Ich bin immer noch dabei mein Material aus Japan zu editieren. Da ich das meiste eh für meine Projekte fotografiert habe, sind solche Zwischenbilder wie dieser eher rar.
Im Dezember 2013 war ich für einige Tage in Kansai, auf dem Weg von Hiroshima nach Tokyo. Ich war tatsächlich vorher nie länger als 24 Stunden in Kyoto oder Osaka. Immer nur durchgefahren und dran vorbei.
Osaka hatte mich damals etwas enttäuscht, obwohl ich keine wirkliche Erwartung an die Stadt hatte. Mein Zimmer war zwar hier, aber die meiste Zeit fuhr ich nach Kyoto. Und auch Kyoto enttäuschte mich damals etwas. Erst beim dritten Besuch, im Mai 2014, konnte Kyoto mich wirklich gewinnen. Denn erst da fing ich an die Touristenzentren zu meiden und mir von Freunden charmante Ecken zeigen zu lassen.
Mein Zimmer in Osaka lag übrigens in der Gegend, die als der einzige Slum von Japan gilt: Kamagasaki. Früher war das eine Boomtown für Tagelöhner. Hotels für die Arbeiter deckten schnell den Bedarf der Pendler ab. Aber die Arbeit blieb irgendwann mal aus und der Bezirk ging den Bach runter. Wenn ich japanischen Freunden erzählte, wo mein Hostel ist, meinten die nur “Oh…”. Der Bezirk ist unter anderem durch gewaltsame Ausschreitungen der Obdachlosen bekannt.
Ich schickte meinem Professor, den ich als Austauschstudent immer mal informieren sollte, wo ich denn nun bin, eine Email. Der meinte nur: “Oh, guck dir dann mal Tobita Shinchi an, das ist gleich um die Ecke. Aber mach keine Fotos. Das Gebiet wird von den Yakuza kontrolliert und Yakuza mögen keine Fotos.”
Tobita Shinchi ist ein riesiges Bordell. Vergleichbar ist es mit Amsterdam: Die Damen sitzen, japanisch hübsch gemacht im Kimono, im Schaufenster. Eine ältere Dame, meist eine ehemalige Prostituierte, ruft dann die Kundschaft heran. Offiziell ist Prostitution in Japan zwar verboten, aber das juckt hier keinen. Die Geschäfte gelten auch als “Restaurants”. Sie haben sogar eine eigene Gewerkschaft, dessen ehemaliger Vorstand später zum Bürgermeister von Osaka wurde. Kleine Lektion über die Verknüpfung Yakuza, illegale Geschäfte und Politik in Japan.
Im Umkreis meines Hostels gab es geschätzt noch einhundert andere. Es sind alles die ehemaligen Hotels der Tagelöhner. Abgeranzt aber billig. Und daher überall Ausländer, wie mich.
Keine 500 Meter entfernt lag auch schon das Bordell. Ich bin eines Abends mal ohne Kamera hin. Die Straßen in dem Viertel waren tatsächlich sehr viel anders, zu dem Japan, was ich kenne. Dunkel, nirgends Geschäfte oder Neon. Und nur Herren im mittleren Alter in abgerockter Kleidung. Keine Geschäftsmänner, Studenten oder Schulmädchen. Die einzigen Läden waren Wäschereien und öffentliche Badehäuser. Nicht mal einen Conbini konnte ich sehen.
Die alten Damen im Bordell versuchten natürlich mich zu locken. Sie riefen immer “Oniiiiiiichan” (Brüderchen) und winkten. Die jungen Mädchen neben ihnen waren tatsächlich sehr hübsch.
Auf Youtube gibt es ein Video, das aus dem fahrenden Auto heraus gemacht wurde. So bekommt ihr vielleicht einen Einblick.
Doch genug von Bordsteinschwalben. Eigentlich wollte ich ja über etwas andere Vögel berichten.
Es lag ein heftiger Regen über Osaka, also konnte man eh nicht viel machen. Und eines der größten Aquarien der Welt kann man sich mal angucken.
Das Kaiyuukan in Osaka ist das größte Aquarium in Japan und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Hinter dreißig Zentimeter Plexiglas gibt es einen Blick auf riesige Becken mit Tieren und Fischen aus Japan und dem Rest der Welt.
Das Wort, was ich von den japanischen Besuchern am meisten hörte, war “Tabetai!”. Frei übersetzt “Das will ich essen!”
Die Seehunde hatten oberhalb der Kuppel nur ein kleines Becken, daher waren sie natürlich angehalten, immer wieder mal nach unten zu tauchen. Hier, wie auch in den anderen Becken, merkte man deutlich, dass sie auf die Zuschauer reagierten. Gerade die Delfine spielten oft mit denen vor der Scheibe.
Fotografisch war das alles nicht sehr einfach. Durch das dicke Plexiglas kriegt man schon mal eh keine gestochen scharfen Fotos hin. Die Lichtsituation war auch furchtbar. Ständig blitzten auch die Handyknipsen der Besucher gegen das Glas. Aber die größte Herausforderung waren natürlich die Tiere selbst. Man muss schon eine Weile warten bis die Tiere sich genau so in den Bildausschnitt bewegen, wie es passt.
Ich hatte vor Jahren in einer Plattform für junge Fotografen ein Bild aus einem Aquarium in Okinawa entdeckt. Online finde ich es jetzt nicht mehr, aber es sieht ungefähr so aus wie die hier alle. In Osaka hatte ich das Bild auch im Hinterkopf und wollte zumindest was gleichwertiges hinkriegen. Aber wie auch in der echten Natur gilt in der Fotografie: man braucht Geduld bis alle Elemente glücklich ins Bild fallen.