Rockende Samurai und Robotmenschen – Design Festa vol. 31


Am vergangenen Wochenende war es wieder soweit: Die Design Festa lud junge, kreative Künstler in die Tokyo Big Sight ein. Genaueres zur Design Festa, was genau sie ist und warum ich sie so großartig finde, lässt sich im Artikel über die letzte Design Festa im Oktober 2009 hier lesen. Von daher beschränk ich mich hier mal auf dieses Jahr.

Seit der letzten Design Festa ist einiges passiert. Ich hab die Macher und den Chef kennengelernt, und auch die deutsche Künstlerin, die dort arbeitet. Sayuri und die Band FLAVA habe ich dort zum ersten Mal gehört und sie im vergangenen halben Jahr ab und an begleitet. Ich hab auch mehr und mehr junge Kunst abseits der Festa entdecken können, die ist in Tokyo zwar immer etwas versteckt, aber dann doch da.
Doch die Design Festa ist dann doch einmalig. Diese Atmosphäre, dieser direkte Kontakt zu den Künstlern und die Möglichkeiten ihre Werke direkt zu kaufen und sie somit zu unterstützten – dazu all die gute Laune und verrückte Künstler in bunten Kostümen.

Gehen wir mal auf einen kleinen Rundgang durch die Festa…

Ich hatte allerdings auch ein paar Termine an dem Tag, und Menschen, die ich treffen sollte. Von daher tauchte ich schon recht früh auf der Festa auf, auch wenn ich dann noch ewig auf eben diese Menschen warten musste. Umso mehr Zeit hatte ich, dem Musikprogramm im Zentrum zu lauschen. Es trat auf: Ein Samurai-Rocker

Der Sänger guckte immer grimmig hinter seinem Make-Up hervor, der Gitarrist gab sich auch Mühe, hinter der Sonnenbrille so böse wie möglich zu gucken.

Soweit ich das verstanden habe, haben die alte Rocknummern u.a. aus Anime gespielt. Komplett mit merkwürdiger Hand-Choreografie, die einige aus dem Publikum perfekt mitmachen konnten.

Es kam dann noch ein Cosplayer auf die Schaufläche, den ich schon durch die Festa hab marschieren sehen. Er gehörte zwar nicht zur Band, doch der Samurairocker sang grad das Intro zum Anime aus dem der Mecha stammt.

Der hier heisst Mazinga und stammt aus dem gleichnamigen Anime, der Anfang der 70er Jahre produziert wurde und einer der ersten Mecha-Anime war.


Quelle

Mit Japanern und Robotern ist das ja immer so ne Sache, von daher kannte ihn auch jeder im Publikum und alle riefen zum Song im Chor “Gassan, gassan!” und hoben die Faust.

Popkultur im kollektiven Gedächtnis, und alle feuern den Robo an. Der Samurai Rocker indes präsentierte seine Mädels, die selbstgeschneiderte Klamotten vorführten.

Wie auf nem Catwalk liefen sie ständig auf und ab, und posierten für die Fotografen in den kämpferischsten Posen.

Der Samurai hatte sich inzwischen seine Daimyo Jacke übergezogen und holte sein Schwert raus. Er versuchte dann aufmerksamkeitswirksam einen Stuhl zu zerlegen.
Mazinga kam dann, nahm den Stuhl und stellte ihn wieder in die Reihe, schließlich ist er Beschützer von Recht und Ordnung. Daraufhin ging der Samurai dann auf den Mecha zu.

Hinterrücks zog er ihm das Schwert über den Kopf und zerlegte sein halbes Kostüm. Man konnte deutlich sehen, dass das so vorher nicht abgesprochen war und der Robo sich vor Überraschung auf den Boden lag und aufgab.
Der Samurai triumphierte, indem er sich halbnackt auszog und ins Mikro brüllte.

Das Publikum rief aber Mazinga’s Namen, er rappelte sich wieder auf, rückte sein Kostüm zurecht und gemeinsam begannen sie die letzten Takte.

Samurai gegen Roboter, während Mädels in Kostümen Schwerte präsentieren… Only in Japan…

Allerdings zeigt das auch ein gewisse Freiheit, sich einfach mal nem kindischen Spaß hinzugeben. Im Publikum saßen und jubelten Menschen von 12-70 Jahren, und alle konnten sich dafür begeistern. In Deutschland kann ich mir so eine kollektive Begeisterung für eine 40 Jahre alte Zeichentricksendung nicht vorstellen.

Apropos Begeisterung: Es gab ein Wiedersehen mit Sayuri.

Sie hatte mir zwei Tage vorher eine SMS geschickt, sie singt auf der Design Festa und würde sich freuen, wenn ich vorbei komme. Ich stutzte, hatte ich nicht gerade ihr letztes Konzert fotografiert? Der Blogeintrag dazu war gerade einmal ein paar Stunden alt, als ihre Nachricht kam.

Es stellte sich heraus, dass sie über die Golden Week Anfang Mai ein Spontan-Projekt angegangen ist, mit einem etwas älteren Gitarristen, und auch noch kurz vorher eine CD mit 5 Songs aufgenommen hat.
Ihr positiver Tatendrang erstaunt mich immer wieder.


links der Gitarrist


der bekannte Drummer

Ich kam zwar etwas zu spät, da sie mir die falsche Zeit sagte, und auf dem Weg dorthin konnte ich schon ihre Stimme durch die Halle hören.

Sie war wieder mit Freude bei der Sache und ließ sich von den vielen Passanten nicht irritieren.

Auf einmal kamen kostümierte Gestalten vorbei, wobei das dann allerdings normal ist auf der Design Festa.

Sayuri ließ sich nicht ablenken und die Gruppe wäre auch weiter gegangen, hätte der kleinste der Gruppe nicht spontan großen Gefallen an ihrer Musik gefunden.

Doch Sayuri ließ sich nicht beirren.

Nach dem Auftritt sprachen wir noch kurz, es blieb nicht wirklich viel Zeit. Ich wollte mir die tausenden Künstlern anschauen, meine Begleitung drängte ebenso und Sayuri rann zwischen ihren Fans hin und her und verteilte Autogramme.

Während beim Konzert noch alles prima auf englisch klappte, bestand sie nun darauf, nur noch Japanisch mit mir zu reden. Auch ihre Nachricht war teils englisch, teils in Kanji. Sie versucht damit zu erreichen, dass ich mein Japanisch verbessere. Was die Kommunikation allerdings nicht leichter macht 😉

Der nächste Auftritt war um 18 uhr, also kurz vor Schluss. Wir versprachen nochmal vorbeizukommen und stürzten uns ins Getümmel.

Ich hatte ihn gefragt, ob alles in Ordnung ist, so traurig wie er ausschaut. Er schüttelte den quadratischen Kopf. Was sei denn los, fragte ich, und er holte nur ein Pappschild raus.

Meine Begleitung übersetzte es mir: Bitte kauft etwas. Schöne Idee =) Und es klappte sogar.
Gegen Ende des Abends traf ich ihn dann nochmal, dann allerdings ohne Träne im Gesicht. Scheint wohl guten Umsatz gemacht zu haben 😉

Bei der Design Festa ist es so, dass man einen kleinen Bereich mietet. Die kleinste Einheit ist 60x90cm. Was man dann auf dem Bereich macht, und wie hoch man stapelt, dem sind keine Grenzen gesetzt. Besonders clevere Künstler haben so Figuren o.ä. in die Höhe gesetzt, die genau auf ihren Stand aufmerksam machen. Wie z.b. das Mädchen mit Rotz in der Nase am Stiel.

Livepainting war auch diesmal eine große Sache. Letztes Jahr waren wir ja am Samstag, also am 1. Tag, da, wo die Zeichnungen gerade im Anfangsstadium waren. Nun waren wir am 2. Tag da, und die meisten Zeichnungen schon komplett.

Manchmal auch mit Live-Musik.

Es gab auch Schauspiel-Vorführungen.

Die Truppe hier stellte Hayao Miyazaki’s großartigen Anime “Nausica of the Valley of the Wind” dar, mit einem engagierten Erzähler zwischendrin.


Die Schlussszene, wo die Ohmu die verwundete Nausica hochheben

Hat bestimmt gegen diverse Copyright Regeln verstoßen, doch den Zuschauern wars egal. Mir ebenso, es hat mich sehr unterhalten, wie ein Anime mit Körpersprache erzählt wird.

Es gab einen Künstler, der hatte lauter kleine, detailverliebte Miniaturen geschaffen.

Ein ganz großes Highlight für mich war allerdings er hier:

Sein Kopf bzw. sein Gesicht war ein Bildschirm, der die Gesichtsausdrücke schnell und fließend ändern konnte, je nachdem was sein echtes Gesicht dahinter macht. Einfach nur faszinierend, dazu kam seine Stimme gefiltert, wie von einer Computerstimme gesprochen. Als ob man mit einem echten Roboter spricht.

Gegen Abend wurden die Stände langsam eingepackt und Künstler, die zwei Tage lang nur kreativ waren, schliefen teilweise in ihren Buden ein.


Er wachte kurz nach dem Foto wieder auf 😉

Erschöpft waren auch wir. Zu Sayuris Abendvorstellung ließen wir den Tag nochmal Revue passieren. Vorallem ich hatte wiedermal viel Geld für Kunst ausgegeben, auch wenn mir das alles noch nicht genug war. Ich wollte noch hier und da und dort Geld ausgeben. In der Retrospektive war ein wenig Zurückhaltung allerdings nicht verkehrt.
Was ich alles gekauft habe kommt dann evtl in einem zweiten Post.

Als die Band dann abräumte, malte eine befreundete Künstlerin noch eine Sayuri auf die leere Wand.

Ich bat sie daneben zu posieren.

Meine Begleitung drängte auf einen Heimweg. Eines wollte ich allerdings noch mitnehmen. Nachdem ich den ganzen Tag eher uninteressante Fotografen gesehen habe, wollte ich noch zum Stand von einem Mädel, die mich echt beeindruckt hat.


Quelle

Sie hatte sich auf Cosplay-Fotografie spezialisiert, hatte allerdings einen sehr interessanten Stil. Cosplay stammt aus der bunten Welt des Anime, die Fotos sind meistens auch quietschbunt. Sie hier hat allerdings die Sättigung stark runtergeschraubt, was dem ganzen eine interessante, realistische Note verpasst.

Ich hab versucht ihr meine Analyse und Lob auf Japanisch zu erklären, wand mich dann aber hilfesuchend auf Englisch an meine Begleitung. Auf einmal antwortet die Fotografin in fließenden Englisch und meint dazu, sie hätte ein Jahr in den USA verbracht. Das hätte sie ruhig mal früher sagen können…


Quelle

Sie ist nicht professionell, ich hab ihr aber stark dazu geraten. Der Ansatz und die Umsetzung sind großartig gelungen. Und es gibt weitaus schlechtere Fotografen, die Geld für ihre Bilder verlangen.

Ich verlange zwar, bekomm aber selten welches. Weiss grad nicht wo mich das dann einordnet…

-> Homepage der Fotografin:
hier

Dann gingen die Lichter in den drei großen Sälen aus und alle, die noch da waren, Künstler, Zuschauer, Genießer, alle applaudierten zum Abschluss. Und die Dankbarkeit von Hunderten für ein tolles Wochenende schallte durch die Hallen.

Raus aus der Big Sight begrüßte uns dann ein wunderschöner Sichelmond.

Ein passender Abschluss für einen wirkliche wunderbaren Tag. Auch wenn sich das hier vielleicht nicht so rauslesen lässt, und mein Deutsch heut irgendwie im Eimer ist, ich war doch wiedermal sehr begeistert und bedaure, dass es zur Zeit nicht absehbar ist, wann ich meine nächte Design Festa erleben werde.

…und am Ende bleibt nur das Echo

Eine junge japanische Band, die ich im Oktober letzten Jahres traf, zu meiner Lieblingsband ernannt habe, und mit der ich Silvester verbrachte, gab im April ihr letztes Konzert. Ich war als Fotograf den ganzen Tag dabei, von der Probe bis der Vorhang fiel.

Sayuri

Die Geschichte der Band FLAVA, der Gründerin und Sängerin Sayuri und mir lässt sich in einigen Blogeinträgen nachlesen, vom ersten Treffen bis zum 7 Stunden Konzert am Silvesterabend. Nach 6 Jahren Bandgeschichte bestand die Band aber eigentlich nur noch aus der Sängerin und Songschreiberin Sayuri selbst, ihre begleitenden Musiker wechselten sich dabei ab und entstammen alle aus einem kleinen, fast schon familären Kreis junger Musiker in Tokyo. Beim letzten Konzert waren auch viele mir bekannte Gesichter dabei.

Alle jungen Musiker beherschten ihr Instrument, spielen seit teilweise schon 10 Jahren. Auch wenn das in Berlin schon reichen würde, als Musiker über die Runden zu kommen, so schaut das in Tokyo weitaus anders aus. So sind alle Musiker nebenbei noch Kellner, Angestellte oder Conbini-Handlanger. Schade um die Zeit, in der sie nicht für andere Menschen Musik machen können.

Das letzte Konzert der Band FLAVA sollte in Adachi stattfinden, der alten Heimat von Sayuri, im Norden von Tokyo. Treffpunkt war in aller Früh auf einem Bahnhof, wo ich sie erstmal nicht fand. Für Sie hieß es nur ‘Such den Gaijin!’, ich musste die Gesichter von viele Japanern abchecken um sie zu finden. Nebenbei leerte ich noch eine Cola, da ich in der Nacht zuvor weniger als eine Stunde geschlafen hatte, da ich noch an irgendeinem Projekt saß.

Ich wurde dann von Sayuri begrüßt. Ihr Englisch hatte sensationelle Fortschritte gemacht, aber auch mein Japanisch, sodass wir nahezu ohne Probleme kommunizieren konnte. Mit ihr zusammen am Bahnhof stand auch ein hagerer, schüchterner Japaner, komplett ohne Englischkenntnisse. Er wurde als der offizielle Fotograf von FLAVA vorgestellt, eine Position die ich heute ebenfalls inne hatte. Für so eine kleine Band wie FLAVA gleich zwei Fotografen, das ist schon was.

In den 6 Jahren Bandgeschichte gab es nämlich schon einen Fotografen, bevor ich dann nach Japan kam. Beim letzten Konzert konnte der dann natürlich nicht fehlen, auch wenn Sayuri meine Bilder ebenfalls schätzt.

Er selbst war kein Profi, er hatte allerdings Fotoretusche und Bildbearbeitung studiert. Trotzdem gab es, nunja, Spannungen auf meiner Seite zwischen uns. Der Grund war, dass wir beide dasselbe machten und in direkter Konkurrenz standen, und seine Kamera.

Er hatte nämlich, im Gegensatz zu mir, eine Kamera die wirklich als professionell bezeichnet werden konnte, dazu auch Objektive im Wert von mehreren tausend Euro, für die er natürlich eine ganze Weile gespart hatte, die aber natürlich eine ganz andere Qualität liefern konnte, als meine Kamera. Wenn wir nun also dasselbe Motiv ablichten, ist sein Bild zwangsläufig besser. Ich versuchte, wie sonst auch, genau das zu vermeiden, doch wenn man nur ein paar Meter zum Bewegen hat, und sich das Motiv (Band auf der Bühne) nicht sonderlich verändert, sind die kreativen Grenzen dann doch gesetzt.

Vor dem Konzert in einer Halle in Adachi ging es noch in ein Studio, dass die Band für eine Stunde gemeinsames Einspielen gemietet hatte. Die Leute in der Band waren allesamt cool drauf und hatten viel Verständnis für die zwei Fotografen, die sich hier im engen Raum mit ihnen aufhielten und ständig rumknipsten.

Der andere Fotograf beobachtete alles still aus der Ecke, sein Objektiv ließ das auch zu. Ich musste mich viel bewegen und nah rangehen für einen guten Schuss. Zudem waren an der gesamten Wandfläche Spiegel angebracht, sodass es schwierig war, nicht selbst im Bild zu sein, oder nicht noch den anderen Fotografen drin zu haben.


Keyboarder


Bassist, mit nach wie vor cooler Frisur


Der Mann am Rhythmus-Gerät

Er hier war auch schon Mitte 30 und ich meinte, mein Bruder ist auch so in dem Alter. Von da an nannte ich ihn ‘Aniki’, was soviel wie ‘Brüderchen’ heisst. Fand er lustig.


Gitarrist

Sayuri gefiel es zu Anfang garnicht, dass wir Fotos machen, so ganz ohne Make-Up und Bühnendress. Also musste kurz nochmal was aufgelegt werden, und los gings.

Gesamt ging es doch recht professionell zu, die Leute beherschten ihr Instrument und nach wenigen Takten hatten sie alle Abläufe für das einstündige Konzert drin. Aufgeregt war keiner – und traurig auch nicht. Ich war tatsächlich der Einzige, der es bedauerte, dass dies schon das letzte Konzert von FLAVA sein sollte. Sayuri lächelte jedesmal nur, wenn ich sie drauf ansprach. Sie will weiterhin Musik machen, und einen Neuanfang beginnen. Nicht, dass die Zeit mit Flava schlecht war, doch die Band war wie gesagt nur noch sie selbst. Für die Zukunft wäre solo vielleicht besser, meint sie.

An dieser Stelle machte sich nun die Cola bemerkbar, die ich auf leeren Magen getrunken hatte. Es rumorte und schmerzte und ich verdrückte mich aufs Klo. Als ich noch auf dem Klo war, war die Stunde rum, die Band machte sich auf den Weg zum Konzert und fragte sich, wo ich denn bin. Mein Magen hatte zwar noch etwas zu sagen, doch die Sitzung auf dem Klo musste ich schnell beenden.
Ich ging zur Band, wartete bis alles draussen waren und ging unter dem Vorwand, ich hätte noch was vergessen, wieder zurück und erklärte dem Betreiber, dass das Klo momentan nicht mehr ganz so frühlingsfrisch aussieht, mit zehn Entschuldigungen obendrein. Der langhaarige Rocker verstand dann endlich und ich machte mich aus dem Staub, bevor er den Status vom Klo überprüfen konnte. Aber ganz ehrlich, warum viele japanische Klos auf Klobürsten verzichten ist mir schleiherhaft.

Wie dem auch sei, an der frischen Luft auf dem Weg zur Konzerthalle krampfte mein Magen nur noch halb so sehr und ich schaffte es Sayuri die 100 schweren CDs abzunehmen, die sie schon durch halb Tokyo schleppte und nach dem Konzert verkaufen wollte.

In der Konzerthalle hatten wir dann etwas Zeit bis zur Generalprobe, die andere mit Essen verbrachten. Der Gedanke an Essen brachte mich wieder aufs Klo, wo ich nur zehn Minuten lang auf dem Boden lag. Irgendwann gings dann wieder, doch 15min später suchte ich wieder das Klo auf, diesmal das einzige westliche Klo im gesamten Gebäude, wo ich eine längere Sitzung begann in der alles rausgeschmissen wurde, was keine Miete zahlte. Danach gings wieder, auch wenn mir noch den ganzen Abend flau war.

Zur Generalprobe hatte Sayuri wieder das Kleid gewechselt.

Die Band machte sich auf einer schrecklich beleuchteten Bühne vor einer gräßlich, langweiligen weissen Wand bereit.

Die Bühne und die Aufstellung, vorgegeben vom Veranstalter, war zu groß und uninspiriert komponiert, meines Erachtens. Zudem gab es strenge Vorgaben, wo wir uns als Fotografen bewegen können und wo nicht.

Seit meinem ersten Konzert-Shooting habe ich einen großen Gefallen daran gefunden. Ich mag die Lichter, die Emotionen, die Atmosphäre, die sich so gut mit Bildern transportieren lässt. Zudem ist es jedesmal ein neue Herausforderung an Kompositions-Technik und Equipment. Allerdings war das Konzertshooting hier, abgesehen von der fabelhaften Musik, nicht sonderlich spaßig, aus verschiedenen Gründen.

Ich suche ja sonst selten nach einfachen Ausflüchten, aber…

Die Top 5 der Gründe warum ich beim letzten Konzert von FLAVA keine guten Bilder machen konnte

1. Mein Magen rebellierte

Mir war entweder nach Kotzen oder Kollabieren.

2. Die Vorgaben vom Veranstalter

Was konkret bedeutete, dass ich nur Fotos von Schräg-Unten-von-der-Seite machen konnte, oder nur komplett im Profil, vom Bühnenrand. Mein Kollege hatte mit seinem 1600€ Tele-Objektiv einen größeren Zoom, konnte also auch hinter dem Publikum Bilder machen und hatte so ein Foto frontal, ich war da technisch etwas eingeschränkter.

3. Die Gewissheit, dass hier noch ein anderer Fotograf rumlungert, der dasselbe macht wie ich, und evtl sogar besser

Sowas drückt irgendwie auf die Motivation.

4. Die gute Musik

Ich wollte lieber komplett zuhören, statt mich auf gute Bilder zu konzentrieren.

5. Schlechte Lichtverhältnisse

Und nicht schlecht im Sinne von “herausfordernd”, schlecht im Sinne von langweilig, statisch, uninspiriert und ohne Atmosphäre.

Platz für 300 Leute gabs, ganz voll wurde es leider nicht. Allerdings war es selbst für Japaner unnötig kompliziert an Tickets zu kommen. Mich hatte Sayuri eingeladen, das galt dann auch als meine Bezahlung.

Viel Üben musste sie jedoch nicht, es wurde nur die Akustik getestet.

Dann ging es wieder in den Aufenthaltsraum, der mit seinen Tatami-Matten aussah wie ein Zimmer in einem Ryokan. Das Konzert an diesem Abend gestalteten zwei Bands: FLAVA mit Sayuri und Sariyajin. Das waren die Flyer:

Links ist Sayuri als Manga-Figur. Sehr gut getroffen, wie ich finde. Die Homepage der Künstlerin findet sich hier.

Die andere Band war auch im Raum, alle Mitglieder waren älteren Semesters. Die Sängerin von Sariyajin und Sayuri machten sich derweil mit Make-Up und Dress bühnenfertig, und waren fortan nicht mehr ansprechbar. Ich spielte derzeit mit der Kamera meines Kollegen rum…

…der wiederum mit meiner rumspielte, wodurch obiges Foto entstand.

Der Gitarrist baute derweil eine Art Rekoder fürs Konzert auf.

Er sieht zwar sehr wild aus, spielt aber in einer Jazz Band und ist ein sehr gelassener Geselle. Ich meinte, so wie er aussieht, spielt er doch bestimmt in einer Rockband. Er sagte nur, ja, das denkt jeder.

Dann ging es endlich auf die Bühne.

Das letzte Foto bevor der Vorhang sich öffnete. Ich war wohl aufgeregter, als alle in der Band zusammen (weswegen das Foto auch verwackelt ist)…

Die Musik fing an zu spielen und der Vorhang hob sich.

Nun will ich garnicht mehr so viel schreiben, sondern einfach nur Impressionen zeigen.

Mit viel Gefühl in der Stimme bewegte sie das Publikum.

Und sie spielte die Klanghölzer.

Keine Ahnung wer Sie war, sie tauchte irgendwann auf und wurde dem Rest der Band auch nicht vorgestellt…

Und heute für Euch an der Kamera: Fritz!

Sayuri genoss es, wieder für Menschen singen zu können. Und auch wenn das ihr letzter Konzert war, nie zeigte sie auch nur eine Spur von Trauer. Ich glaube, dafür ist sie auch ein viel zu positiver Mensch, der sich mehr auf die neuen Herausforderungen nach FLAVA freut.

Auch wenn FLAVA natürlich immer nur sie war, ohne Band.

Das letzte Lied…

…und dann gab es FLAVA nicht mehr.

Mit einem Lächeln verließ sie die Bühne und ging in den Vorraum zum Saal, CDs verkaufen, Freunde begrüßen und Autogramme geben.


Verkaufsstand

Ich wurde dann natürlich auch oft als der Fotograf aus Deutschland vorgestellt, woraufhin dann immer alle ‘ooooohhh’ machten – und mir ihre kleine Digitalkamera in die Hand drückten, zum Gruppenfoto.

Nach all den Autogrammen, verkauften CDs und Gesprächen mit Fans, bat ich Sayuri noch um ein Portrait…

…vor einem absolut gräßlichen Hintergrund. Doch sie wollte nicht mehr große Anstrengungen unternehmen für ein Foto. Dafür gabs heut schon genug Gepose, Gestelle und in die Kamera Gelächle. Sie war müde, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen wollte.

Die Band machte sich dann auf ins Izakaya, ich blieb noch mit Sayuri zurück und half beim Verkaufen und Einpacken. Ich hörte auch noch Sariyajin, der Folgeband zu. Sariyajin ist ein Begriff aus dem Anime und Manga Dragonball, dementsprechend bestand deren Reportoire an Songs auch aus vielen Anime-Klassikern.

Sariyajin setzte dabei auf viele klassische Instrumente. So gab es einen Flügel auf der Bühne, eine Violinistin, ein riesigen Contrabass und auch verschieden große Trommeln. Zusammen spielten sie dann ein Lied, dass ich seit über 10 Jahren schon kenne und gerne höre: “Yakusoku wa iranai”, geschrieben von Yoko Kanno, gesungen von Maaya Sakamoto.

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Ich kannte es bisher nur als mp3, hiernun hörte ich es in einer fantastischen Version live. Ich hatte Gänsehaut und seitdem hört sich die mp3 so leer an…

In Sariyajin spielen wie gesagt Leute älteren Semesters, mit umso mehr Erfahrung. Die Violinistin spielt nun schon seit 20 Jahren(!), der Piano-Spieler (der bei der allgemeinen Vorstellungen der Bandmitglieder das 7-11 Conbini Intro spielte) nun schon seit 15 Jahren. Trotzdem können Sie nicht davon leben. Ich hab der Sängerin dann gesagt, dass ich Yoko Kanno ebenfalls schätze und ihr sehr dankbar bin, für diese Liveversion und ihr kamen fast die Tränen.

Mit Sayuri bin ich dann zum Izakaya. Auf dem Weg hab ich mein Deutsch-Japanisch Wörterbuch vergessen und sie ihr Songbuch. Beides kam dann zwei Tage per Post vom Veranstalter zu uns nachhause.

Im Izakaya saß die ganze Band, erschöpft und zufrieden. Ich trank dann mal einen Tee, das erste mal wieder was im Magen seit 8 Stunden. Sayuri verteilte etwas Geld, was vom Abend durch CD Verkäufe und vom Veranstalter rumkam. Sie hatte allerdings den Konzertsaal gemietet, nicht der Veranstalter die Band. So läuft das in Tokyo.

Ich fragte die Bandmitglieder wieviel es gab, sie wussten es nicht und es war ihnen auch egal. Sie machen das nicht fürs Geld. Ich betone das nochmal: Sie spielen jahrelang Musik auf der Bühne nicht für Geld, sondern weil sie Freude dran haben. Umso sympathischer ist dann ihre Musik.


Das letzte Gruppenfoto

“Kommt alle, die Glück suchen, nach Tokyo”

Obiger Titel ist ein Zitat aus der deutschen(!) Version von “Honey Tokyo“, einem neuen PR-Anime-Film zur Stadt Tokyo.

Ich arbeite zwar indirekt für die Stadt Tokyo, und direkt für die deutsche Abteilung der Tourismusabteilung, aber das ist nicht der Grund, warum ich diesen PR-Film, der Anfang des Monats online ging, für berichtenswert halte. Das Anime Studio, dass den 10-minütigen Film produziert hat, ist nämlich das Studio 4°C, welches, wie ich schonmal erwähnt hatte, zu meinen Lieblingsstudios gehört.
Eigentlich ist der Stil von 4°C viel zu speziell, um es in einem Mainstream-Touri-Promotion-Film zu nutzen – dass die Stadt Tokyo es trotzdem gemacht hat, finde ich sehr cool.

Und irgendwo macht es auch Sinn: Das Studio 4°C ist international bekannter und beliebter als in Japan selbst. Möchte man nun Touris aus dem Ausland gewinnen, hat man mit dem Studio vielleicht mehr Glück, als mit einem langweiligen Beitrag von Toei-Animation beispielsweise (die eher Massenware machen).

Die Story ist wie folgt: Honey, eine Japanerin (?) aus der Zukunft, kommt ins heutige Tokyo um das Glück bzw. die “Seele” zu finden, die es in der Zukunft nicht mehr gibt. Sie selbst ist dabei recht gefühllos und kommt wie ein Roboter daher. Sie sammelt dann einen Jungen auf der Straße von Tokyo ein und fliegt dann ziemlich hektisch mit ihm in Tokyo umher. Vorher sammelt sie sein Glück ein, indem sie ihm die Farben aussaugt und Schwarz-Weiss macht. Bei ihrem hektischen Flug durch Tokyo sammelt sie dann überall das Glück bzw. die Farben ein, um es für die Leute in der Zukunft zu sammeln.

Das alles solange, bis der Junge Honey bittet, endlich damit aufzuhören, sich Zeit zu nehmen und Tokyo mal ruhig und entspannt zu erleben. Das Tempo des Films ändert sich merklich, es wird ruhiger und wärmer. Zusammen klappern sie dann Touri-Spots, Tempel und Restaurants ab. Honey findet mehr und mehr Gefallen an Tokyo und wird auch menschlicher.

Es endet dann, zugegeben etwas kitschig, damit, dass sie sich in Tokyo und den Jungen verliebt.

Trotzdem ist der Anime Kurzfilm von Regisseur Yasuhori Aoki, der gleichzeitig auch das ungewöhnliche Character-Design übernahm, mehr als nur ein PR-Film. Ich persönlich sehe es so:

Die Dame aus der Zukunft steht für den allgemeinen, gehetzten Tourist aus dem Ausland. Zukunft bedeutet hierbei eben “aus einer anderen Welt”, wo die meisten Touris eben herkommen. Und genau wie die meisten Touris hetzt sie zu Beginn durch Tokyo, um möglichst viele Sehenswürdigkeiten mitzunehmen. Den Prozess des “Farbe aus dem Ort nehmen” kann man auch schön so sehen, als ob sie überall hingeht, nur um Fotos vom Ort zu machen, um sie zu hause zu zeigen – ohne sich wirklich Zeit zum verweilen zu nehmen.

Die Quintessenz des Anime ist dann eben nicht nur “Kommt nach Tokyo” sondern “Nimm dir Zeit, verdammt, und hetz nicht von einem Ort zum anderen”. Dabei gibt es eine wunderbare Balance zwischen Story, PR-Bildern, Botschaft, Kommerz und Gefühl. Sowas kriegt auch nur das Studio 4°C hin.

Der Film endet damit, dass Honey wieder nach Tokyo kommt – und viele Leute aus der Zukunft mitbringt. Und die Touri-Flut der Menschen aus der anderen Welt beginnt…

Den Film gibts mit Untertiteln in insgesamt 8 Sprachen und eben auch in Deutsch:

-> Weblink: Honey Tokyo

Fritze hier und anderswo

Was für ein Wetter! Übers Wetter bloggen ist zwar genauso belanglos wie übers Wetter zu reden, doch es funktioniert immer gut als Small-Talk-Einstieg, so auch hier.Der Regen der letzten Woche hatte ja eher Hausarrest erteilt, ja es hat sogar geschneit! Meinen Orangenbaum musste ich vom Dach retten, der verträgt die Kälte nicht so sehr. Stellte ihn dann ins Warme wo meine Mitbewohner fasziniert das neue Leben begutachteten, dass ich ins Haus brachte. Ich hoffe er blüht noch solange ich in Tokyo bin… Seit zwei Tagen lacht auch wieder die Sonne. Das ist gut für meinen Orangenbaum und für Fotos, von daher war ich jetzt die Tage unterwegs. Unter anderem hier:

Um das zu Erklären muss ich weiter ausholen:
Für ein deutsches Manga-Magazin mache ich derzeit eine Art monatlichen Tokyo Guide. Ich stelle bestimmte Stadtteile in Text und Bild vor und gehe gegebenfalls auf Manga- und Jugendrelevante Themen ein. Das ist eigentlich ganz interessant, ich setz mich intensiv mit den Stadtteilen von Tokyo auseinander, und es kommen gute Bilder bei heraus, die ich auch andersweitig anbieten kann. Den Anfang machte Shinjuku.

Was ein Heimspiel war, da ich ja schon über ein halbes Jahr hier lebe.

Als nächstes war Harajuku dran. Überrascht vom regenfreien Nachmittag machte ich mich auf den Weg ein paar Sachen abzudecken. Alles konnte ich nicht mitnehmen, aber schonmal ein bisschen Vorarbeit leisten solange die Sonne scheint. Als erstes wollte ich zur Design Festa Gallery.

Über das Festival ‘Design Festa’, dass zweimal im Jahr in Tokyo stattfindet und für junge Kreative eine Bühne bietet, hatte ich ja bereits schon sehr begeistert geblogt. Zusätzlich zum Festival gibt es eine Gallerie, die ganzjährig geöffnet ist, und deren bunte Fassade ganz laut “Kreativität!” in den grauen Tokyoter Stadt-Dschungel schreit. Von vielen Guides zu Harajuku wird das Haus gern mal übersehen, doch mir war es wichtig, es reinzunehmen.

Ich geh also durchs Haus, schau mir begeister alles an, und es kommt ein Gaijin vorbei, der mich fragt, was ich hier mache. Ich bin Journalist, sage ich, und möchte etwas über die Design Festa Gallery schreiben. Er bekam ganz große Augen und brachte mich zum Chef. Der übliche Small Talk und meishi Austausch fand statt und dann wurde mir gesagt “ach übrigens, hier arbeitet auch jemand aus Deutschland”. Zwei Teutonen in der Fremde mussten natürlich einander vorgestellt werden, und die deutsche Dame die hier arbeitete war auch sichtlich erfreut, endlich mal wieder Deutsch sprechen zu können – noch dazu mit einem Kollegen. Sie war auch Fotografin und dazu auch durchaus erfolgreich, wie man ihrer Website entnehmen kann.

Das Gespräch lief gut, und das fand ich dem Moment auch interessanter, als durch den Rest von Harajuku zu schleichen. Zumal die Design Festa Gallery eine absolute Oase ist, und sich eher wie das kreative, bunte und grüne Berlin anfühlt, als das graue, teilweise uniforme Tokyo. Vorallem wenn man dann noch Deutsch spricht, ist es als ob man in einem Cafe in der Kastanienallee sitzt.

Der Ausländer von vorhin kam dann noch auf mich zu und meinte, er schreibt was über mich im Design Festa Blog. Ich erklärte also was ich hier mache und wer ich bin. Dann wollt er noch ein Foto, ungewöhnlich sollte es sein. Na dann… ich könnte ja aufs Dach klettern, sagte ich. Fand er super, ich dann beim Klettern allerdings nicht mehr so sehr.
Von unten fotografieren klappte zwar gegens Licht und Himmel nicht (…) daher kam er gleich mit aufs Dach.

Und ein Foto zusammen mit mir wollte er auch.

Und die beiden Quoten-Deutsche sollte auch zusammen auf ein Bild. Ich hatte die Idee, dass wir das Klettern inszenieren. Keine Sorge, sie war nicht wirklich so schwer wie es aussehen mag.

Das ganze im Blog von der Design Festa Gallery -> hier.

Als wir fertig waren, war die Sonne auch schon wieder weg. Aber sollte mir recht sein, war ein netter und bunter Nachmittag.

Weitere Nachrichten:

Meine Homepage www.fotografritz.de ist endlich fertig und online!! Vielen Dank und Hut ab für die Leistung von Emanuel Schwarz! Sehr hilfsbereit und kompetent.

-> Weblink: Mediendesign Schwarz

In den nächsten Tagen kommt auch eine englische und japanische Version dazu. Doch ich lade schonmal jetzt zum Anschauen ein ^^ Über Feedback freu ich mich.

Noch etwas mehr in eigener Sache:

Seitdem ich eine Kontaktadresse eingerichtet habe, bekomme ich ab und an ein paar Mails. Ich freue mich natürlich über jede und versuche auch jede zu beantworten (auch wenns manchmal etwas dauert). Selbst wenn es zum Beispiel Anfragen zu einer Ausbildung/Assistenz oder Praktikum bei mir sind, bei denen ich mich zwar sehr geehrt fühle, aber leider nicht helfen kann. Trotzdem beantworte ich jede Anfrage.
Wenn jetzt allerdings der Mail Provider von jemanden kategorisch Mails aus Japan abblockt (??), kann ich nicht viel machen….