Vierteljahrhundert

Wieder ein Jahr mehr. Und was für ein Jahr.

Ich hatte im Dezember nur zwei freie Tage. Eindeutig der Abschluss für das ereignisreichste Jahr, dass ich je hatte.

Ich war in acht Ländern unterwegs, alle hatte ich vorrangig aus beruflichen Gründen besucht. Keine Zeit für Urlaub. Ich hab viele teure Freunde wieder getroffen, die ich Jahre nicht gesehen hatte. Ich bekam einige aufregende und gut bezahlte Aufträge. Ich besass noch nie zuvor so viel Geld, und nie zuvor war ich so pleite wie in diesem Jahr. Ich erhielt eine ehrenhafte Erwähnung in einem Journalismus-Wettbewerb und arbeitete sechs Monate lang an meiner längsten, persönlichsten, anspruchsvollsten und besten Fotoreportage. Ich zeigte meine Bilder als Teil einer Ausstellung in Hiroshima. Und ich schrieb zwei Bücher.
Das alles, während des Studiums in Hannover, wo ich trotzalledem jeden Kurse besuchte und fast alle mit einer 1 abgeschlossen habe.

Erstaunlich, für was man alles Zeit hat, wenn man keine Freundin hat, wa?


Journalismus-Wettbewerb, bei dem ich eine ehrenhafte Erwähnung erhielt. Bildmaterial von der Heinrich-Böll-Stiftung, Schnitt von mir.

Der Antrieb für all diese Leistungen ist mein Hunger nach mehr.
Mehr arbeiten, weiter reisen, größere Herausforderungen. Und der Hunger ist gut. Doch macht nie wirklich satt.

Neulich erst wies mich jemand darauf hin, dass ich den Wald doch vor lauter Bäume nicht mehr sehen würde. Dass ich auf der Suche nach noch mehr Erfolg, die bereits erkämpften Leistungen vergessen. Das war auch der Grund, warum ich das alles zum ersten Mal gesammelt aufschrieb. Und ich fühlte mich schlagartig müde, als mir bewusst wurde, wie viel ich dieses Jahr schon machte.

(Vieles davon kann ich noch nicht hier veröffentlichen. Aber es sind alles Sachen, die mich in diesem Jahr vom Blog abhielten. So komme ich auf gerade einmal fünf Artikel, die einen längeren Text enthalten, und nicht entweder nur aus Video, Fotos oder Archivmaterial bestehen.)

Das alles aufzuschreiben, soll auch mal fest halten, wie dieses Jahr war. Nächstes Jahr wird vielleicht noch aufregender. Vielleicht aber auch ruhiger und weniger erfolgreich. Und das ist okay.

Erfolg kostet. Entweder Gesundheit, Privatleben oder Freizeit. Das kann ich für dieses Jahr absolut bestätigen. Auch wenn es mir gesundheitlich gut geht. Seit ich in Hannover wohne, lebe ich auch gesünder, habe meine Ernährung umgestellt und treibe mehr Sport.

Aber ich glaube, ich sollte auch den Rat meiner Oma befolgen, und mal einen Gang runterschalten im nächsten Jahr. Ich plane, wieder nach Japan zu ziehen, allerdings nicht ins schnelle Tokyo. Ich habe Lust auf ein ruhiges, entspanntes, tiefergehendes Leben in Japan. Aber vielleicht wird mich das auch irgendwann langweilen und ich ziehe wieder nach Tokyo.


Die anstrengendste und tollste Reise dieses Jahr

Den “Hunger nach mehr” habe ich ja nun nicht erst seit gestern. Schon in jungen Jahren konnte ich Anerkennung für meinen Kram einfahren. Aber bis vor einigen Wochen hätte ich nicht daran gedacht, den Quatsch, den ich mache, als Erfolg zu bezeichnen.

In jungen Jahren vieles willentlich für Erfolg zu opfern – damit bin ich nicht alleine. In diesem Zusammenhang muss ich an zwei Sprüche denken, die mich in diesem Jahr beschäftigt haben.
Der eine stammt von meinem Dozenten:
“Wer in frühen Jahren schon publiziert, der lernt, die Redaktionen zu bedienen. Er lernt das so gut, dass er sich dabei selbst vergisst und austauschbar wird. Besser ist, von den Redaktionen aufgrund seiner Arbeit angerufen zu werden, statt selbst stets zu klingeln.”

Ich habe früh schon Sachen publiziert und angeboten, habe früh gelernt, was gefragt ist und biete heute noch regelmäßig Material bei den Redaktionen an. Hat der frühe Drang zur Veröffentlichung mich also austauschbar gemacht?
Eine Woche nach dem Sprucht erhielt ich einen Anruf. Ein Fotograf war krank, ich sollte einspringen. Ordentlich bezahlter Auftrag, inklusive Hotel und Anreise ans Meer. Warum denn gerade ich? Kann das nicht ein anderer Fotograf besser? Nein, war die Antwort, und ich saß im Zug.

Ein anderer Spruch, der wurde mir bereits vor einigen Jahren gesagt und ich muss oft an ihn denken, wenn ich junge Talente sehe.
“Es gibt die Sterne, die sehr früh, sehr hell leuchten – und schnell verbrennen. Und es gibt die, die über einen langen Zeitraum hinweg brennen.”

Leuchten oder Verbrennen.
Auf ins nächste Jahr.

2 thoughts on “Vierteljahrhundert”

  1. Hallo Fritz,
    ich bedanke mich ganz herzlich für das Jahr. War schön deine Artikel und deine Meinung zu den Reisen, Erfahrungen und Menschen zu lesen. Ich wünsche dir alles gute für dieses Jahr und bin gespannt auf weitere Berichte deiner Abenteuer.

    Gruß

    Jareth

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