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Fritze hier und anderswo: Foto-Februar!

Diesen Monat kommt viel auf mich zu…

Neulich erreichte mich ein Kommentar in meinem Blog, bezüglich der aktuellen Auftragsflaute:

Ich wünsch dir fürs Jahr viel Erfolg, die Aufträge werden schon noch kommen. Bestimmt bekommst du bald einen richtig Großen, wenn du ihn am wenigsten erwartest. : )

unter diesem Beitrag

Als ich den Kommentar sah, dachte ich noch „Jaja, das wird doch sicher nichts…“. Tja und was soll ich sagen, in der letzten Woche kamen gleich zwei große Aufträge rein: eine Fahrt nach Weimar und… offizieller Fotograf bei der Berlinale dieses Jahr!


Quelle: Berlinale.de

Berlinale

Die exzellente Galerie c/o Berlin hat jedes Jahr zur Berlinale ein Programm für junge Fotografen, genannt „Close Up!“. Ich hab mich dieses Jahr beworben – und wurde genommen!

Ich weiss noch nicht viel, und auch nicht, wie ich die Bilder dann veröffentlichen darf. Ich weiss nur, dass von mir erwartet wird, an Tagen der Berlinale (10.-20. Februar) ab 16 Uhr auf dem roten Teppich zu stehen und im Anschluss bei den After Shows und Veranstaltungen dabei zu sein.

Am Ende der Berlinale gibts dann auch ne kleine Ausstellung der Bilder von meinen jungen Kollegen im Programm und mir, eine Jury wählt auch das beste Bild aus, dessen Urheber ne neue Kamera gewinnt (die ich gut brauchen könnte….).

Es freut mich natürlich tierisch bei dieser aufregenden Veranstaltung dabei zu sein, endlich wieder neue Inspiration zu tanken und mich mit meinen jungen Kollegen auszutauschen. Bin auch gespannt, wie ich mich mit meiner kleinen Kamera und zwei kleinen Objektiven am roten Teppich gegen die dicke Ausrüstung und langen Linsen der anderen schlagen werde. Und, hey… Berlinale!

In der Zeit der Berlinale werd ich wahrscheinlich recht beschäftigt sein, ich würde aber gern einen Blogpost aufmachen, in den ich jeden Tag ein Bild von der Berlinale reinlade. Mal schauen, ob das klappt.

Heute kam auch eine Meldung rein, dass RTL gerne über die jungen Fotografen von der Berlinale berichten will. Ich versuch mich da allerdings rauszuhalten, da ich mich eher auf meine Arbeit konzentrieren möchte, und da das bei RTL doch in eine eher einseitige Berichterstattung abdriften könnte… Das kommt dann demnächst auf RTL in Punkt12, ich verlinke das dann, wenn es den Beitrag online gibt.


Thema (grob): ‚I will survive‘ unter der Dusche singen

Fotoserie in der Berliner Zeitung

Nachdem im Dezember nun Pause war, läuft die Fotoserie im Jugendressort der Berliner Zeitung, die ich ja seit Jahren gestalte, seit Anfang Januar wieder an. Thema sind diesmal „Musikmomente“ (siehe Bild oben), also entweder der Lieblingssong, der ein bestimmtes Gefühl auslöst, oder ein Lied, das einen bestimmten Moment einzigartig gemacht hat. Bislang recht spannend, aber auch schwierig, aus Liedern Bildern zu machen, wenn sich kein Moment szenisch greifen lässt. Die Reihe erscheint jeden Montag in der Berliner Zeitung, so um Seite 26-28 rum.

Muss mal schauen ob und wie ich neben der Berlinale noch die Bilder dafür machen kann…


Quelle: fotostudenten.de

Bewerbung für Hannover

Wie ein paar mal erwähnt, würde ich gern ab Oktober in Hannover Fotojournalismus studieren. Dafür muss ich allerdings noch Bilder für eine Mappe schießen. Da die Deadline für diese Mappe für den 15.3. gesetzt ist, heisst das, dass ich diesen Monat auch noch viele Bilder fertig machen muss. Vielleicht kann ich was von der Berlinale nutzen, mal schauen…

Bevor jetzt Stimmen kommen „Nimm doch einfach Bilder aus Japan!“ und „Hättste doch schon längst Fotos für machen können!“… Nicht wirklich. Die Japan-Bilder, die ich habe, eignen sich nicht als eigenständige Bilderserie, da sie immer so fotografiert sind, dass sie einen Text begleiten. So arbeite ich halt. Und, ja, auch wenn bereits ein paar Monaten seit meiner Entscheidung mich dort zu bewerben vergangen sind, so weiß ich doch erst richtig was für Bilder die haben wollen, seitdem ich im Dezember dort war. Anschließend daran bemühte ich mich um ein Reportage-Thema für eine Bilderserie, was an Ideenmangel krankte. Ich versteifte mich ziemlich auf ein Thema, das Krematorium Berlin, die nach wochenlangen Verhandlungen zustimmten, dass ich eine Dokumentation in ihren Haus machen darf – nur um dann im Nebensatz hinzuzufügen, dass mir pro Stunde(!), die ich im Krematorium Berlin tätig bin, 318€(!!) in Rechnung gestellt werden. Eine Information, die vorher nicht kommuniziert wurde und auch auf der Homepage nicht ersichtlich ist.

Naja, nun neue Themensuche, tagelange Arbeit vor Ort und Bildauswahl für die Mappe in diesem Monat…


Foto: Tino Höfert/jugendfotos.de

Weimar

Da das jetzt schon vergangen ist, werd ich mal erzählerisch:

In dem allgemeinen Gefühl von kreativen Stillstand und Auftragsflaute bat ich einige Kontakte um Gespräche, in dessen Folge sich hoffentlich neue aufregende Sachen ergeben könnten. So bin ich auch zu einer Journalismus-Agentur, für die ich seit mehreren Jahren indirekt arbeite. Mit dem Art Director, nun Chef vom Dienst, hab ich mich dabei oft über Fotografie unterhalten, und da er auch Japan-Fan ist, verstanden wir uns gut. Er räumte nun ein paar Minuten in seinem Terminplan frei für ein Gespräch, zu dem ich natürlich auch noch zu spät erschienen bin, weil ich mich verfahren hatte. Trotzdem lief das Gespräch gut. Er sah mein Problem und wollte mir helfen. Unbezahlte Arbeit wollte er mir nicht vermitteln, auch in meinem Interesse. Bezahlte Aufträge gab es zwar, aber nicht so viele. Ich bat ihn nur, mich mal im Hinterkopf zu behalten, und das konnte er mir versichern, auch wenn vor März wahrscheinlich nichts mehr reinkommt.

Nur zwei Tage später rief er an. „So schnell haste nicht mit mir gerechnet, wa?“, begrüßte er mich, und ich stimmte ihm überrascht zu. Er fragte mich, ob ich denn nicht Lust habe am Montag nach Weimar zu fahren. Ich wusste erst nicht, was er meinte, und hörte erstmal zu. Sie brauchten einen Fotografen für eine Veranstaltung in Weimar am Montag und da dachte er an mich. Vielleicht sagte auch ein anderer Fotograf vorher ab, sonst wär das nicht so kurzfristig reingekommen. Ich nahm gern an.
Ich fragte noch naiv: „Transport zahle ich, oder…?“. Die Antwort: „Was? Nein, wir bezahlen den Zug, Taxi vor Ort und natürlich eine Tagesgage“. Mit dem Gefühl endlich mal in der professionellen Welt angekommen zu sein, sagte ich zu.

Es war nicht nur ein großer Auftrag, es war auch gleichzeitig der erste große Auftrag seit meiner Landung – auch wenn ich jetzt schon ein halbes Jahr hier bin. Ich war etwas aufgeregt, da soviel Vertrauen in mich gesetzt wurde und man mich 300km durch Deutschland schickte, nur um Fotos zu machen – auch wenn ein Fotograf vor Ort das vielleicht hätte übernehmen können. Ich war auch etwas verunsichert, ob ich schon (wieder) so weit bin, so einen Auftrag zu übernehmen. Doch die Agentur würde mir nicht die Reise bezahlen, wenn sie nicht das Vetrauen in meine Arbeit hätten.

Mit wenigen Stunden Schlaf zuvor, stieg ich nun an einem eiskalten Montagmorgen am Berliner Hauptbahnhof in den ICE. Nur mit einer Umhängetasche, vorbei an Reisekoffern und gepackten Taschen. Ich war stolz wie Bolle und erwartete eigentlich ständig die Frage, wohin und warum ich unterwegs bin – worauf ich dann ganz lässig geantwortet hätte „Oh ich? Ich bin nur Fotograf und fahr zu einem Auftrag. Hab ich erwähnt, dass die Zugfahrt bezahlt ist?“. Doch weder einer meiner Sitznachbarn, noch die Taxifahrerin in Weimar wollte das wissen.

Im Zug Richtung Weimar und während der zwei Stunden Fahrt, kam ich an viel Berliner Umland und thüringischen Hügeln vorbei, mit den vereinzelten Burgen obendrauf. Einige Gebiete waren noch gezeichnet vom Hochwasser: überflutete Schrebergärten, die inzwischen mehr einer Seenlandschaft glichen, die an diesem Morgen komplett zugefroren war. Der Raureif, der an diesem kalten Morgen auf der Landschaft niederging und in dem Geäst der Bäume steckte, gab dem ganzen eine mysteriöse Atmosphäre, da überall noch dunkle Konturen durchschimmerten, statt einer reinweissen Landschaft wie im Tiefschnee.

Mir gegenüber las ein älterer Herr die Berliner Zeitung. Das Mädchen, welches ich in der Woche zuvor in meinem Zimmer vor meinem Bett abgelichtet habe, lächelte mich von der anderen Seite aus an.


Schlecht versteckt, dass es mein Bett ist, wie an dem Paket darunter mit japanischen Zeichen drauf und der allgemeinen Schlampigkeit zu erkennen ist

Als der Zug in Bitterfeld anhielt, musste ich lachen – zur Verwunderung meines Sitznachbars. Warum ich bei Bitterfeld lachen musste, versteht jeder, der dieses Lied kennt:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=AXR4Gmfzb0g&w=720]
schlechte Qualität…

„Von Tokyo, bis Bitterfeld“ – hat zwar ein halbes Jahr gedauert, aber nun bin ich den besungenen Weg auch gegangen.

Weimar war ebenso kalt wie Berlin, auch wenn meine Mutter, geboren in Weimar und vor Berlin nur in Thüringen wohnhaft, meinte, dass es in Thüringen immer etwas kälter sei. Ich war das letzte mal vor sieben Jahren in Weimar, und davor immer mal sporadisch, da ich Verwandte in der Nähe habe. Ich kannte die Stadt so einigermaßen, trotzdem schaute ich mir sehr interessiert die vielen sanierten Fassaden aus dem Taxifenster an, während ich zum Auftrag fuhr.

Der Auftrag war ein Seminar von zwei öffentlichen Vereinen zu begleiten. Durch die Finanz- und Vereinstrukturen, war mir recht unklar, was da jetzt genau passierte, und ich musste nachfragen. Denn ich war im Auftrag einer Agentur dort, die wiederum vom öffentlichen Dachverband beauftragt wurde, der wiederum freie Seminarleiter engagierte, die dann vor Ort meine Ansprechpartner waren. Also konkret heisst das, dass keiner, der mich beauftragte, direkt vor Ort war. Das schaffte eine entspannte Amosphäre, bzw. entspannter, als wenn direkt der Auftraggeber mit gestressten Blick, großen Augen und vielen Wünschen mit mir als Fotograf spricht.

Keine 5min nachdem ich angekommen war, wurde ich schon gebeten, die Kamera rauszuholen. Das mag ich eigentlich sonst nicht, da ich mich erst auf den Ort und die Atmosphäre einstellen muss, und sich vorallem die Leute erst einmal dran gewöhnen müssen, dass da jemand ständig im Hintergrund fotografiert. Aber der Sprung ins kalte Wasser war auch nicht verkehrt.

Danach bekam ich dann die Ruhe, die ich brauchte. Nach ein paar Minuten, um die Lichtsituation im Haus zu verstehen um sie dann in Ruhe nutzen zu können, und nachdem dann die Leute mich als Fotograf akzeptierten, war alles recht einfach. Die Aufregung vorher war unbegründet, schließlich mach ich das schon seit Jahren und sollte einfach Vertrauen in meine Fähigkeiten haben. Die Agentur steckte schließlich auch Vertrauen in mich, wenn sie mich hierher schickt.

Das Seminar betraf weibliche Stipendiaten aus kleinen Ländern Ost-Europas, die alle fließend Deutsch, mit diesem sexy gebrochenen Akzent sprachen.
Ich verspüre immer eine Art schlechtes Gewissen, wenn ich Leute vor mir habe, die aus Nachbarländern Deutschlands stammen und sich die Mühe machten, Deutsch zu lernen. Ich finde, wir als europäischer Nachbar haben dann auch eine gewisse Verpflichtung, uns auch um ihre Sprache zu kümmern. Einfach aus Höflichkeit und Respekt. Aber wie mir eine Stipendiatin beim Essen erzählte, werden Sprachen, in die man eben viele Jahre des Lernens investiert, strategisch gelernt, sodass es sich wirtschaftlich irgendwie rentiert. Denn in Deutschland lernen wir ja auch schließlich nicht Englisch aus reiner Nächstenliebe zu unserem europäischen Nachbarn…

Die Arbeit lief gut, auch wenn die Motivbandbreite eher begrenzt war. Es gab anregende Gespräche mit einem Kamerateam vor Ort, mit dem ich nach Ende noch ins Café ging – in exakt das selbe Café, in dem ich vor sieben Jahren auch schon war. Nebenbei spielte ich noch etwas Reiseführer, da ich noch erstaunlich viel von Weimar im Kopf hatte. Doch viel Zeit blieb nicht, nicht mal für eine Thüringer Rostbratwurst, die ich unbedingt noch essen wollte. Ich musste mich zum Bahnhof sputen und fuhr Richtung Heimat.

Im ICE in Berlin las neben mir mein Sitznachbar im DBmobil Magazin, einem Heftchen, das an jedem Sitz klebt, und erstaunlich hochqualitativ daherkommt. Mit großen, schicken Fotos und breiter Themenauswahl soll es auf langer Zugfahrt unterhalten. Die Texte im Magazin lesen sich allerdings nicht so schön, wie die Fotos anzuschauen sind. Ein Beitrag über Japan war geschrieben von einem Vertreter der japanischen Fremdenverkehrsbehörde (JNTO), den ich auch einmal während meiner Zeit in Japan kennenlernte. Der gesamte Beitrag (über 6 Seiten) wird wohl von JNTO gesponsort sein, sodass die großen Bilder das Magazin nix gekostet haben werden. Ich versteh allerdings nicht, warum man in deutschen Zügen für Reisen in Japan werben sollte, es sei denn man appeliert an die allgemeine Reiselust und Finanzstärke von ICE-Fahrgästen. Dafür fehlte mir dann allerdings auch der Nebensatz, dass japanische Züge nicht vor dem Wetter kapitulieren müssen, wie die Züge der deutschen Bahn jeweils im Winter und im Sommer…

Wieder in Berlin kam mir der Hauptbahnhof wie ein großes Raumschiff vor, nachdem ich vorher im beschaulichen Weimar in einer alten Villa fotografierte. Doch als ich mir an einem Stand etwas zu Essen kaufen wollte, wusste ich wieder: ich bin daheim. Wurde ich Stunden zuvor in Weimar noch als Gast mit „Hallo, darf ich ihnen etwas bringen?“ begrüßt, versteckte sich der Ladeninhaber in Berlin kurz hinter der Theke, weil etwas Dreck auf dem Boden grad wichtiger als der Umsatz war. Ohne Begrüßung drehte er sich mit dem Rücken zu mir, sprach mit der Hinterwand des Ladens und sagte „…was?“.

Da wusste ich, der Auftrag und Ausflug nach Weimar war in diesem Moment definitiv vorbei.

(wer nicht ganz versteht, was ich meine, dem sei dieses Video empfohlen: die Berliner Freundlichkeit, treffend parodiert von Kurt Krömer. Genauer ab 2:43min, auch wenn das ganze Video herlich ist)

Unter einer Brücke in Berlin…

Aus Wikipedia: „[Reverse Graffiti] (frei übersetzt: „umgekehrte Graffiti“) ist eine spezielle Form von Graffiti. Das Bild entsteht hierbei, indem z. B. eine Straße, eine Tunnelwand oder Stadtmöbel partiell gereinigt werden.“

Ich hab zwei Brüder. Der Eine sitzt, sofern er nicht im Ausland unterwegs ist, in Hamburg und macht Beiträge fürs Fernsehen. Der Andere hat zwei Kinder, sitzt mit denen und einer Frau in Berlin, und ist selbstständiger Buchgestalter. Vorher war er Art Director bei ner großen Werbefirma – und hat somit insgesamt mehr Ahnung von Fotografie als ich.

Wenn er dann doch mal anruft und mich als Fotograf braucht, ist das schon etwas besonderes. Er brauchte mich zudem noch als Kameramann und was dann dabei entstand war das hier:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=fKoZKyeMxIk&w=720]

Das Ganze nennt sich dann „reverse Graffiti“ (siehe oben) und wurde mit einem gemieteten Kärcher-Wasserstrahler, angeschlossen an einen unterirdischen Hydranten, an der Wand unter einer Brücke unter der Warschauer Straße in Berlin gemacht. (und zwar exakt hier)

Die Idee war, für das Buch 50 einfache Dinge, die du tun kannst, um die Gesellschaft zu verändern, eine etwas aufwendigere Aktion zu unternehmen, um mit der Idee den Verlag zu überzeugen. Mit Erfolg – und nun gab es auch für mich die Freigabe das Ganze zu veröffentlichen. Auch wenn schlussendlich das Design des Buchs nichts mehr mit unserer Aktion gemeinsam hatte, und das Buch höflicher wurde, indem das Du zum Sie hochgestuft wurde.

Das Ganze fand an einem kalten Dienstagmorgen im Herbst statt. Die Aktion war auch angemeldet, sodass wir Strom und vorallem Wasser von der Stadt bekommen konnten – und damit nicht alle 10min jemand vorbei kommt, der denkt, dass wir Terroristen sind. Insgesamt waren wir vier Leute: mein Bruder, seine Praktikantin, eine befreundete Helferin und icke. Mir wurde dabei das iPhone in die Hand gedrückt, mit dem Hinweis „Film mal“.

Ich hantierte nun also ständig mit zwei Kameras herum, mit meiner Spiegelreflex und der Videokamera des iPhones. Bei Beiden musste ich inhaltliche relevante Szenen mitnehmen, damit sowohl eine reine Bilderserie, als auch der Videofilm am Ende für den Betrachter Sinn machen. Zum Glück zogen sich die meisten wichtigen Schritte etwas in die Länge und wurden teilweise wiederholt, sodass sich genug Möglichkeiten ergaben.

Zuerst gabs eine Probe auf dem Boden. Der Witz beim „reverse Graffiti“ ist ja, dass keine Farbe oder ähnliches auf die Wand gelegt wird, sondern es wird nur Schmutz abgetragen. Das eigentliche Graffiti ist dann einfach die ursprüngliche Farbe unter dem Schmutz, die so wieder sichtbar wird. Und an schmutzigen Böden und Wänden gibt es in Berlin wahrlich keinen Mangel. Auch wenn es etwas schwierig war, eine passende Stelle, ohne viel Publikumsverkehr und passender Strom- und Wasserversorgung zu finden.

Nachdem es auf dem Boden einigermaßen funktionierte, sollte es an die Wand gehen.

Das Ganze ist natürlich ne ziemlich feuchte Angelegenheit. Man muss die Schablone dabei auch noch fest an die Wand drücken, sonst franst der Wasserstrahl die feinen Ecken aus. Diesen Job, unter dem Strahl zu stehen und das ganze Wasser abzubekommen übernahm natürlich….

…die Praktikantin.
Sie hielt sich allerdings wacker. Ich beschwerte mich mehr als sie über die Kälte und Nässe, auch wenn ich nicht der war, der klatschnass unter dem Strahler stand.

Dann noch trockenföhnen.

Qualitätskontrolle.

Und es steht. Zweimal.

Das Witzige ist, dass man den Text auf dem Boden nur aus einem bestimmten Winkel sieht.
Nun musste ich nur noch frontal ein Foto machen, was fürs Cover gedacht war, und oben im Video am Ende zu sehen ist.

Und wo alles fertig war, machte mein Bruder noch sein Auto sauber.

Gesamt ne lustige und kalte Aktion, die ungefähr ne Stunde dauerte und auf knappe zwei Minuten Video zusammengeschnitten wurde. Es wurde dann noch eine lange Nacht für meinen Bruder, da sowohl Video, als auch Cover und Präsentation des Materials am nächsten Tag fertig sein mussten. Ich bin allerdings danach einfach nachhause gefahren, hab mir ne heisse Schokolade gemacht und mich ins warme Bett gelegt…

Das „reverse Graffiti“ dürfte heute noch unter der Brücke kleben, schaut mal vorbei.

Mehr dazu:

->Website der Firma meines Bruders, mit mehr Infos zum Buch und neuen Cover

->Video einer schönen reverse Graffiti Aktion in San Francisco

Kleine Notizen zum kleinen Japanfestival

Am Wochenende war das Japanfestival in Berlin. Ich war dabei.

(an dem Mangel an fotolastigen Beiträgen in letzter Zeit merkt ihr meine aktuelle Auftragslage…)

Am Wochenende war das Japanfestival in Berlin. Veranstalter ist der Japanshop Berlin, der das ganze so gut wie alleine alle 2 Jahre stemmt. Verglichen mit anderen Städten fehlt in Berlin erstaunlicherweise eine große Japan-Veranstaltung, obwohl hier diverse deutsch-japanische Vereine ihren Hauptsitz haben und Berlin und Tokyo ja bekanntlich Partnerstädte sind – zumindest alles auf dem Papier. Ich wollte ursprünglich hin, aber nicht den überteuerten Eintritt bezahlen. Ich bemühte mich zunächst um Pressekarten, kurzfristig gab es aber noch die Möglichkeit für mich auf dem Festival zu arbeiten, und zwar für die Stadt Tokyo. Als Assistent der Tourismusbehörde von Tokyo bzw. deren Vertreterin in Deutschland, saß ich am Stand von Tokyo und informierte über die Metropole und Reisemöglichkeiten.

Arbeit am Tokyo-Stand

Das war eigentlich ganz spannend, viele planten eine Reise noch in diesem Jahr und wollten sich informieren. Die Geschichten zu hören war recht interessant und erinnerte mich an mein Jahr in Tokyo. Da waren viele junge Leute dabei, die lange sparten für ein, zwei Wochen Tokyo nach der Schule. Oder die Mutter, die mit der japanbegeisterten Tochter reisen wollte. Oder die hübsche Blondine mit dem süßen Lächeln, mit der ich noch lange über ihre Japanreise sprach. Oder zum Schluss noch die 87 jährige Dame, die zwei Jahre zuvor erst in Tokyo war, dort jede Tour mitgemacht hat und restlos begeistert war.

Natürlich ziehen solche Japanveranstaltungen auch immer wieder Deppen an, doch es hielt sich zum Glück in Grenzen. Nervig waren die „Grabscher“, die den ganzen Tag durch die Messe gehen und nur versuchen den Gratis-Kram mitzunehmen, ohne mal überhaupt Augenkontakt herzustellen. Oder die elendigen Japanologen, die sich bei einem Japan-Festival als Experten fühlten und sich auch genau so benahmen, schlechtes Japanisch und unverhältnismäßig hübsche, asiatische Freundin inklusive. Einer meinte deswegen gleich meine Berufswahl kritisieren zu müssen. Kann ja nicht jeder brotloser Geisteswissenschaftler sein, wa? 😉

Trotzdem hatte es mir wirklich gefallen, auch wenn mir im schlecht belüfteten Raum regelmäßig schwindelig wurde.

Das Japan-Festival

Hätte ich Eintritt bezahlt, ich hätte es bereut. Natürlich war ich vorbelastet, lebte ich doch schließlich ein Jahr in Japan und war schon verhältnismäßig gesättigt an Japankram. Für viele andere war das natürlich eine Gelegenheit Japan mal ein Stückchen näher zu kommen, ohne teures Flugticket. Viele reisten dafür auch extra nach Berlin.

Der Zugang zu Japan, die dann bei vielen eine Faszination auslöst, ist wirklich unterschiedlich. Ob jetzt Kultur, Essen, Sport, Popkultur wie Musik, Manga oder Filme – jeder findet da individuell etwas. Und so wurde auch versucht jeden Aspekt irgendwie zu bedienen. Ich sage mal bewusst versucht, weil einiges in der Ausführung nicht funktionierte.

Nehmen wir mal Sport als Beispiel. Es gab einen großen Stand zu Ju-Jutsu, mit einem ziemlichen coolen Schwarzgurt als Meister. Doch das war es dann auch schon mit den japanischen Sportarten auf dem gesamten Festival. Sicherlich hatte der Veranstalter mehr geladen, doch wenn nur einer erscheint, trübt das doch irgendwie den Gesamteindruck.
An Manga und Anime gab es ein Überangebot, überall liefen Cosplayer herum. Auch wenn ich persönlich das jetzt nicht störend fand, so entstand doch ein gewisser einseitiger Eindruck, der vorallem ältere Besucher schon noch abschreckte.

Da ich die ganz Zeit am Stand war, konnte ich keine Fotos machen, aber der Blog Berlin Sidewalk hat eine exzellente Auswahl (auch wenns oft nur Details statt weiten Aufnahmen sind).

Gesamt war es ein Mix von Ständen, die nur informieren wollten, aber auch Ständen, die nur verkaufen wollten. Einige Berliner, so zumindest mein Eindruck, waren ganz verunsichert von dieser Aufteilung, war denn schließlich der Eintritt schon teuer genug und man hatte mehr Unterhaltung und Programm für das Geld erwartet.

Das Showprogramm habe ich zwar versäumt, da ich am Stand gearbeitet habe, aber mir wurde oft berichtet, dass es zahlreiche Verzögerungen und Verspätungen gab. Es gab Musik und Vorträge, aber an japanischen Filmen gab es kein Angebot.

Fazit

Gesamt hatte ich halt den Eindruck, dass vieles nicht zu Ende gedacht wurde. Es gab vielfältige Aspekte und gute Ideen, in der Ausführung haperte es allerdings etwas. Das Ganze als große Werbeveranstaltung für den Japanshop Berlin zu sehen ist vielleicht nicht ganz richtig, aber komplett verkehrt ist es bestimmt auch nicht.

Das ist Schade, blickt man auf die vielen offiziellen Verbindungen beider Länder, die speziell in Berlin existieren, könnte man etwas mehr erwarten.

Ich und die Vertreterin von Tokyo waren allerdings zufrieden. Oftmals gab es nicht nur Reiseberatung von uns, sondern auch Lebensberatung für eine Zukunft in Japan. Meine „Chefin“ sah das alles zum Glück nicht so eng, also konnte man ruhig mal über mehr als nur Tokyo plaudern.

…und dann war da noch:

Auf dem Weg zum Klo kam ich auf einmal an einer blonden Frau vorbei. Wir lächelten uns an, sagten aber nichts und ich überlegte, woher ich sie kannte. Umgeben von weissen Fliesen fiel es mir dann wieder ein: es war meine Kunstlehrerin in der 12. Klasse. Nachdem die Hände gewaschen waren, suchte ich sie und fand sie ausgerechnet am Tokyo-Stand. Wortlos ging ich an ihr vorbei und setzte mich lächelnd an den Stand. Sie guckte etwas überrascht und fragte natürlich was ich hier mache. Ich fasste mein Leben nach dem Abitur in wenigen Sätzen zusammen und sie meinte nur lächelnd, wie aufregend das doch alles ist.

Meine Beziehung mit ihr war, nun ja, angespannt. In der 12. Klasse im Kunst-Unterricht mit ihr hatte ich mich zum ersten Mal mit Fotografie auseinandergesetzt, bzw. das erste mal wieder seit der Grundschule. Diese erste Auseinandersetzung führte dann zum Hobby und schlussendlich zu meinem Beruf. Das daraus ein Hobby wurde hatte, daran hatte meine Kunstlehrerin aber wahrlich keinen Verdienst. Denn bei ihr stand ich in Fotografie regelmäßig auf einer 4.

Es gab dann mal einen schulfreien Tag, wo die Kunstkurse trotzdem zur Schule kommen sollten. Wir bekamen die Aufgabe „Berlin in 24 Stunden“ und sollte an diesem Tag rausgehen, uns ein Thema suchen und fotografieren. Ich fand das sehr spannend und entschied mich dafür Menschen in der gesamten Stadt zu portraitieren, bei dem, was sie zu bestimmten Uhrzeiten machen. So kam ich zu einem Punkerpärchen am Alex, über einen widerlichen FDP Politiker in einer Bar, bis zu zwei Anglern an der Spree im Regierungsviertel.

Eines dieser Fotos sollten wir auswählen und „erweitern“. Das heisst, die Essenz des Bildes treffen und ergänzen. Ich nahm die Angler und gab dem ganzen das Thema „Leben“. Das Foto mit den Anglern war zweigeteilt, links der Fluss und das Wasser, rechts die Angler auf ner Wiese.
Ich nahm nun also ein Stück Wiese, ausgeschnitten vom Gelände der Humboldt-Uni in Berlin. Es hielt mich zwar einer an, aber mit einer spontan improvisierten Lüge (es handle sich um ein Projekt für die Schülerzeitung um die Qualität von Berlins Böden zu testen), deren Glaubwürdigkeit mich selbst überraschte, konnte ich mit dem Stück Wiese einfach weggehen.

Für das Wasser nahm ich eine kleine Plastikwanne und drei lebende Fische. In die Mitte der Konstruktion kam dann das Foto, die Angelruten über die Grenzen des Fotos verlängert zu den Fischen.
Ich übergab die ganze Installation meiner Lehrerin, und nachdem sie die Fische gesehen hatte, nahm ich sie wieder mit in ein lebensfreundlicherers Aquarium. Der Rest, mit Wiese und allem, blieb dann vier Wochen zur Benotung bei ihr. Als es dann zurück kam, sah und roch man den Verfall der Wiese deutlich. Daneben hing ein Zettel mit meiner Note, die mehr als schlecht ausfiel. Etwas angepisst, aber auch mit dem Geruch in der Nase, entsorgte ich meine Konstruktion in dem Papierkorb neben der Lehrerin – während sie grad vor der Klasse unterrichtete. Sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber diese Aktion und gewisse Bloßstellung bedrückte sie noch längere Zeit.

Bei der nächsten großen Kunstarbeit bekam ich eine bessere Note und die Lehrerin fügte hinzu „Aber nicht wieder wegschmeissen, ja?“. Von Schülern, die nach mir bei ihr Unterricht hatten, hörte ich auch, dass sie nun regelmäßig Schüler darauf hinweist, ihre Werke doch nicht einfach so wegzuschmeissen. Kurz vorm Abitur sprachen wir auch noch mal drüber und sie erwähnte, wie unglücklich sie doch mit meiner Aktion war, die sie wohl als Statement an ihr und ihren Unterricht verstanden hatte. Tja, und ich war unglücklich mit ihren Noten.

Nun ja, wie gesagt, es war seitdem immer angespannt. Dass ich nun (manchmal) meinen Lebensunterhalt mit Fotografie verdiene, nahm sie wahrscheinlich nicht ganz ernst, da sie meinen Fotos nie wirklich viel Qualität beigemessen hatte. Sie verdrückte sich dann auch ganz schnell wieder vom Stand und ich merkte, sie wollte eigentlich gar nicht mit mir reden.
Tja, hab ich wohl als Schüler einen bleibenden Eindruck hinterlassen 😉

Tellerwäscher in Tokyo und andere Misserfolge #02

Warum aus einer Karriere als Tellerwäscher in Tokyo nichts wurde, warum ein Bankkonto in Japan nicht unkompliziert zu bekommen ist, warum ich einen Chinesen am Flughafen besuchen wollte und warum ‚Erfahrung‘ keine Miete zahlt, soll hier erzählt werden.

Ich bin mit dem Bloggen arg hinterher. Das liegt daran, dass mich letzte Woche ne heftige Erkältung mit hohen Fieber erwischt hatte. Eine Nacht wurde mir im Badezimmer sogar schwarz vor Augen deswegen, ich kippte um und dann lag ich da erstmal ne Weile. Ist zum Glück nix passiert und wenn man es so erzählt klingt es auch eigentlich recht lustig. Drei Tage nachdem meine Krankenversicherung mich rausschmiss werde ich krank. Hat bestimmt irgendwas zu bedeuten…

Diese Woche bin ich mehr damit beschäftigt all den Kram zu erledigen, der sich angesammelt hat und erledigt werden muss (Versicherung, Aufträge, Anträge, nerviger Scheiss eben…). Wenn das erledigt ist muss ich erstmal mein Leben für die nächsten Monate organisieren, da das Gefühl von Stillstand im Alltag mich noch nicht so ganz verlassen hat und ich überlege, was ich als nächsten großen Schritt angehen möchte. Viel Kram zum drüber nachdenken, sich Sorgen machen und blah blah…

In der Zwischenzeit, mehr (hoffentlich) unterhaltsame Misserfolge aus Tokyo:

Tellerwäscher im Goethe-Institut

Ein Auftrag führte mich schon in meiner vierten Woche in Tokyo ins Goethe-Institut. So sah ich auch schon früh das dortige Restaurant, dass für die Mitarbeiter des Instituts die Kantine ersetzt und Speisen aus der Heimat kocht. Mit einem jungen Japaner, Hiro, kam ich ins Gespräch, als er vor dem Restaurant die Menütafel beschrieb. Er war schon einmal zwei Jahre in Deutschland, allerdings als Sushi-Koch nur in der Küche, wo er nicht viel Deutsch lernte. Sushi hatte er nie gelernt, aber er war eben der Quotenjapaner für ein Restaurant in Baden-Würtemberg, wie er sagte. Wir waren einander gleich sympathisch, vorallem sein glückliches, breites Grinsen unter den ungekämmten Haaren lud zu einem Gespräch ein. Er war auch froh, mal mit einem Deutschen in seinem Alter zu sprechen, denn hier im Haus arbeiten nur Ältere (abgesehen von den Studenten, die hier ihr halbjährliches unbezahltes(!) Praktikum absolvieren).

Ich meinte, ich suche eine Job und überlege hier im Restaurant anzufangen. „Oh ja bitte“, sagte er, unwissend wie schlecht mein Japanisch ist.
Ich ging also rein und machte irgendwie klar, dass ich Arbeit suche. Fürs Personal war die „Madame“ zuständig, die Frau vom Chef und als solche, wie so oft in Japan, zuständig für Finanzielles und den Betrieb.

Ihre ersten Worte auf Japanisch konnte ich verstehen:

Sie: „Sprichst du Japanisch?“
Ich: „Etwas…“
Sie: „Englisch, Deutsch?“
Sie: „Klar!“
Sie: *seufz* „Ich sprech kein Englisch und kein Deutsch. Was machen wir jetzt?“
Ich lächelte und meinte nur: „Das geht schon“

Es ging nicht.
Mir wurde nur gesagt, dass ich in einer Stunde wiederkommen soll, da geht es los mit dem Betrieb.
Ich war hungrig und ging umher. Was man mir nicht sagte, vielleicht aus Strafe weil ich kein Japanisch kann, war, dass es eine Viertelstunde vor meinem mir angesagten Termin, Mittagessen für alle gab. So wurde es mir erklärt von zwei jungen Geschwistern, mit deutschen und japanischen Eltern, die beide Sprachen konnten und jetzt im Sommer in Tokyo waren. Um der Langeweile daheim zu entgehen, fingen sie hier einen Job an und erklärten mir alles – was nicht viel war, da ich mich explizit als Tellerwäscher gemeldet hatte.

Tja und was soll ich sagen, die Teller waren noch nie so schnell sauber. Wohl weil das sonst keiner macht, da bei so wenigen Gästen keine Eile besteht. Trotzdem kam der Koch alle paar Minuten in mein Kabuff und überprüfte meine Arbeitsbereitschaft.
Die streng wirkende Madame sorgte sich indes um meine Gesundheit, ob ich denn auch gegessen habe, ob ich Durst habe oder ob mich meine langen Haare störten. Ich verstand sie zwar, erwiederte allerdings immer nur das selbe „Alles in Ordnung“, welches sie wohl für meinen gesamten japanischen Wortschatz hielt.

Am Ende des Abends gab es ein paar köstliche Reste (Schwarzbrot!) und ein gegrinstes „Entschuldigen Sie Bitte“ vom Chefkoch, was peinlich berührt rüberkam. Er sagte mir, dass es hier keine Arbeit für mich gebe, weil sie jemanden mit Japanisch-Kenntnissen für das Kellnern brauchten. Trotzdem gab es eine ordentliche Bezahlung für 4 Stunden Tellerwaschen, gefolgt von einer Hatz zum Bahnhof um den letzten Zug zu erwischen. Die beiden Geschwister sah ich dann nie mehr wieder und ich verschwitzte es auch, ihren Namen zu notieren.

Wen ich allerdings mehrmals wiedersah, waren Hiro, der Kellner und Madame. Madame war jedesmal peinlich berührt, teils aus Fürsorge, teils aus Hilflosigkeit darüber, wie jetzt mit mir umzugehen ist. In den folgenden Monaten, wenn ich sie mal im Goethe-Institut sah, war sie immer ganz überrascht und fragte, ob ich Arbeit habe. Ich verneinte das oft, und sie schrieb sich jedesmal erneut meine Telefonnummer auf.


Veranstaltung im Goethe-Institut

Hiro traf ich dann erstaunlich oft im Goethe-Institut wieder, jedesmal vor dem Restaurant. Er schob Sonderschichten, oft 7 Tage die Woche, um sich einen Sprachkurs leisten zu können und nach Deutschland zu gehen. Oben im Goethe-Institut sah ich ihn mal bei einem Sprachtest mit einem der Lehrer, die ihn dann danach ins Programm aufnahm. Ob Hiro inzwischen die Welt von Madame verlassen hat, ich weiss es nicht.

Bankkonto bei der citibank Tokyo – oder „Do you speak English?“

Meine dritte Wohnung in Tokyo, das Haus mit den zehn Mitbewohnern in Nakano, machte es zur Pflicht, die Miete per Überweisung vom Bankkonto zu bezahlen. Ich hatte keins, wurde ich doch oft in bar bezahlt oder die Überweisung ging auf mein deutsches Konto. Ständig von meinem Vermieter ermahnt, suchte ich nun eine Bank. Mit mangelnden Englischkenntnissen dachte ich, bei der internationalen citibank auf verstehende Ohren zu stoßen. Auch ein bisschen mit dem naiven Blick, mit einem japanischen Bankkonto auch in Zukunft von japanischen Stellen bezahlt zu werden.

Im Internet kündigt citibank auch groß an, für internationale Kunden bereit zu stehen, und nach etwas Suchen fand ich auch eine Filiale in der Nähe.

Von ewig grinsenden Damen in kurzen, engen Kleidern wurde ich an einen Schalter gelotst. Von hier an entstand ein lustiges Spielchen von „Angestellte wechsle dich“, da die erste schnell mit ihrem Englisch kapitulierte. Sie holte eine Kollegin heran, die dann allerdings auch bald aufgeben musste, sodass bald die dritte Kollegin antanzte, welche dann zusammen mit der ersten Dame an meinem Fall arbeitete.

Das Gespräch lief eigentlich sehr gut. Die Dame hatte auch ein paar Monate in Hamburg gelebt und war sehr neugierig daran, wie ich hier mein Geld verdiente (über die normalen Pflicht-Fragen hinaus).
Mit einem Lächeln verließ ich sie und sie mich, wohlwissend dass das ganze Gespräch weit über ihren Feierabend ging.

Es sollten mich nun zwei Briefe erreichen, allerdings beide noch an meine alte Adresse. Einen konnte ich dort abholen, bzw. nur den Brief mit einem Hinweis, in welcher Postzweigstelle ich mir den Umschlag mit meiner Bankkarte abholen kann. Der Pin und alles weitere, was das Konto überhaupt brauchbar macht, sollten mit einem zweiten Brief kommen. Doch der kam nie.

In der Zwischenzeit hörte ich mich bei meinen neuen Mitbewohnern um, nach deren Konten in Japan. Es stellte sich heraus, das citibank mit 20€(!) monatlichen Kosten für das Konto, egal ob was drauf ist oder nicht, ein ziemlicher Griff ins Klo war. Ich dachte zuerst, alle Banken in Japan seien so, doch meine Mitbewohner lachten nur über diesen Gedanken.

Kurzum, das mit citibank verlief im Sande. Ich war ganz froh, dass kein zweiter Brief mehr kam und sah mich auch nicht genötigt, da noch einmal nachzufragen. Ein Bankirrtum zu meinem Gunsten, wie es wohl heisst.

Ich gründete dann kein Konto mehr und übergab die Miete, sofern ich sie denn überhaupt hatte, meinem Vermieter immer in bar. Fand er zwar nicht so cool, aber besser als kein Geld.
Sah ich ganz genau so.


Innenhof der Elite-Uni Toudai. Hat nix mit der Geschichte zu tun und füllt nur Platz.

Der Chinese am Flughafen

Ich hatte es schon ein paarmal angerissen gehabt, aber die ganze Geschichte würde ich doch einmal gern ausführlich erzählen:
Der Chinese Feng Zhenghu lebte ingesamt 92 Tage lang im Flughafen Narita, dem internationalen Flughafen von Tokyo. Eine Freundin, die mich in Tokyo besuchte, erzählte mir ursprünglich von ihm und wie sie ihn bei ihrer Ankunft in Tokyo gesehen hat. Ein bisschen Recherche ergab dann, dass der chinesische Menschenrechtsaktivist Feng Zhenghu es mehrmals versucht hatte, wieder nach China einzureisen, ihn dort die Behörden allerdings postwendend wieder zurück ins Flugzeug nach Japan schickten und nicht ins Land lassen wollten. Als Protest zog er dann ins Terminal von Narita, auch wenn Japan ihm ein Visa angeboten hatte und der Chef vom Flughafen ihn sogar einlud, den Terminal zu verlassen. Doch der Chinese protestierte lieber weiter, twitterte regelmäßig und veröffentlichte Bilder von sich auf Flickr.

Berichte über ihn gab es wenige. Denn er war in einem Bereich vom Flughafen, in dem man so einfach als Journalist nicht reinkommt. Alle Beiträge über ihn stammten von Journalisten, die quasi auf der Durchreise in Tokyo waren und ihn noch kurz vor oder nach dem Flieger auf Band mitnahmen.

Ich fragte mich, wie man denn in einem Flughafen leben kann, vorallem in einem Bereich, wo keine Restaurants mehr sind und wo man wegen Nahrung und anderer Utensilien auf die anderen Fahrgäste angewiesen ist. Ich wollte ein, zwei Tage mit ihm zusammen hinterm Terminal leben und seinen Alltag intensiv dokumentieren. Das hatte vorher keiner gemacht und auch für mich als Fotograf wäre es eine intensive Gelegenheit gewesen, mich weiter zu entwickeln.
Ich schrieb den Flughafen an.

Wider Erwarten stimmte der recht schnell meinem Gesuch zu, allerdings nur unter der Bedingung, dass ich einen Presseausweis vom Auswärtigen Amt von Japan bekomme, ein sogenannter „internationaler Presseausweis“. Ich hatte zwar einen Presseausweis, auf dem auch groß steht, dass er international gültig ist, doch der Flughafen verlangte einen besonderen Ausweis. Schließlich lebte der Chinese in einem besonders gesicherten Bereich, hinter der Passkontrolle.


Quelle Feng Zhenghu am Flughafen

Von hier an begann ein Kampf mit den Dokumenten und den Ämtern. Denn für einen internationalen Presseausweis musste ich zum „International Press Center“ von Tokyo. Ich vertat mich zuerst mit all den Amtsbegriffen und dachte zuerst, dass dieses Press Center eine Abteilung des Auswärtigen Amts war.
Nachdem ich dort durch die Sicherheitskontrolle war und jemand herantelefonierte wurde, der verstand was ich die ganze Zeit mit „Press“ meinte, wurde mir gesagt, dass ich in ein anderes Gebäude musste. Die Öffnungszeiten dort waren zwar schon vorbei, doch japanisch höflich rief das Auswärtige Amt schnell durch und meinte, da kommt noch jemand vorbei.

Eine lethargisch wirkende Dame guckte mich im internationalen Press Center mit glasigen Augen an und fragte mich mit leiser Stimme, was ich hier will. Ich sagte, ich hätte gerne einen internationalen Presseausweis, hier im internationalen Press Center. Ohne ein Wort ging sie zurück in ihr Großraumbüro, gab mir ein Formular und bat mich es auszufüllen. Zu dem Formular brauchte ich auch ein paar Dokumente, die ich natürlich dabei hatte. Schließlich hatte ich mich informiert.

Ich brauchte unter anderem nämlich eine Bestätigung von einem Medium, dass ich regelmäßig für sie aus Japan berichte. Als freier Journalist mit kaum Kontakten zu Redaktionen, der ich damals war, hatte ich es natürlich schwer, so etwas zu bekommen. Eine definitive Bestätigung, dass jeder Beitrag aus Japan auch abgedruckt wird, existiert auch nicht für Freiberufler. Ich bat eine befreundete Redakteurin um einen Gefallen und bekam das Nächstbeste: eine Bestätigung, dass meine Beiträge aus Japan für eine Veröffentlichung in Erwägung gezogen werden. Dazu gabs noch einen Abdruck eines Beitrags über den Seijin no Hi vom letzten Monat, dessen Belegexemplar mir per Post aus Berlin geschickt wurden.

Ich füllte nun also das Formular im internationalen Press Center aus und gab sie mit dem Rest der Dokumente an die lethargische Dame. Nun ja, man muss ihr aber auch anrechnen, dass es schon ne halbe Stunde nach Feierabend war, und sie nur noch für mich die Augen offen hielt. Stellte sich heraus, dass schonmal jemand von der Berliner Zeitung hier im Büro in Tokyo vor mehr als zehn Jahren vorstellig wurde. Also musste ich keine detailierte Angaben zu meiner Zeitung machen (Auflage, Geschichte…), von denen ich mir das Meiste eh hätte ausdenken müssen.

Es brauchte nur noch ein Foto für die Akten. Im Erdgeschoss gab es einen Fotoautomaten. Damit ich den auch ja finde, wurde mir eine Karte überreicht und der beste Weg zum Automaten eingezeichnet. Es wurde mir sogar ein zweiter Automat eingezeichnet, falls der erste kaputt sei. Für diese Art der Fürsorge und Höflichkeit muss man die Japaner echt lieben.

Ich nahm den Aufzug des klassischen Art Deco Gebäudes in den Keller, wo ich mich in der Tiefgarage verlaufen hatte und von einem Wachmann, der sichtlich erfreut war in seinem Kabuff mal einen Menschen zu sehen, in die richtige Richtung gelotst wurde. Die Hälfte von dem Geld, was ich für den Monat noch zur Verfügung hatte, ging für Passfotos drauf, die derzeit an meiner Küchentür hängen. Eins davon brachte ich der Dame nach oben, die meine Dokumente soweit abgeheftet hatte. Es war soweit alles erledigt und ich fragte, wie lange ich denn nun auf den internationalen Presseausweis warten müsste. „Vier Wochen“, sagte die Dame. „Aber… ich komm doch den weiten Weg aus Deutschland…!“, sagte ich etwas verzweifelt und in der Hoffnung auf den Deutschen-Bonus, der mir oft geholfen hat. „Deutschland?“, sagte sie, und lächelte das erste Mal seit dem Beginn unseres Gesprächs. „Na ich schau mal was ich machen kann“. Ich bedankte mich und radelte wieder nach hause. Keine zwei Wochen später bekam ich die Antwort.

Zu diesem Zeitpunkt war allerdings der Chinese schon wieder zuhause. Er konnte nicht warten, bis ich mich durch die Ämter und Formulare gekämpft habe und bis alle notwendigen Dokumente aus Deutschland eingetroffen waren. Er war glücklich wieder daheim, umarmte seine Mutter und verzehrte wieder chinesisches Essen, was ihm so lange fehlte.

Ich hingegen saß mit dem Dokumenten für einen internationalen Presseausweis (der eh nur in Japan gültig gewesen wäre) in Tokyo, um eine Erfahrung und ein Thema ärmer.
Aber dafür mit neuen Passfotos.

Tokyo-DeLuxe oder „Wir lieben deine Fotos, aber wir finden, wir sollten dir nichts zahlen“

Ein Tokyo-Fan und Unternehmer wollte eine Website machen, die den deutschen Tokyo-Reisenden mit etwas mehr Geld ansprechen sollte. Es sollte eine feine Auswahl an luxuriösen Hotels und teuren Restaurants in Tokyo auflisten. Für dieses Webportal suchte er einen Fotografen und ein Kontakt hatte mich empfohlen. Die Empfehlung ehrte mich natürlich und ich freute mich schon darauf teure und edle Ecken in Tokyo abzulichten.

Ich schickte ein paar Fotos rum, um ihm einen Überblick über meine Arbeit zu geben. Die Bilder kamen gut an und ich freute mich. Es verging etwas Zeit wo ich nichts hörte, doch mein Kontakt versicherte mir, dass das alles seriös ist.
Ein paar Wochen später kam auch die Mail, mit einer konkreten Liste von Fotos, die er gern verwenden möchte. Bzw. er schickte mir die erste Version der Website, wo er meine Bilder schonmal ungefragt verbaut hatte, weil sie seiner Meinung nach so gut passten. Prima, sagte ich, und fragte, wie er sich die Vergütung vorstellte. Seine Antwort war:

„Ja siehst du, ich hab auch mit meinem Geschäftspartner drüber gesprochen, wir lieben deine Bilder und würden die auch gern verwenden, wir finden aber wir sollten dir nichts zahlen, weil du ja noch Nachwuchs-Fotograf bist und die Erfahrung & Aufmerksamkeit ja auch gut sind.“

(Ich denk mir das nicht aus, das waren exakt seine Worte)

Ich sagte, dass Erfahrung keine Miete zahlt, und wenn ihm meine Bilder so sehr gefallen wie er sagt, er doch dafür auch zahlen kann. Viel mehr regte mich diese Mail von einem Deutschen sehr auf, weil es mich wieder an die Arbeit in Deutschland erinnerte, wo erst auf mein Alter geschaut wurde, und dann erst auf meine Bilder. Dieses deutsche Denken – „der ist jung, also auch nicht viel wert“ – meinte ich eigentlich in Tokyo entkommen zu sein. Doch es holte mich wieder ein.
Ich schrieb ihm meine Absage, mit dem Hinweis, dass er doch bitte keine Bilder von mir verwenden soll, sonst hört er von meinem Anwalt. Wir verblieben, dass wir bei seinem Besuch in Tokyo nochmal drüber reden. Von mir aus, sagte ich, aber ich erwartete nicht viel.


Eines der Fotos die er haben wollte

Im Mai war er dann eine Woche in Tokyo und hatte immer recht spontan für mich Zeit. Das heisst, er schickte mir immer so ein paar Stunden vorher eine Email mit dem Hinweis, wo er in ein paar Stunden für ein Treffen wäre, ohne die Möglichkeit ihn zurückzurufen, da er kein Handy in Tokyo hatte. Seine letzte Nachricht, an einem Tag den ich mir extra für ihn freigehalten hatte, kam wenige Stunden vor dem in der Nachricht angekündigten Treffen:

„Ja hey, wir sind jetzt im International Forum, in Roppongi, komm doch einfach her“

Das Tokyo International Forum ist in Yurakucho, Roppongi ist ein komplett anderer Bezirk. Meine Antwort war nur „Ja wo denn nun?“ doch es kam keine Reaktion.
Das war der letzte Kontakt mit ihm. Sein Webportal ist inzwischen online. Ohne meine Fotos. Dafür vielleicht auch nur mit gratis Fotos von anderen Nachwuchs-Fotografen, oder gerechtfertigt bezahlte Ü-30 Fotografen. Hauptsache das Alter stimmt, wa?

Nein.