auf Bildblog gelesen.”

Dezember 2014
Eine Woche nach dem Eintrag schrieb mir die Telekom. Beziehungsweise es schrieb mir die Redakteurin von telekom.de, welches auch eine “News & Stories”-Sparte hat. Dafür wollten sie nun die Bilder der Puppen. Erst ohne Geld, dann mit Geld, aber für weniger, als ich sonst nehme. Nach ein paar Mails hin und her kamen wir beide auf eine Summe, die nicht ganz so weh tut (und mein Kühlschrank verhandelte mit).
Das war an einem Dienstag Morgen. Das weiss ich noch so genau, weil ich zu dem Zeitpunkt in einem furchtbaren total spannenden Seminar saß und die Bilder nicht schicken konnte. Dienstag Mittag jedoch kam dann die Absage der Telekom, man hatte es sich anders überlegt.

Was war passiert?
Nun, AP hatte die Geschichte kopiert.

An dem Dienstag, gegen mittag deutscher Zeit, ging das Material über die Puppen von der Agentur Associated Press online. Und die Tarife von AP sind billiger preiswerter als die eines freiberuflichen Journalisten. Telekom.de publizierte die Geschichte kurze Zeit später. Ohne mein Material, aber mit den Fotos von AP.

Ich sprach mit der Journalistin von AP, wie sie denn auf die Geschichte gekommen ist. Auf Twitter bestätigte sie mir, dass meine Geschichte “eine große Hilfe” gewesen ist.

Man hat kein Patent auf eine Story. Ist sie draußen, kann jeder sie nachmachen. AP stellte jetzt billiges preiswertes Bildmaterial der Puppen zur Verfügung.
Gut, dachte ich, ich hatte meine Erfolge und Publikation gehabt, das wars jetzt endgültig. Wer sollte mich jetzt bitte noch anrufen und meine Bilder kaufen, wenn er gleichzeitig das günstige Material von der Agentur bekommen kann?

Eine Woche später rief der Stern an.

Tatsächlich brachte die Veröffentlichung von AP noch mal ein großes Interesse an meiner Arbeit. Innerhalb einer Woche gab es eine Flut von Anfragen. Der Stern wollte es auf sechs Seiten drucken und eine Zeitung aus Südafrika bat mich um ein Interview. Auch D-Radio Wissen führte mit mir ein Gespräch im Rahmen eines Themenabends.

Das mit dem Stern hat eine Vorgeschichte. Ich hatte der Redaktion damals im April 2014 die Geschichte exklusiv angeboten. Damals hieß es “schöne Geschichte, passt aber nicht.” Im Juni 2014 schrieb mich dann Stern View an, sie wollten eine Doppelseite bringen. Aber nach der ersten Mail kam dann nichts mehr. Jetzt im Dezember hatte ich schon nicht mehr damit gerechnet, es je im Blatt zu sehen. Doch spätestens als ich es dann im Kiosk bei mir um die Ecke gedruckt im Stern sah, glaubte ich dran.

Im Studium sagte man uns, dass der Stern nur Exklusives druckt und man gar nicht probieren sollte, nach einem Abdruck in einem anderen Blatt es noch dort anzubieten. Der Stern war jetzt im Dezember 2014 ungefähr die achte Redaktion, welche meine Geschichte druckte. Die Medienlandschaft ändert sich…

Bei jeder Publikation gilt: Je größer ein Foto gedruckt wird, desto teurer ist es. Eine Foto-Doppelseite im Stern für einen freien Fotografen bringt, soweit ich weiss, etwas unter 1.000 Euro.
Groß gedruckt im Stern wurden die Bilder von AP, die kleineren stammten von mir. Im Text wurde ich erwähnt und aus meiner Arbeit gab es Zitate. Stern Online hat die Geschichte auch gekauft. Für alles zusammen habe ich weniger bekommen, als das Honorar einer Doppelseite. Auch hier gilt: Der Abdruck von Agentur-Fotos ist billiger preiswerter, als die von freien Fotografen.

Puppen in der Welt
Wie im letzten Teil erwähnt hatte die Vanity Fair in Italien 16 Fotos aus dem Video geklaut und eine Klickstrecke für ihre Website gebastelt. Ich ließ das über meinen Rechtschutz bei djv/ver.di laufen und wir konnten sehr schnell eine Einigung erzielen. Kurz vor Weihnachten ging dann ein vierstelliger Betrag der Vanity Fair auf mein Konto ein.
Und wer sagt: “Als freier Journalist bloß nicht klagen, man kriegt nie wieder Aufträge” dem sage ich: Nur einen Monat später erhielt ich eine Anfrage vom gleichen Verlag zu Houshi. Es war denen einfach egal.

National Geographic schrieb mir in der gleichen Woche wie der Stern. Ich dachte erst, das kann nicht wahr sein und fragte erstmal nach. “Ist das euer Ernst? Wollt ihr wirklich diese unfertige Arbeit?”. Sie wollten. Über Weihnachten habe ich das Video noch mal etwas überarbeitet und bereinigt. Es ist schließlich National Geographic!

Im Januar ging es dann online.

Eine Woche später hatte ich einen Termin bei meiner Bank. Der Angestellte hatte zwar keine Ahnung von Fotografie oder Journalismus, aber ich brauchte nur mal “National Geographic” sagen und er legte jede Skepsis bei meinen Anträgen ab.

Ebenfalls im Januar gab es ein Filmfestival in London, welches die Puppen zeigte. Es war das nunmehr vierte Festival, aber das erste, von dem ich Fotos habe.


Quelle

Im März 2015 zog dann Reuters nach und publizierte ihr eigenes Material zu Nagoro. Ob da nun die Inspiration von mir stammte oder von AP ist nicht mehr zu sagen. Inzwischen sehe ich das auch alles entspannter. Ich hatte meinen Erfolg und trotz dieser Flut an billigen preiswerten Material wurde meine Arbeit immer noch nachgefragt. Nur die Veröffentlichung in Die Welt und in der Zeit machten mich etwas traurig. Beiden Redaktionen hatte ich lange vorher die Geschichte angeboten, mit der Welt stand ich sogar in Verhandlung. Aber es wurde nichts draus. Ich will ungern daran glauben müssen, dass es am Ende nur eine Frage des Geldes und nicht der Geschichte war.

Wie schon bei AP brachte die Veröffentlichung von Reuters noch mal ein neues Interesse an meiner Arbeit. Das Magazin Foreign Affairs aus den USA kaufte die Geschichte zwei Wochen nachdem Reuters damit online ging. Ich schrieb auch den Text dazu, was mein erster englischsprachiger journalistischer Text seit einigen Jahren war. Ging trotzdem ganz gut von der Hand.

Das Harper’s Magazine aus New York meldete sich auch, aber die wollten nur Infos von mir, den Rest erhielten sie von Reuters. Sonst würd ich sowas ja nicht ohne Weiteres machen, aber ein kurzer Blick auf das linked.in Profil der Kollegin (die mit Nachnamen tatsächlich “Love” hieß) zeigte mir, dass sie eine ewige Praktikantin in New York ist, die sich von Redaktion zu Redaktion hangelt. Da war ich solidarisch.

Im Mai 2015 dann endlich waren die Puppen auf Pro7 zu sehen. Galileo Big Pictures war ja die erste deutsche Redaktion, die mich überhaupt angeschrieben hatte.

Als ich anfing mich für Fotografie zu interessieren – es muss so zum Abitur gewesen sein – lief die allererste Ausgabe von Galileo Big Pictures. Ich kann mich noch genau daran erinnern. Ich saß in meinem Zimmer in der Wohnung meiner Eltern und sah diese fantastischen Bilder aus der ganzen Welt. Insgeheim dachte ich mir: Irgendwann will ich auch mal so gut sein, dass meine Bilder im Fernsehen gezeigt werden.
Es klingt so naiv, dass jetzt aufzuschreiben. Schließlich habe ich seitdem so viel mehr publiziert. Aber ungefähr sieben Jahre nach diesem Abend im Jugendzimmer waren meine Bilder tatsächlich im Fernsehen zu sehen.

Und sie haben den Moderator sogar in das Foto montiert, hihi.

Man kann ja von Galileo halten was man will. Essensberichte aus der ganzen Welt, Fabrik-Besichtigungen großer Konzerne oder die eine oder andere falsch beschriftete Karte. Aber fakt ist, die Zusammenarbeit war besser und angenehmer, als mit den meisten Printredaktionen, die ich kenne. Sie haben pünktlich & gut gezahlt und mein Name wurde ständig beim Foto eingeblendet (tatsächlich keine Selbstverständlichkeit mehr). Der Kontakt vorher war auch immer professionell und akkurat. Gerne wieder.

Vor zwei Wochen waren die Puppen auch im ZDF Mittagsmagazin zu sehen, aber ohne mein Material. Der Beitrag lief vorher schon in einem anderen ZDF-Format (und ich find ihn besser gelungen als den von der ARD).

Puppen mit (vorläufigem) Ende
Die Geschichte ist jetzt schon etwas länger als ein Jahr online. Ich würde sie nicht als meine beste Arbeit bezeichnen wollen, aber es ist definitiv die erfolgreichste. Es hat Türen geöffnet und war ein gewisser Wendepunkt für mich als junger Journalist. Ich konnte lernen, wie die Medienlandschaft heute funktioniert. Ich habe auch verstanden, dass eine Geschichte, die keiner am Anfang haben will, nicht schlecht sein muss. Nirgends, wo ich sie angeboten hatte, wurde sie genommen. Alle Veröffentlichungen oder Verkäufe konnten nur entstehen, weil das Video ein Selbstläufer online war.

Ich denke aber auch, dass der Lauf jetzt vorbei ist. “Im Tal der Puppen” hatte ich in den letzten Monaten noch bei einigen Sachen eingereicht, aber nirgends kam etwas zurück. Die Geschichte hat sich auch etwas Ruhe verdient.

“Houshi” hat zwar inzwischen eine Viertel Million Views (plus noch einmal genau so viel auf TheAtlantic), aber eingeschlagen wie die Puppen hat es nicht. Auch mein neuester Film braucht noch etwas, bis er richtig Fahrt aufnimmt.
Von jeder Geschichte so einen Höhenflug zu erwarten, wie bei den Puppen und dann enttäuscht zu sein, wenn es nicht so ist – dem war ich auch erlegen. Mittlerweile bin ich entspannt und konzentriere mich auf den nächsten Filn. Es wird der vorerst letzte aus Japan sein.

Jede Geschichte ist anders. “Houshi” hatte nach 24 Stunden 50.000 Views. Die Puppen brauchten damals zwei Wochen bis dahin, aber dafür hatten sie am Ende mehr. Nicht jede Geschichte brennt rasant oder hell. Aber es war spannend in das Leuchtfeuer der Puppen zu schauen und die Funken fliegen zu sehen.

Aus Licht und Stahl

Lichtdruck ist eine alte Technik aus Europa, welche heute nur noch in Japan existiert. Osamu Yamamoto ist Leiter einer der letzten Lichtdruck-Werkstätten in der Welt.

Er arbeitet für die Firma Benrido in Kyoto und ist dort mit seiner Studio unter anderem für das Kaiserliche Hofamt von Japan tätig. Für die Kaiserliche Familie stellen sie Nachdrucke und Kopien her, von alten Schriftrollen, Zeichnungen und Briefen, die teilweise mehrere Jahrhunderte alt sind. Sie bewahren Japans kulturelles Vermächtnis für die nächsten Generationen.

Zur letzten Jahrhundertwende war Lichtdruck die führende Technologie für Massendrucke und in der ganzen Welt verbreitet. In vielen Museen hängen heute noch Lichtdrucke alter Fotos und Gemälde.
In den vergangenen fünf Jahren haben die letzten verbliebenden Lichtdruckereien in Florenz und Leipzig ihre täglichen Geschäfte eingestellt. Heute gibt es weltweit nur noch zwei Werkstätten, beide befinden sich in Kyoto. Benrido ist die größere Firma und die einzige, die Lichtdrucke in Farbe herstellen kann.

Mit vorheriger Anmeldung kann man das Lichtdruck-Studio von Benrido in Kyoto besichtigen. Sie bieten in einem eigenen Shop auch Postkarten und andere kleine Lichtdrucke an.

Firma Benrido


Aktuelle Entwicklung von Lichtdruck in Deutschland

Soundtrack von Mario Kaoru Mevy


Drei Filme fertig, einer kommt noch…

“Aus Licht und Stahl” ist definitiv anders als “Puppen” und “Houshi”. Aber trotzdem eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden.

Im Bett mit Erich


Neulich habe ich im Ostel am Berliner Ostbahnhof fotografiert – ein Hotel, in dem die Zimmer so eingerichtet sind, wie in der DDR der 70er, 80er Jahre. Zumindest so klischeehaft wie manche es sich vorstellen wollen. Mit dem Portrait von Erich Honecker über dem Bett und “Die schönsten sozialistischen Reiseziele” im Bücherregal.

Da ich ja selber aus dem Osten komme, war ich am Anfang sehr skeptisch, was die Ausrichtung von dem Hotel angeht. Aber die Gründer und Mitarbeiter vom Hotel sind auch fast alles Ossis. Sie machen die Arbeit mit einer hochgezogenen Augenbraue und viel Selbstironie.
Die Gäste sind zum Großteil ausländische Touristen, manchmal auch Wessis, die eine preiswerte Übernachtung suchen. Oder Ossis, die sich in den Zimmern ein wenig an die alte Heimat erinnern möchten. So gings auch mir. Einige der Möbel stehen heute noch so 1:1 bei meiner Oma.

An der Stelle kann ich ja auch eine kleine Ankedote erzählen…

Erich Honecker hat mir mein Studium finanziert.
Wie es dazu kam? Nun, beim Fall der Mauer war ich 2 Jahre alt. Die DDR kenne ich daher nur aus Erzählungen und aus dem Fernsehen. Durch das Aufwachsen in Ostberlin habe ich aber viel ostdeutsche Prägung mitbekommen – die ich immer dann merke wenn ich irgendwo auf der Welt andere Ossis treffe.

Für das Studium habe ich dann 2011 rübergemacht in den Westen. Die Studiengebühren konnte ich am Anfang nicht aufbringen, also musste ich meine Eltern um Hilfe bitten. Mein Vater hatte kurz zuvor ein Buch über Honecker gemacht. Es verkaufte sich auch ganz gut und er hatte deswegen genug Geld, das er mir leihen konnte. Anders gesagt: Dank Erich Honecker kann ich in Hannover studieren.

So kanns gehen.

Die Fotos habe ich jetzt sehr grafisch, sauber gestaltet. So war die Vorgabe.


Nicht Erich.

Mittelmäßig #1


Ich habe mir einen alten Wunsch erfüllt und einen kleinen Kasten aus Metall mit zwei Linsen gekauft: Eine Mittelformat-Kamera aus den 60er Jahren. (Eine von denen)
Schon 2009 in Tokyo hab ich so eine in mehreren Kameraläden gesehen, ich hatte aber zuvor nie das Geld gehabt.

Ist eine ganz andere Art zu fotografieren, da man nicht auf Augenhöhe durch die Linse schaut, sondern von oben hinein ein ein spiegelverkehrtes Bild. Und dazu noch teure Filme. Den ersten hab ich gleich zerstört, weil ich ihn falsch einlegte. Musste mir dann ein Tutorial auf Youtube anschauen, wie man einen Film richtig einlegt.

Pro Film hat man zehn Rechtecke frei. Jede Rolle kostet so vier bis sieben Euro, die Entwicklung im Labor meines Vertrauens dann nochmal 15 Euro. Also pro Rechteck knapp zwei Euro. Teure Spielerei. Aber bis ich den Dreh wirklich raus hab, muss ich noch viel ausprobieren.